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Reibach an der Schnittstelle

 
     
 
Fast hatte man sich schon Sorgen gemacht um Peter Strieder, den umtriebigen "Mister Zukunft", Ex-Stadtentwicklungssenator und Ex-SPD-Chef von Berlin. Wegen seiner Verstrickung in die millionenschwere Tempodrom-Affäre hatte er vor drei Monaten alle seine Ämter verloren. Über seine berufliche Zukunft hüllte er sich in Schweigen.

Seit vergangener Woche ist bekannt: Peter Strieder muß auch künftig nicht darben. Seit dem 1. August ist er Partner bei der ECC (European
Communications Consultants Holding GmbH, zu deutsch "Europäische Kommunikationsberater") mit Hauptsitz in Düsseldorf. Es handelt sich um die größte deutsche Kommunikationsagentur. Strieder wird von Berlin aus den Bereich "Öffentliche Angelegenheiten" leiten.

Die ECC hat bundesweit über 300 Mitarbeiter, 50 davon arbeiten in der 1999 eröffneten Berliner Filiale am Hausvogteiplatz. Zu den Klienten gehörten unter anderem Bertelsmann Online, Coca Cola, Virgin Express und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft.

In der Berliner Landespolitik ist die ECC bisher nicht aktiv gewesen. Er habe sich bewußt dafür entschieden, Kunden bei der strategischen Neuausrichtung zu beraten und inhaltlich zu begleiten, sagte Strieder der Nachrichtenagentur ddp. Er wird sich um Gemeinschaftsprojekte staatlicher und privater Investoren kümmern und private Investoren für öffentliche Bauvorhaben oder Aufgaben suchen.

Das bedeutet: Strieder webt weiterhin mit am Netzwerk zwischen Politik, Wirtschaft, Medien, nur eben von einer anderen Position aus. Sein Metier ist der Lobbyismus. Für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und für politische Entscheidungen sind solche Netzwerke inzwischen vielleicht schon wichtiger als das Parlament.

Strieder kennt die Berliner Landespolitik wie seine We-stentasche, und ein Investor, der mit dem Ex-Senator bekannt ist, hat einen kurzen Draht zu allen Berliner Behörden. Schon seit zwei Jahren soll er sich nach einem gut bezahlten Vorstandsjob in der staatlichen oder privaten Wirtschaft umgetan haben, nachdem Klaus Wowereit ihm den ersehnten Bürgermeisterposten vor der Nase weggeschnappt hatte. Aber weder in der Immobilienbranche, noch bei Banken noch bei der Deutschen Bahn wollte man auf seine guten Dienste und Drähte zurückgreifen.

In so einem Fall ist es nützlich, Parteifreunde zu haben, die sich in der privaten Wirtschaft bereits auskennen. Bei der ECC trifft Strieder auf seinen Parteifreund Detlev Samland, den Ex-Europaminister von Nordrhein-Westfalen, der 2001 zurücktreten mußte, weil er Aufsichtsratsbezüge von rund 12.800 Euro nicht versteuert hatte. Es kommt immer häufiger vor, daß Politiker bei Beratungsfirmen an der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft anheuern: Ex-Finanzsenatorin und Abgeordnete Annette Fugmann-Heesing (SPD) ist seit 2002 bei der Unternehmensberatung BBD, die vom früheren Regierenden Bürgermeister Dietrich Stobbe (SPD) 1997 gegründet wurde. Der ehemalige Finanzsenator Peter Kurth (CDU), der als Partei- und Fraktionschef vergeb-lich kandidiert hatte, ist Mitglied des Landesparlaments, doch im Hauptberuf sorgt er sich als Vorstandsmitglied des Berliner Entsorgungs- und Wiederverwertungsunternehmens Alba um das Auslandsgeschäft in Mittel- und Osteuropa. Der ehemalige Berliner Finanzsenator Günter Rexrodt (FDP), der heute im Bundestag sitzt, ist gleich für mehrere Beratungsunternehmen tätig. Sein Arbeitstag muß mindestens 36 Stunden haben. Es kommt aber gar nicht so sehr auf seine konkrete Beratungstätigkeit an. Vor allem zählt, daß er im Bundestag einen wichtigen Horchposten innehat und im Wirtschaftsausschuß Einfluß auf die Gesetzgebung nehmen kann.

Der ehemalige Berliner Regierungschef Walter Momper (SPD) gehört seit 1992 zur Immobilienbranche. Zuerst war er bei der Firma Ellinghaus Immobilien in Berlin tätig, doch das roch so sehr nach dem spezifischen Berliner Filz, daß er nach Unmutsbekundungen auch in seiner eigenen Partei wieder seinen Hut nahm.

Seitdem ist er als selbständiger Projektentwickler tätig. Nebenher ist er Präsident des Abgeordnetenhauses. Fast könnte man vergessen, daß sie allesamt Abgeordnete des ganzen Volkes sind. So jedenfalls verkündet es die Verfassung.

Nutzt seine guten Beziehungen in die Politik, um künftig Privatkunden "strategisch und inhaltlich zu beraten" - für ein stattliches Gehalt, versteht sich: Berlins Ex-Senator Peter Strieder (r.) im Gespräch mit seinem Ex-Chef, Bürgermeister Klaus Wowereit (beide SPD)
 
     
     
 
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