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Perspektiven der deutsch-polnischen Nachbarschaft

 
     
 
Das Gutshaus Külz in Hinterpommern ist ein klassizistischer Bau aus dem frühen 18. Jahrhundert. Es liegt eingebettet in eine idyllische Landschaft zwischen den Städten Stettin und Köslin, umgeben von einem alten Park und vier sternförmig auf das Gebäude zuführenden Alleen. Hier ist seit Mitte der 90er Jahre die Europäische Akademie Külz untergebracht, die der Begegnung und dem Austausch zwischen Deutschen und Polen dienen soll. In diesem modernen Tagung
szentrum trafen am letzten Aprilwochenende Vertreter der pommerschen Heimatkreise mit Repräsentanten der polnischen Gebietskörperschaften aus der Region zusammen. Veranstaltet wurde die Tagung vom Pommerschen Kreis- und Städtetag (PKST), dem Zusammenschluß der hinterpommerschen Heimatkreise, des Heimatkreises Stettin und der drei geteilten vorpommerschen Kreise.

Er berichtete über die Entstehung, die Zielsetzung und die Wirkung der 16 Partnerschaften, die seit dem Beginn der grenzüberschreitenden Arbeit der Heimatkreisgemeinschaften zu Beginn der 90er Jahre begründet werden konnten. Die Zwischenbilanz dieser kommunalen Außenpolitik der ostdeutschen Heimatvertriebenen kann sich sehen lassen: Eine enge Zusammenarbeit auf kulturellem und humanitärem Gebiet, die Akzeptanz der ostdeutschen Heimatkreisgemeinschaften seitens der Polen als ideelle Gebietskörperschaften sowie die Aufwertung der Deutschen Vereine in den Heimatkreisen sind unter anderem als Ergebnisse der partnerschaftlichen Verbindungen zu nennen. Beziehungen zwischen den Heimatkreisgemeinschaften und den polnischen Gebietskörperschaften können als Beiträge zum Zusammenwachsen Europas auf kommunaler Ebene betrachtet werden. Der "Wandel durch Dialog" ruft einen Geist des Vertrauens zwischen beiden Seiten und ein tieferes gegenseitiges Verständnis hervor, zum Wohle der gemeinsamen Heimat und ihrer Bewohner. Er ermöglicht auch die offene Diskussion über die gemeinsame Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Das große Interesse der pommerschen Kreisvertreter und der polnischen Landräte, Bürgermeister und Stadträte an kommunalen Partnerschaften zeigte sich im Verlauf der anschließenden Diskussion. Einige der Teilnehmer bekundeten spontan den Wunsch, die vorhandene enge Zusammenarbeit mit der jeweils anderen Seite durch einen Partnerschaftsvertrag noch weiter zu vertiefen. Auch die Anknüpfung neuer Kontakte konnte beobachtet werden. Einig war man sich darin, daß der Jugend eine besondere Bedeutung für die Fortsetzung der bestehenden Partnerschaften und Kontakte zukomme.

In den letzten Jahren hat das polnische Interesse an der Erhaltung der deutschen Kulturdenkmäler in Hinterpommern deutlich zugenommen. Bemerkenswert war in diesem Zusammenhang ein Beitrag der Architektin Anita Wszolkowska, die als Denkmalpflegerin beim Woi-wodschaftsamt in Stettin tätig ist. Sie berichtete über die Bemühungen der Denkmalschützer in den Jahren nach 1990, eine Bestandsaufnahme der deutschen Friedhöfe in Hinterpommern vorzunehmen. Die polnische Denkmalschutzbehörde ist heute sehr darum bemüht, die alten deutschen Grabsteine auf stillgelegten Friedhöfen aufzustellen. Die so entstehenden Gedenkstätten werden mit zweisprachigen Informationstafeln versehen. Alle in die Liste der denkmalgeschützten Objekte aufgenommenen deutschen Friedhöfe unterstehen der Obhut des polnischen Staates. Der intensive Einsatz für den Erhalt der deutschen Kulturgüter bezeichnet eine Umkehr in der polnischen Haltung gegenüber den Zeugnissen deutscher Vergangenheit in Hinterpommern. Eine neue polnische Generation hat damit begonnen, die Vergangenheit aufzuarbeiten und ist sehr bemüht, die deutschen Denkmäler nach Möglichkeit zu erhalten und zu pflegen.

Der stellvertretende Leiter des Stettiner Staatsarchivs, Witold Mijal, sprach über Archivarbeit als Möglichkeit der deutsch-polnischen Verständigung. Dem Motiv der Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen in der Literatur war ein Beitrag des Danziger Professors Jerzy Samp gewidmet.

Dr. Janusc Ruszkowski, Professor an der Universität Stettin, beschäftigte sich in einem Beitrag mit Polen am Vorabend des EU-Beitritts. Auf der staatlichen Ebene ist der Entwurf der neuen EU-Verfassung in Polen in die Kritik geraten. Der Verzicht auf die Anrufung Gottes in der Präambel wird vehement beanstandet. Auch das Prinzip der "doppelten Mehrheit" und die geplante Reduzierung der EU-Kommissare von 25 auf 15 stoßen in Polen auf Widerstand. Die polnischen Landwirte empfinden die beabsichtigte Streichung der EU-Prämien für die Landwirtschaft als ungerecht. Polen hofft auf großzügige Aufbauhilfen der Europäischen Union, befürchtet aber, in den ersten Jahren nach dem Beitritt mehr Geld an Brüssel zahlen zu müssen, als es an Unterstützung aus den europäischen Strukturfonds bekommt. Auf der persönlichen Ebene ändert sich für die Polen nach dem 1. Mai 2004 nicht viel. Die deutsch-polnische Grenze wird für die Bewohner der beiden Nachbarstaaten durchlässiger, die Zölle entfallen mit der Einführung des Binnenmarktes. Gleichwohl bilden Oder und Neiße auch weiterhin eine "Schengen-Außengrenze" und eine Grenze der Eurozone. Die Grenzkontrollen an den polnischen Ostgrenzen werden sich dagegen massiv verstärken. Die Vereinbarung, daß sich der europäische Arbeitsmarkt mit Ausnahme von Großbritannien und Irland erst in sieben Jahren für polnische Staatsbürger öffnen wird, ist im Nachbarland mit großer Enttäuschung aufgenommen worden. Auf Skepsis stößt auch die Tatsache, daß künftig Ausländer in Polen kommunale Ämter übernehmen dürfen. Professor Ruszkowski forderte von seinen Landsleuten eine mentale Veränderung. Er zeigte sich zuversichtlich, daß die jüngere Generation in seinem Land gute Europäer hervorbringen werde.

Die Tagung in Külz kann im Sinne des Grußwortes des polnischen Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski für den Zweiten Kommunalpolitischen Kongreß der Freundeskreis Ostdeutschland 2001 in Elbing als weiterer Schritt des gegenseitigen Verständnisses und der Annäherung zwischen Deutschen und Polen betrachtet werden. Auch in Pommern wird seit einiger Zeit auf kommunaler Ebene ein gewichtiger Beitrag zum Bau des "Hauses Europa" geleistet. Die Tagung hat deutlich gemacht, daß sich der Pommersche Kreis- und Städtetag und die Heimatkreisgemeinschaften in der Pommerschen Freundeskreis dem kommunalpolitischen Weg der Freundeskreis Ostdeutschland angeschlossen haben.

 
     
     
 
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