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Madjarische Internationale

 
     
 
So ganz haben die Ungarn das Trauma des Friedensvertrages von Trianon vom 4. Juni 1920 bis heute nicht überwunden. Die alliierten Sieger des Ersten Weltkrieges verkleinerten das ungarische Staatsgebiet damals um nicht weniger als zwei Drittel, wobei die Angehörigen der Titularnation allerdings in den meisten abgetrennten Landstrichen nicht die größte Bevölkerung
sgruppe gestellt hatten.

Dennoch: Drei Millionen Madjaren gerieten unter fremde Herrschaft; Siebenbürgen und das östliche Banat fielen an Rumänien, ein Teil des Burgenlandes an Österreich, die Slowakei (das einstige "Oberungarn"), die Zips und die Karpato-Ukraine an die neu gegründete Tschechoslowakei, und das westliche Banat, weite Teile der Batschka, die Wojwodina, Slawonien sowie Kroatien kamen zum ebenfalls neuen Staat Jugoslawien.

Besonders schmerzlich waren der Verlust des ungarisch dominierten Südens der Slowakei, der südlichen Karpato-Ukraine, des ebenfalls mehrheitlich ungarischen Landstrichs im Norden von Großwardein und rund um Sathmar sowie der von besonders vielen Ungarn bewohnten Süd-Batschka und natürlich des geschlossenen Siedlungsgebietes des madjarischen Stammes der Szekler.

Ungarn, das bis dahin im Verbund der Donaumonarchie eine ernstzunehmende Kraft im europäischen Mächtespiel dargestellt hatte, war plötzlich zum Kleinstaat geworden. Zwar konnte das Diktat der Sieger durch die beiden "Wiener Schiedssprüche" von 1938 und 1940 noch einmal für wenige Jahre abgemildert und Teile des so wichtigen Siebenbürgens zurückgewonnen werden, doch der Ausgang des Zweiten Weltkrieges beendete alle großungarischen Träume.

Dessen sind sich auch die heute maßgeblichen ungarischen Politiker bewußt und erheben gegen keinen Nachbarstaat irgendwelche Gebietsansprüche. Doch die Erinnerung an die einstige Größe und die Spuren, die die ungarische Kultur jenseits der heutigen Grenzen hinterlassen hat, wird um so intensiver gepflegt.

Viele Ungarn und vor allem auch die amtierende Mitte-Rechts-Regierung gehen mit der historischen Bürde der verlorenen Weltkriege auf eine Art und Weise um, der man Respekt zollen muß.

Kaum ein anderer europäischer Staat kümmert sich mit vergleichbarer Intensität um seine in der Fremde lebenden Landsleute wie die Republik Ungarn. Vergleicht man den politischen Stellenwert der Auslandsungarn mit dem der Auslandsdeutschen für die offizielle Politik Berlins, so fällt das Fazit für Deutschland beschämend aus.

Für den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán steht es außer Frage, daß er stolz ist ein Ungar zu sein. Geschmacklosigkeiten wie die Kommentare eines Herrn Trittin oder das Beklatschen des Verlusts eines Viertels des eigenen Staatsgebietes im Parlament sind in seinem Land undenkbar.

In der diesjährigen Neujahrsansprache verkündete der Regierungschef statt dessen, daß sein Volk die "schmerzliche Tatsache" akzeptieren müsse, "daß es in naher Zukunft keine Möglichkeit gibt, alle zur ungarischen Nation gehörenden Menschen in einem Staat zusammenzuführen". Außerdem nannte er als wichtigste politische Aufgabe für 2001 die Verabschiedung eines Gesetzes zugunsten der Auslandsungarn.

Diesem Ziel ist die Regierung Orbán inzwischen ein großes Stück näher gekommen. Zsolt Nemeth, Staatssekretär im Außenministerium, gab am 20. März bekannt, daß sich das Kabinett aus nationalliberaler Fidesz-Partei, den Kleinlandwirten (FKGP) und dem Ungarischen Demokratischen Forum (MDF) auf einen Gesetzentwurf über den künftigen Status ungarischer Volksangehöriger im Ausland geeinigt habe.

Was Nemeth der Presse zu diesem Entwurf bekanntgab, verdient es, international gehört zu werden, und ist für die Volksgruppenpolitik ähnlich bedeutsam wie das 1993 verabschiedete ungarische Minderheitengesetz.

Zunächst schätzte er den Personenkreis derjenigen, die sich unter Berufung auf die Neuregelung für die geplanten Förderungen aus Budapest im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich sowie im Verkehrswesen bewerben dürften, auf etwa 800 000 Auslandsungarn.

Als Vorbedingung für eine Inanspruchnahme der Hilfen ist in dem Entwurf die Verpflichtung festgeschrieben, das jeweilige Heimatgebiet nicht in Richtung Ungarn zu verlassen. Einer der konkreten Förderpunkte ist die Gewährung von jährlich 20 000 Forint (umgerechnet rund 130 Mark) für Familien mit mindestens zwei Kindern, sofern diese von ihren Eltern in ungarischsprachige Kindergärten oder Schulen geschickt werden.

Am meisten Freude dürfte ein solches beispielhaftes Gesetz bei den mehr als 1,6 Millionen Ungarn im rumänischen Siebenbürgen, den 600 000 Madjaren in der südlichen Slowakei sowie den über 300 000 in der serbischen Wojwodina hervorrufen. Man darf in ihrem Sinne hoffen, daß bis zu seiner Umsetzung nicht allzuviel Zeit ins Land geht.

 
     
     
 
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