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Mit viel Geist und Herz Ausstellung in München: umfassender Querschnitt durch das Werk von Lovis Corinth

 
     
 
Jetzt ist wieder die Zeit da, daß ein Teil der Menschheit sich rüstet, Bilder und Skulpturen in Räumen aufzuspeichern, auf daß sie von dem andern Teil der Menschheit gesehen, bewundert und erworben werden können. Man nennt im allgemeinen diese beiden Parteien: Künstler und Publikum, den Ort, wo die Schätze aufgestapelt und gegen ein Eintrittsgeld zu sehen sind, eine Kunstausstellung." Mit diesen humorigen Worten leitete kein Geringerer als Lovis Corinth (1858–1925), Maler aus dem ostdeutschen Tapiau und anerkannter Meister seiner Kunst, einen Beitrag für die Berliner Zeitschrift "Tag" unter dem Titel "Etwas über Kunst, Kunstausstellung und Kunstgefühl" ein. Corinth weiter: "Der Kritiker tunkt die Feder ein, und das Publikum putzt seine Brille
. Du liebes, gehöhntes Publikum, um dessen Gunst doch alles geschieht, und um dessen Liebe der Künstler buhlt wie ein Mann um das Weib! Wie wirst du überfüttert mit den verschiedensten Gerichten! Gott hat dir aber einen gesunden Magen gegeben: es greift dich nichts an. Weshalb sollte es auch? Sind doch all diese sogenannten Kunstwerke meerschtendeels mit der rechten Hand gemalt, mit viel Geist und hin und wieder auch mit dem Herzen.

Selten ist ein wahreres Wort gesprochen worden als dieses von Christus", schreibt Corinth weiter. "So ihr nicht werdet wie die Kinder, ist euer nicht das Himmelreich. Durch kindliche Einfalt, die sich darin offenbart, wird eine Schöpfung zum Kunstwerk, und durch dieselbe Einfalt dessen Betrachtung zum Kunstgenuß. …"

Ob diese Einstellung des Meisters aus Tapiau zu Kunst und Kunstausstellungen auch heute noch zutrifft, davon kann man sich im Münchner Haus der Kunst, Prinzregentenstraße, selbst ein Bild machen. Dort wird nämlich vom 4. Mai bis zum 21. Juli eine Ausstellung mit Werken von Lovis Corinth gezeigt (vom 1. August bis 13. Oktober ist sie dann in der Berliner Nationalgalerie im Alten Museum, später im Saint Louis Art Museum und abschließend in der Tate Gallery in London zu sehen).

München und Berlin waren zwei wesentliche Stationen auch im Leben des Ostdeutschland. Im Sommer 1880 ging Corinth zum ersten Mal nach München, um dort zu studieren. Er erinnerte sich: "Wer war froher als ich, in eine neue Welt zu kommen, und gerade nach der Akademie von München, welche in Deutschland am berühmtesten war … Ich suchte in München Defregger auf. Am Englischen Garten hatte er ein sehr schönes und freundliches Anwesen. Defregger nahm mich liebenswürdig auf und sein Rat war ein vortrefflicher. Da ich noch nicht genügende malerische Qualitäten besaß, wollte er mich in die beste Malschule nach einiger Zeit einbringen. Alsdann konnte ich später arbeiten, bei wem ich wollte. Es war damals … die Mode, daß man den Studienlauf auf diese bekannte Art innehalten mußte. Einstweilen sollte ich bei ihm in der Glückstraße, wo er einige Schüler hatte, Studienköpfe malen bis auf weiteres … Im Oktober 1880 trat ich in die Malschule bei Loeffz ein. Loeffz hatte zwei große vollbesetzte Ateliers. Ich bekam sehr schwer noch einen ganz kleinen Platz … Wenn auch hin und wieder dem Vergnügen nachgegangen wurde, so wurde doch meistens sehr ernst gearbeitet. Gerade unsere Schule war durch die Strenge des Lehrers berühmt …"

Reisen und Studienaufenthalte führen Lovis Corinth später nach Antwerpen und Paris, bis er sich 1891 in München niederläßt. Dort lebt und arbeitet er bis 1901. In diesem Jahr schließlich geht er nach Berlin, wo er in der Klopstockstraße ein Atelier bezieht und eine Malschule eröffnet.

