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Rätselraten um Kant-Porträts

 
     
 
Unbekannt ist der Verbleib des bis 1934 in der Königsberger Loge zum Totenkopf und Phönix befindlichen Ölgemäldes von Immanuel Kant, das 1791 der Maler und Kupferstecher Gottlieb (Theophil) Doebler (geboren um 1762, nachweisbar bis 1810) geschaffen hat. Von Doebler (auch Doepler, Doeppler), der auf der Berliner Akademie vermutlich ein Schüler des zwischen 1781 und 1784 nach Berlin gekommenen schottischen Malers Edward Francis Cunningham war, wurden auf den Berliner Akademie-Ausstellungen 1786 bis 1789 Ölgemälde und Stiche, darunter auch Porträts von König Friedrich I
I. und König Friedrich Wilhelm II., gezeigt. Ein Ölporträt des letzteren Monarchen hing 1861 im Berliner Schloß.

Doch tauchte 1955 die Zweitausführung dieses unterlebensgroßen Original-Porträts, das Kant seinem Schüler und Freund Johann Gottfried Carl Christian Kiesewetter (1766-1819), der 1789/90 auf Wunsch seines Lehrers den Berliner Verleger François Théodore de la Garde als "Corrector" beim Druck der "Kritik der Urteilskraft" (1790) assistierte, in Berlin schenkte, in München wieder auf. Hier wurde es "von amerikanischer Seite" der Bayerischen Staatsgemäldesammlung zum Kauf angeboten, dann aber beschlagnahmt. 1963 erwarb das Ölporträt, bei dem es sich nicht, wie etwa noch Fritz Gauses ergänzter Auflage seines Werks "Die Geschichte der Stadt Königsberg in Preußen" von 1996 zu entnehmen ist, um das aus der Loge zum Totenkopf und Phönix handelt, die Stadt Duisburg von Julius Baer in New York für 10.000 D-Mark. Wo sich das Kant-Gemälde aus dem ehemaligen Besitz von Kiesewetter, der 1793 zum Professor der Philosophie und 1798 zum ordentlichen Professor der Logik avancierte und als Kantianer maßgeblich zur Verbreitung der Lehre Kants beitrug, in Berlin vor und um 1945 befand, wäre noch zu recherchieren. Im Künstlerlexikon Thieme-Becker von 1913 wird es "auf der Jahrhundert-Ausstellung in Berlin 1906" erwähnt.

Wie das Gemälde in der Königsberger Loge ist die "Kopie von Petzenburg" im Kant-Museum in Königsberg verschollen oder vernichtet. Bei dem Bild in einem Ausstellungssaal des russischen Kant-Museums im Dom handelt es sich um eine Reproduktion aus den 1990er Jahren.

Möglicherweise ist aber aus dem Königsberger Kant-Museum ein Kant-Porträt nach Doebler erhalten geblieben. 2000 erwarb das Museum Stadt Königsberg in Duisburg auf einer Auktion ein Ölgemälde mit dem Brustbild Kants. Im Katalog zur Duisburger Ausstellung anläßlich des 200. Todestages des Philosophen 2004 heißt es dazu: "Künstler unbekannt, 19. Jh. (Heydeck?)" und "Provenienz Neuenburg / Schweiz", also aus dem ehemals preußischen Neuchatel (1707-1857) stammend, sowie "Maler und Provenienz noch nicht ganz geklärt". Während der Kopist Kants Kopf genau vom Vorbild "abgenommen" hat, sind der flüchtiger gemalte Oberkörper und die Arme und Hände verändert. Der Philosoph sitzt hier vor Papieren an einem nicht sichtbaren Schreibtisch, hält in der Rechten die Schreibfeder und lüftet mit der Linken die Ecke eines Blattes.

Nun hat Eduard Anderson in seinem Führer "Das Kantzimmer im Stadtgeschichtlichen Museum" von 1936 ein Bild verzeichnet, aber nicht abgebildet, dessen Beschreibung dem neu aufgetauchten zu entsprechen scheint: "Kantbildnis, Brustbild von Johannes Heydeck. Kant am Schreibtisch. Das Gemälde ist um 1870 entstanden. Der Künstler hat seiner Arbeit das Doeblersche Werk zugrunde gelegt. Ölgemälde auf Leinwand. ... oval. Besitzer: Kunstsammlungen der Stadt." Letztere befanden sich seit 1924 im Königsberger Schloß. Auch in Gauses Faltblatt "Führer durch das Kant-Museum" von 1938 wird das Kant-Bild aufgeführt: "Kant. Ölgemälde von Heydeck (um 1870)."

Im Katalog des "Stadtmuseums zu Königsberg" von 1919, wo sich damals noch die Gemäldesammlung in einem Provisorium in der Junkerstraße 6 befand, ist das "Oelgemälde auf Leinwand" von Heydeck mit der genauen Jahreszahl "1872" erwähnt. Die im Duisburger Katalog angegebenen Maße "62 x 58,5 cm" stimmen zwar nicht ganz mit den 1912 und 1936 genannten "65?" mal "62?" beziehungsweise "60 x 67" Zentimeter überein, aber vielleicht erklärt sich die "Differenz der Maße", so Lorenz Grimoni vom Museum Stadt Königsberg in Duisburg, "mit einer neuen Rahmung [oder einem neuen Passepartout] ... Leider liegt uns bis heute keine Wiedergabe des Heydeckschen Ölgemäldes vor, um durch einen Vergleich unsere Vermutung bestätigt zu bekommen. Vielleicht kann uns ein Leser helfen?"

Der 1835 in Sakuthen im Regierungsbezirk Königsberg geborene und 1910 in der ostdeutschen Hauptstadt verstorbene Historien-, Architektur- und Bildnismaler Johannes Wilhelm Heydeck (1835- 1900) war von 1869 bis 1900 Professor der Perspektive und Architektur an der Königsberger Kunstakademie. Von dem Mitglied der Berliner Akademie - "das zuerst 1887 in Berlin ausgestellte Gemälde ,Königin Luise auf der Flucht nach Memel im Januar 1807 machte Heydeck weithin bekannt" - hing im Kant-Museum auch die seit 1945 verschollene Kreidezeichnung von der Ausgrabung der Gebeine Kants in der Grabkapelle 1880.

 

Ölgemälde von Immanuel Kant: Ob es sich um das Gemälde von Johannes Heydeck aus dem Jahre 1872 nach dem berühmten Porträt von Gottlieb Doebler von 1791 handelt, ist unbekannt. Foto: Museum Stadt Königsberg

 
     
     
 
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