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Mit Wodka bedankt

 
     
 
Dieser Transport der "Preußischen Genossenschaft des Johanniterordens" war wohl der mit der frühesten Vorbereitung, aber auch mit dem (fast) größten Ärger, wie sich noch zeigen wird.

Schon im Juni brachte Graf Eulenburg auf der Rückfahrt von einem Ostdeutschlandtransport größere Mengen Material mit einem Lkw hierher. Im August erschien dann Herr v. Pechmann mit einer weiteren Materiallieferung, die gleichfalls direkt im Lkw verstaut wurde.

Mitte September begannen die Helfer mit der Ordnung und empfängergerechten Zuordnung und Stapelung dieses Materials (Bekleidung, Schuhe, Wäsche, Haushalt). Danach Räumung des Lagers in der Scheune (Rollstühle, Gehhilfen, medizintechnisches
Gerät, leider nur wenig Medikamente, Hygieneartikel, Kosmetika, Spielzeug, Bekleidung, Haushaltsgeräte, Büroartikel, Haushaltswäsche, Kosmetika, vier Fernseher, diverse Möbel, Büromaterial, Spiele, Kinderbücher, Kuscheltiere, Schaukelpferde, Dreiräder, Inlinescater). Nach drei Tagen war der Laster zu 95 Prozent beladen. Der Ehninger Bauhof brachte dann noch 13 Fahrräder, die bei der letzten Fundsachenversteigerung keine Abnehmer gefunden hatten, sich aber in ordentlichem Zustand befanden und auf dem Pkw-Anhänger auch Platz fanden, und die unermüdliche "JHG Karlsruhe" brachte dann doch noch Medikamente.

Danach konnte auch der Papierkrieg in Angriff genommen werden, denn obwohl die Grenzkontrollen wegfallen, seitdem Polen in der EU ist, werden vorsichtshalber Ladepapiere, Desinfektionsbescheinigung und so weiter mitgenommen. Man weiß nicht, ob und wann und warum die polnische Polizei kontrolliert. Die Beifahrerfrage ließ sich zunächst etwas schwierig an, konnte dann aber doch rechtzeitig und zufriedenstellend gelöst werden, denn der Oberschlesier Georg Reschka war rechtzeitig aus seiner Kur zurück und gern bereit, zum 14. Mal mitzufahren.

Gestartet wird pünktlich gegen 18 Uhr. Um vier Uhr in aller Früh nach zehn Stunden Fahrt und 735 Kilometern wird die deutsch-polnische Grenze erreicht.

An der Grenze - jedenfalls um diese Zeit - ist überhaupt kein Betrieb, lediglich ein Laster war vor dem Hilfstransport. Dafür hat sich aber Nebel breitgemacht. 45 Kilometer vor Posen geht es auf die Autobahn und nach etwa 35 Kilometern kommt die Mautstelle, die 41 Zloty abknöpfte, das sind 29 Cent pro Kilometer.

Bis dahin ist alles störungsfrei verlaufen, aber jetzt fängt es an. Der Lkw verpaßt die Straße nach Gnesen. Es kommt noch ein Stau dazu. Nach einer Dreiviertelstunde kommt die Ursache des Staus ans Tageslicht: Auffahrunfall, das betroffene Fahrzeug ähnelt einer Ziehharmonika.

Gegen Mittag läßt der Nebel etwas nach. Als Ersatz gerät der Transport in die Kontrolle der Verkehrsüberwachung, die alles wissen und sehen will, alle Papiere wie Ladeliste, Geschenkurkunde, Pässe, Führerscheine. Man bemängelt das Fehlen der "Erlaubnis für Straße" und unseren Tachographen, der sei nicht lizenziert, aber mit der Aussage, daß Tachographen für 7,5-Tonner in Deutschland nicht vorgeschrieben seien, (was nicht zutrifft) war man zufrieden. Dann ist Pause, vermutlich wollen sich die Inspektoren Anweisung von ihrem Chef holen. Und so war es auch. Das Auto müsse beschlagnahmt werden wegen des Fehlens der Straßen-Benutzungs-Erlaubnis, die Waren dürfte man aber mitnehmen! Die Alternative: 3000 Zloty (770 Euro) Strafe.

