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Merkwürdig angespannt

 
     
 
Im Berliner Schloß Charlottenburg werden bis zum 11. September kostbare Kleinodien des russischen Hofjuweliers Carl Fabergé (1841-1920) gezeigt, darunter 15 der weltberühmten Fabergé-Schmuckeier. Neun davon haben dem Zaren gehört. Nach der Revolution 1917 wurden die Schatzkammern geplündert, viele Preziosen ins Ausland verschleudert.

Im vergangenen Jahr erwarb Wiktor Wechselberg, ein russischer Öl-Oligarch und Gründer der Stiftung "The Link of Times" (Die Verbindung der Zeiten), die Fabergé-Kollektion der amerikanischen Milliardärsfamilie Forbes und brachte sie nach Rußland zurück. Dort wurde sie im Moskauer Kreml, in St. Petersburg
und in Jekaterinburg - der Stadt, in welcher die Zarenfamilie 1918 von den Kommunisten brutal ermordet wurde - ausgestellt. Berlin ist der erste Ausstellungsort im Ausland, Brüssel und London sollen folgen. Vor zehn oder noch vor fünf Jahren hätte diese Konstellation für ergriffene Kommentare gesorgt. Diesmal war die Stimmung bei der Pressekonferenz zur Eröffnung hingegen merkwürdig angespannt.

Denn zwei Tage zuvor hatte die Bundesregierung verlauten lassen, daß die Beutekunstverhandlungen mit Rußland festgefahren seien. Der Beschluß des russischen Parlaments, die deutschen Kunstgegenstände zu russischem Eigentum zu erklären, lasse auf Jahre hin keine Lösung zu, hieß es aus Berlin. Kulturstaatsministerin Christina Weiss nannte die Gespräche sogar "extrem frustrierend". Es war nun interessant zu sehen, wie die Prominenten auf dem Pressepodium diplomatisch über die Bande spielten.

Der Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Hartmut Dorgerloh, griff in seiner Eingangsrede den Satz von Wechselberg auf, die Fabergé-Eier berührten die Seele des russischen Volkes. Er knüpfte daran den Gedanken, daß die Herkunft eines Kunstwerks ein grundlegender Aspekt von ihm sei. In diesem Sinne hoffe er auf eine Rückführung der - nein, er sagte nicht "Beutekunst", sondern der "von der Roten Armee geretteten Kunstwerke". Weder der anwesende russische Botschafter Wladimir W. Kontenew noch Michail Schwydkoj - ehemaliger russischer Kulturminister und jetzt Chef der Föderalen Agentur Rußlands für Kultur und Filmkunst - verzogen eine Miene. Nach Dorgerloh sprach Wechselberg, der sich die gute Laune nicht verderben ließ. Es sei doch "kein Zufall", daß die Ausstellung zuerst nach Berlin gekommen sei. Kotonew lobte den Kulturaustausch zwischen beiden Ländern, sagte zur Beutekunst aber kein Wort. Etwas geheimnisvoll wirkte sein Hinweis, daß Berlin zwei russische Ehrenbürger habe: Nikolaj Bersarin, den ersten russischen Stadtkommandanten von 1945, und Gorbatschow, der die deutsche Einheit ermöglicht habe. So rückte er die historischen, politischen und juristischen Verhältnisse, wie er sie sah, wieder zurecht.

Noch doppeldeutiger erschien die Erklärung Michail Schwydkojs. Der Ex-Kulturminister war führend an den Beutekunstverhandlungen beteiligt gewesen. Er gilt als kompromißbereit und widersprach auch nicht Dorgerlohs Herkunftsprinzip. Schwydkoj sprach von den "vielfältigen Lernprozessen" in Rußland, auch die Fabergé-Ausstellung in Berlin sei Zeichen einer "positiven Dynamik". Zwar erwähnte er die Beutekunst nicht, aber wer wollte, konnte seine Ausführungen als Fingerzeig für ein Stiftungsmodell verstehen, unter dem die Kunstwerke, die rechtlich Deutschland gehören, "internationalisiert" werden sollen.

Doch das mindeste, was Rußland erwartet, ist wohl ein "Rückkauf". Botschafter Kotonew sprach in einer zweiten Wortmeldung von "Kompensation" und verwies auf ein gerade vereinbartes deutsch-russisches Tauschgeschäft über jeweils vier Gemälde. Schwydkoj wollte auf Nachfrage keinen Kommentar mehr abgeben. Die Lage sei "kompliziert". Vor dem 9. Mai, dem 60. Jahrestag des russischen Sieges, sei es unmöglich gewesen, überhaupt etwas zu tun. Die Übergabe der Bremer Kunstsammlung sei so in letzter Minute blockiert worden.

Die kaiserlichen Ostereier und Preziosen gleißen in einem abgedunkelten Raum hinter Vitrinenglas. Eine schönere Welt als die der Politik tut sich hier auf ....

Die Ausstellung läuft bis zum 11. September im Berliner Schloß Charlottenburg, Neuer Flügel.
 
     
     
 
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