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Plattmacher am Werk

 
     
 
Seit dem 29. Juni sind sie öffentlich: die Pläne Klaus Naumanns zur Umkrempelung de ostdeutschen Kulturförderung nach §96 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetze (BVFG). Monatelang hatte die Gerüchteküche gebrodelt. Mal wurde diesem, mal jene Institut die Schließung vorhergesagt. In Vertriebenenkreisen kursierten schlimmst Befürchtungen, zumal sich der Kulturbeauftragte ihnen gegenüber – anders als etw Innenminister Schily – von Beginn an zugeknöpft gezeigt hatte.

Heute ist klar, daß die Ängste berechtigt waren. Die Pläne aus dem Hause Nauman kommen einem Kahlschlag gleich. Ein Beispiel dafür, wie die über Jahrzehnte gewachsene Strukturen zurechtgestutzt werden sollen, ist Schlesien.

Der Bedeutung dieses großen, an Kulturschätzen so reichen Landes mit seinen eins über 4,5 Millionen deutschen Bewohnern wird in dem 15seitigen Papier nur in eine Beziehung Rechnung getragen: Bei der Unterteilung der Fördergebiete in dre "Regionen" bildet Schlesien eine eigene Region, während in den beiden andere Regionen zum Teil unterschiedlichste Kulturlandschaften in einen Topf geworfen werden Unter das sogenannte "Nordosteuropa" fallen Pommern, Ost- und Westpreußen, da Baltikum sowie Teile der GUS-Staaten, während sich die Sudetendeutschen mit de Donauschwaben, den Siebenbürger Sachsen
, Karpatendeutschen und Buchenland- (Bukowina- Deutschen in einer Gruppe wiederfinden.

Zu dieser hanebüchenen Unterteilung paßt die geplante Überführung de "Siebenbürgischen Museums" in Gundelsheim in das "Donauschwäbisch Zentralmuseum" in Ulm ebenso wie die Fusion des sudetendeutsche "Adalbert-Stifter-Vereins" mit dem auf Ungarn und Rumänien ausgerichtete "Südostdeutschen Kulturwerk".

Immerhin sollen diese Einrichtungen in veränderter Form fortbestehen. Für die Stiftung Kulturwerk Schlesien (Würzburg) sowie das Nordostdeutsche Kulturwerk (Lüneburg ist dagegen die Übernahme ihrer jeweiligen Aufgaben durch die entsprechende Landesmuseen, das Bundesinstitut für ostdeutsche Kultur und Geschichte in Oldenburg ode durch eine neu zu schaffende "Zentrale Kultureinrichtung" ins Auge gefaßt.

Des weiteren soll das 1983 in Ratingen bei Düsseldorf eröffnete Oberschlesisch Landesmuseum nach nicht einmal zwanzig Jahren seine Pforten schließen und in da Schlesische Museum in Görlitz überführt werden (dessen Gesamt-eröffnung ist für 200 geplant). So begrüßenswert der größtmögliche Ausbau der Bestände in der Neißestad auch erscheint, so unverständlich ist es, warum daneben nicht Platz für ein eigene oberschlesisches Museum sein soll. In diesem Zusammenhang sei an die Hunderttausende vo Aussiedlern aus Oberschlesien erinnert, von denen ein großer Teil im Ruhrgebiet ein neue Zuhause gefunden hat.

Außerdem wollen die rot-grünen Bürokraten die institutionelle Förderung de "Schlesischen Schaufensters" im "Haus Schlesien" in Königswinte einstellen. Dabei handelt es sich um ein kleineres Veranstaltungszentrum, in dem de Öffentlichkeit wechselnde Ausstellungen, Seminare, literarische und musikalisch Veranstaltungen geboten werden.