Auch Reschkas polnische Sprachkenntnisse halfen nicht weiter, und daß Hilfstransporte von dieser Straßengebühr befreit sind, glauben sie nicht. Reschka telefoniert mit dem Chef der Behörde, alles ohne Erfolg.

Schließlich geleitet man den Transporter auf einen geschlossenen Parkplatz, und dort soll gewartet werden. Doch das wird nicht akzeptiert und so zahlen die deutschen Helfer die 3000 Zloty (mit knirschenden Zähnen) und erhalten dafür ihre Papiere und eine Quittung, zahlen weitere 61 Zloty, um aus dem Verschluß wieder herauszukommen, und haben dabei knapp vier Stunden für all diesen Unsinn verloren.

Immerhin sagt man ihnen zum Abschied, daß sie das Geld zurückbekommen könnten, wenn sie innerhalb von 14 Tagen nachweisen, daß sie von Gebühren befreit seien und einen Antrag auf Rückgabe stellen würden. Das werden sie mit Sicherheit tun (nicht ahnend, was das für eine Gugelfuhr werden wird). So treffen sie mit entsprechender Verspätung in Rastenburg ein. Pfarrer Hause wird telefonisch verständigt. Im Pfarrhaus war kein Platz, und so quartieren sich die Helfer in einer nahegelegenen, sehr netten Pension für 140 Zloty (36,85 Euro), inklusive Frühstück, ein. Erst am nächsten Tag laden sie die drei Fernsehgeräte für das Altersheim ab, trinken noch den obligatorischen Kaffee, hören, daß Pfarrer Hause dringend Geld für die Renovierung der Vikarwohnung braucht und sich ein Fax-Gerät wünscht. Für Ersteres lassen sie 200 Euro dort, ein Fax-Gerät sollte sich auftreiben lassen, durch wen auch immer.

Um 10 Uhr geht es weiter nach Suwalki. Wenigstens hat der Regen aufgehört, dafür gibt es alle zwei bis drei Kilometer eine Baustelle. Hier werden vermutlich EU-Gelder verbaut.

In Suwalki wird dann reichlich Material in Penczeks Garage verstaut, zusätzlich die Möbel, die er geordert hatte. Und es bleibt ausreichend Kontaktzeit, ganz abgesehen von Kaffee und Kuchen. Reschka hatte unterwegs einen Putenschinken erworben, den er zum Abendessen beisteuert, Penczek liefert den Wodka dazu, Gesprächsstoff gibt es genügend. Wie im Frühjahr zugesagt, wurden 4500 Euro für die Renovierung des alten Pfarrhauses überreicht. Bis zum Spätsommer 2007 muß damit begonnen und die Finanzierung gesichert sein. Es wurde noch ein ausgesprochen angeregter, gemütlich-fröhlicher Abend. Nur beim Thema Kaczynski-Brüder entzogen sich die Gastgeber mit entsetztem Abwinken jeder weiteren Diskussion.

Am folgenden Sonntag wird der Aufbruch vertrödelt, die schnelle Tour über Augustow, Grajewo, Johannisburg und Ortelsburg nach Neidenburg verpaßt, und - aus welchen Gründen auch immer - landen die beiden Helfer in Rozogi und nicht in Ortelsburg, und der Umweg über Wielbark kostet weitere 30 Kilometer zusätzlich. Es hat einfach nicht sollen sein, und als sie endlich in Neidenburg eintreffen, ist die Einweihungsfeier des Otello-Platzes schon gelaufen. Die Gemeindemitglieder haben eine Bruchsteinmauer errichtet, in die die Gedenktafel für Pfarrer Otello eingelassen ist. Der Landrat habe die Einweihung persönlich vorgenommen, wie denn auch die Spitzen von Kommune und Kirche vertreten waren. Ob noch Verschönerungen des Platzes geplant sind, konnten sie nicht erfahren, Blumenbeete wären aber sehr angebracht.

Nach zwei Stunden hat sich das im Pfarrhaus versammelte Festpublikum verlaufen und die Angereisten können mit dem Entladen beginnen. Der Keller des Pfarrhauses ist danach recht gut gefüllt, der Hänger kann abgetakelt werden. Noch an diesem Abend wird weiter nach Soldau gefahren.

