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Mein Bauch gehört mir

 
     
 
Dicht gedrängt ziehen sie die Mall in Washington entlang: Hunderttausende Frauen auf dem Weg zu einer Großkundgebung in der US-Hauptstadt. Sie wollen eine möglichst liberale Abtreibungsgesetzgebung erkämpfen. Ziele ihres Protestmarsches sind der Kongreß und das Weiße Haus, den Präsidenten George Walker Bush haben sie zum Gegner erklärt. So ist die Auseinandersetzung um das höchste Regierungsamt in allen Fragen amerikanischer Politik in die heiße Phase übergegangen.

Unter prominente
r weiblicher Begleitung aus Hollywood und aus der Politik zogen Frauen, aber auch Männer lautstark gegen die Regierung Bush und deren neokonservative Politik zu Felde. Nach Polizeiangaben waren circa 800.000 Demonstranten unterwegs. Grund für die Proteste sind die Pläne des Präsidenten, das Abtreibungsrecht zu verschärfen und Abtreibungen aus der gesundheitlichen Aufklärungsarbeit staatlicher Institutionen zu verbannen. Auch droht angesichts der Besetzung des Obersten Gerichts mit vom Präsidenten ernannten Richtern die dortige Mehrheit für legale Abtreibungen verlorenzugehen.

In den USA ist seit einem Urteil dieses Verfassungsgerichts von 1973 ein Schwangerschaftsabbruch bis zum sechsten Monat legal. Das Gericht zwang damals die Bundesstaaten, entsprechende Gesetze zu ver-abschieden. Seitdem tobt ein erbitterter Krieg, mit Einschüchterungen, Gewalt und Fanatismus auf beiden Seiten. Radikale Abtreibungsgegner schießen auf Ärzte, die sich auf Abtreibungen spezialisiert haben.

In den USA gibt es rund 2.000 auf die Beendigung ungeborenen Lebens spezialisierte Kliniken. Ihre Zahl nimmt eher ab, eine flächendeckende Versorgung ist problematisch, da die Allgemeinen Krankenhäuser in der Regel keine derartigen Ein-griffe vornehmen. Ein Schwangerschaftsabbruch ist somit trotz eindeutiger Gesetzeslage letztlich auch aus medizinischer Sicht ein Risiko. Und dieses ist, so Kritiker, wegen der nach wie vor miserablen Umstände hoch. Jährlich würden 75.000 Frauen an den Folgen illegaler Abtreibungen sterben, behaupten einige der über 1.000 für die Organisation des Marsches verantwortlichen Gruppen.

Es war die größte Demonstration dieser Art seit 1992, und so fanden die Organisationen reichlich Gelegenheit, die eigene Medienmacht zu demonstrieren. Das ist wichtig, wenn man sich im Wahljahr in der Öffentlichkeit, aber auch vor dem Parlament und seinen Ausschüssen Gehör verschaffen will.

Ein direktes Aufeinandertreffen der verfeindeten Lager bei Demonstrationen ist in den USA keine Seltenheit. Auch diesmal hatten Abtreibungsgegner eine Gegenveran- staltung in unmittelbarer Nähe organisiert - die Straße gehörte den Befürwortern, die Bürgersteige waren zumindest teilweise von den zahlenmäßig unterlegenen Gegnern liberaler Abtreibungsgesetze belagert. Dennoch verlief diesmal die Demonstration friedlich.

Unter den Befürwortern des Rechts auf Abtreibung ist auch die Schauspielerin und Mitinitiatorin der Veranstaltung Whoopi Goldberg. Sie sagt: "Wenn die Regierung den Frauen die Möglichkeit von sicheren, legalen Abtreibungen nimmt, obwohl sie weiß, daß eine Frau, die eine Abtreibung braucht, vermutlich auch eine bekommt - dann ruft sie Frauen zum Selbstmord auf." Die American Civil Liberties Union (Amerikanische Union für bürgerliche Freiheiten) betont, staatliche Einmischung sei ein "unerhörter Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte". Die Gegendemonstranten verwiesen auf die vielen in den USA seit 1973 abgetriebenen Ungeborenen. Viele ihrer Transparente trugen die Aufschrift: "Abtreibung tötet."

In den USA ist seit geraumer Zeit ein wachsender Trend zum Neokonservatismus zu beobachten. Gerade im sogenannten Bibel-Gürtel, den Staaten des mittleren Westens, könnte das bisherige Meinungsklima, das eine freiere Handhabung des Schwangerschaftsabbruchs favorisiert, kippen. Nach derzeitigen

Umfragen sind 44 Prozent der Amerikaner strikt gegen die Legalisierung von Abtreibungen - Tendenz steigend. Bei einer Wahlniederlage Bushs würde deren Einfluß auf die Politik sicher schwinden. Abtreibung bleibt ein Thema, das polarisiert.

 

Protestbewegt: Anhänger großzügiger Abtreibungsgesetze demonstrieren in Washington.
 
     
     
 
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