Diese Kürzung hängt mit dem Vorhaben zusammen, die ostdeutsche Breitenkulturarbeit a die fortbestehenden bzw. fusionierten großen Museen anzubinden und unter die Fittiche de besagten "Zentralen Kultureinrichtung" zu nehmen. Von einer solche Kulturverwaltung versprechen sich die Initiatoren u. a. eine bessere Abstimmung der zu Zeit dezentral organisierten Aktivitäten. Vor allem dürfte es aber darum gehen, diese in Sinne einer Neudefinition der Kulturförderung nach §96 genauer steuern zu können.

Wohin politisch die Reise geht, wird aus einer Passage in der Einleitung des Konzept deutlich: Seit der Wende von 1989 "ist klar, daß die Förderung der Kulturgeschicht im Osten und Südosten Europas eingebettet in die vielfältigen Möglichkeiten de auswärtigen Kulturpolitik und ein Teil des allgemeinen Kulturaustausches mit de östlichen Nachbarn sein muß".

Diese Aufgabenstellung deckt sich überhaupt nicht mit der eigentlichen Zielrichtun des § 96 BVFG. Hier geht es nicht um den kulturellen Austausch zwischen Deutschland un seinen östlichen Nachbarstaaten, sondern um die Pflege und Erhaltung der spezifisc deutschen Kultur aus und in den Vertreibungsgebieten.

Aufschlußreich ist die geographische Begriffswahl. Von "Mitteleuropa" ode "östlichem Mitteleuropa" bzw. "Ostmitteleuropa" ist in de Naumannschen Konzept an keiner Stelle die Rede. Statt dessen werden die alten deutsche Ostgebiete und die Siedlungsräume von Deutschen in Polen, im Baltikum, in Böhmen Ungarn, Siebenbürgen u. a. entweder dem "östlichen Europa" zugeordnet oder ga als "Nordost-" oder "Südosteuropa" bezeichnet. Die starke Prägun all dieser Landstriche durch die deutsche Kultur und das gemeinsame Selbstverständnis als "Mitteleuropa" sollen sprachlich offenbar aus dem Bewußtsein getilgt werden.

Den bestehenden Museen und Forschungsvorhaben zu Schlesien, Pommern usw. wir vorgeworfen, sie seien "selbstreferentiell". Aus Altersgründen könne die Erlebnisgeneration "zunehmend nicht mehr die wesentlichen Träger des allgemeine gewordenen Kulturaustausches" stellen. In Zukunft wolle man daher die großen Musee und die Zentrale Kultureinrichtung mit der bisher vor allem freundschaftlich getragene kulturellen Breitenarbeit betrauen. Folgerichtig stehen die Kulturstiftung der deutsche Vertriebenen sowie die Stiftung Ostdeutscher Kulturrat auf der Streichliste ganz oben.

Daß viele Vertriebene Jahrzehnte brauchten, um mit dem Heimatverlust halbweg fertigzuwerden, und daß es an Ausstrahlung auf die bundesdeutsche Gesamtbevölkerun mangelte, dürfte unstrittig sein. Seit Ende der 80er Jahre haben viele Vertriebene un ihre Nachkommen jedoch bewiesen, wie wichtig sie für eine zukunftsgerichtete Pfleg ostdeutscher Kultur sowie den Ausbau der Beziehungen zu Polen, Tschechen, Ungarn un Rumänen sind.

Die Hauptverantwortung für das geschwundene gesamtdeutsche Kulturbewußtsein trage die seit Ende der 60er Jahre amtierenden Bonner Regierungen – rot-grüne ebenso wi schwarze. Das Naumann-Papier mit seiner geplanten Auflösung des spezifisch Ostdeutsche im "allgemeinen Kulturaustausch" steht am Ende einer schrittweisen Verarmung.

Kontakt: Haus Schlesien, Dollendorfer Str. 412, 5363 Königswinter-Heisterbacherrott Tel.: 02244/80440; Oberschlesisches Landesmuseum, Bahnhofstr. 71, 4088 Ratingen-Hösel Tel.: 02102/965-0; Stiftung Kulturwerk Schlesien, Kardinal-Döpfner-Platz 1, 9707 Würzburg, Tel.: 0931/5369
 
     
     
 
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