Natürlich nimmt der dort geplante Kirchenbau eine bevorzugte Stellung ein. Der Bauplan mußte aber völlig verändert werden, denn die Stadt benötigt doch etwas mehr Gelände, und damit paßt die achteckige Kirche nicht mehr. Außerdem hat das Denkmalsamt den Entwurf nicht gebilligt, eine Begrenzung auf 49 Sitzplätze und weitere Auflagen wurden gefordert. So mußte umgeplant werden, was mit Hilfe eines befreundeten Architekten zu erschwinglichen Kosten möglich war.

Nunmehr ist das Gebäude schlank geworden mit einer Taille zwischen Chor und Kirchenschiff, festen Bänken für die geforderten 49 Plätze, aber Reserveraum für (schon vorhandene) Stühle, kleiner Sakristei, Stuhllager, Treppe zum Turm. Eine Glocke gibt es auch schon.

Der Rohbau ist durch den Geländeverkauf an die Stadt gesichert, für den Innenausbau fehlen aber zirka 15000 bis 18000 Euro. Sowohl der polnische Landesbischof Jagucki in Warschau, als auch Bischof Bazanowski unterstützen diesen Kirchenbau nach Kräften, und so könnten auch Mittel vom Gustav-Adolf-Werk kommen. Wir hoffen es.

Da vom letzten Transport das Projekt und die Kosten schon bekannt waren, brachten die Deutschen eine erste Rate von 4500 Euro mit. Im nächsten Frühjahr soll mit dem Bau begonnen werden, und bis dahin sollen weitere Spenden eingeworben werden. Außerdem wird versucht, die Alt-Soldauer (über die Kreisgemeinschaft Neidenburg) zu aktivieren.

Der Montag beginnt mit der Entladung des Lkw. Alles muß raus, bis auf das Material für das Krankenhaus (Kurzwellen-Bestrahlungs-Geräte, Elektrostimulationsgeräte für die Neurologie) die direkt dorthin gebracht werden sollen.

Die neue Direktorin ist gerade in einer Besprechung, und so können die Helfer sie leider nicht erreichen.

Der Heimweg über Thorn, Bromberg, Schneidemühl, Landsberg und Küstrin beginnt bei strahlend blauem Himmel, wie überhaupt das Wetter, von Ausnahmen abgesehen, günstig gesinnt ist.

Der deutsche Zöllner bemängelt den Anhänger, denn durch ihn läge das insgesamt zulässige Gewicht über 7,5 Tonnen. Aber er ist zufrieden, als ihm mitgeteilt wird, man hätte den Hänger ja auch im Lkw verstauen können (was aber gar nicht möglich ist, der Hänger ist etwas zu breit). Jedenfalls werden sie durchgelassen. Dem polnischen Kollegen war es ohnehin egal.

Inzwischen wurden wegen der Rückforderung der 3000 Zloty zwei Tage ellenlange Telefonate geführt - mit der deutschen Botschaft in Warschau, mit dem polnischen Verkehrsministerium und der polnischen Botschaft in Berlin. Letztere war hilfreich, denn im Büro des Handelsrates dieser Botschaft arbeitet noch Herr Kostecki, der noch von Transporten vor der sogenannten Wende (damals wurden alle Transporte diversen Dienststellen und Behörden gemeldet) bekannt war und der daher auch von der Tätigkeit der Johanniter in Masuren weiß.

Ihm wurden alle Unterlagen per Fax geschickt, und er kümmert sich um alles - einen besseren Draht zu polnischen Dienststellen kann man nicht haben. Wie es sich weiter entwickeln wird, muß nun erst einmal abgewartet werden.

Wie geht es weiter? Das Lager ist komplett geräumt. Die Winterpause muß für den Nachschub und für Sponsoren der zu bauenden Kirche in Soldau genutzt werden.

Für den Frühjahrstransport wird ein anderer Beifahrer gesucht, denn Reschka ist über die 3000-Zloty-Affäre so sauer, daß er meinte, dies sei sein letzter Transport gewesen.

Foto: Abenteuer: Während Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze nur noch minimal sind, warten dafür in der Republik Polen Kontr
 
     
     
 
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