Schon Jahre zuvor (1887/88) hatte sich Corinth in Berlin aufgehalten. Von Paris letztendlich enttäuscht, war der Ostpreuße nach Deutschland zurückgekehrt. Er erinnerte sich später: "Ich fuhr nach Königsberg zu meinem Vater. Ich malte ihn und stellte dieses Bildnis in der Berliner Kunstausstellung, welche nach dem Lehrter Bahnhof verlegt war, aus. Der Erfolg fiel nur mäßig aus, in den Kritiken wurde ich arg vermöbelt. Es reizte mich aber, einen Versuch mit Berlin zu machen. Trotzdem ich zwei Seelen in der Brust hatte, von denen mich die intensivere nach München zog, wollte ich es doch in Berlin wagen.

Zu jener Zeit", so Corinth weiter, "stand Berlin in der höchsten Blüte. Die Bevölkerung war im Aufblühen begriffen, ein großes Interesse für Kunst war zuerst in der Entwicklung. Reichgewordene Finanziers waren vielfach vorzufinden, die tatsächlich etwas für die Kunst tun wollten. Malschulen waren für strebsame tüchtige Maler, die in der Tat etwas konnten, leicht zu gründen. Deshalb zogen viele junge Künstler von München nach Berlin herüber … Aber zu der Zeit, als ich daselbst auftrat, war ich ein verschüchterter junger Mensch, der nebst einem aufgestapelten Ehrgeiz, etwas lernen zu wollen, wohl in keiner Beziehung Mut und Entschlossenheit besaß, in abenteuerlicher Art etwas zu riskieren. Mein Vater war vollständig derselben Meinung, und deshalb zog es mich auch wieder nach München, wo ich besser auf meine Art zu leben hoffte. …

Mein Verkehr in Berlin war interessanter Art", notierte Corinth in seinen Lebenserinnerungen, die 1926, ein Jahr nach seinem Tod, von seiner Frau Charlotte Berend-Corinth herausgegeben wurden. "Ich suchte mit den jüngsten Berühmtheiten wie Stauffer-Bern und auch Klinger zu verkehren. Ich besuchte Stauffer-Bern in seinem Atelier in der Klopstockstraße. Dieses Atelier imponierte mir als Raum gewaltig. Ein merkwürdiges Schicksal, daß ich späterhin dieses Atelier die größte Zeit meines Berliner Aufenthaltes bewohnen sollte, wo ich meine besten Arbeiten geschaffen habe."

Von Berlin aus aber zog es Corinth seit 1919 immer wieder einmal nach Bayern, genauer gesagt nach Urfeld an den Walchensee. Corinth: "Es war im Sommer des Jahres 1918, als meine Frau und meine Familie zufällig nach dem Walchensee gegangen waren. Meine Frau, welche begeistert von allen Plätzen an diesem Ort war, wollte mich überreden, hier einen Sommersitz zu bauen. Ich war dem entgegen; ich sah einem Zerwürfnis mit Bayern mit Sicherheit entgegen. Das Faktum ist, daß wir heute noch immer dorthin gehen und ein kleines Haus daselbst besitzen. Leider muß ich gestehen, daß ich dieses Jahr fast nichts gemalt habe als den See …" – Kunstfreunde allerdings sind damals wie heute einhellig der Meinung, daß diese Walchenseebilder zu den schönsten gehören, die der Ostpreuße Lovis Corinth geschaffen hat. Diese und viele andere (rund 150 Gemälde, 60 Handzeichnungen und Aquarelle sowie einige der wichtigsten druckgraphischen Arbeiten) werden denn auch auf der Ausstellung in München und in Berlin zu sehen sein. Peter van Lohuizen

 
     
     
 
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