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Saga vom Milliardenloch

 
     
 
SPD-Chef Oskar Lafontaine zieht stets ein schmerzhaftes Gesicht, wenn er auf ständig neue Haushaltslöcher, Zinszahlungen und Staatsschulden angesprochen wird. Dann murmelt der Saar-Napoleon von einer "Erblast" der christlich-liberalen Koalition. Die CDU/CSU schlug sofort zurück und sprach von "Bilanzfälschung" der Rotgrünen. Haushaltslöcher von 20 Milliarden
Mark und mehr seien "eine Lüge" und ein "völlig blödsinniges Szenario", so CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble.

Doch in Bonn gibt es keine Tatarenmeldung, die nicht durch eine andere übertroffen werden könnte. Als die 20-Milliarden-Löcher langweilig wurden, wurde draufgesattelt. Aus dem Arbeitskreis "Gesamtwirtschaftliche Vorausschätzung" der Regierung wurde das "Super-Loch" gemeldet: 50 Milliarden Mark minus bei den Steuereinnahmen bis zum Jahre 2001. Allein 1999 müsse der Bund mit fünf Milliarden weniger als geplant auskommen.

Während Laien befürchten könnten, der Staat taumele dem Bankrott entgegen, werden Experten von der Dramaturgie eher heiter gestimmt. Denn die Löcher sind zumeist keine, sondern es handelt sich überwiegend um Finanzierungsrisiken, die schon seit langem bekannt sind und über die auch im Bundestag debattiert wurde. Aber dessen Sitzungen, da hat Schäuble recht, finden meistens unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt.

Und das 50-Milliarden-Mark-Loch ist keines. Der Arbeitskreis der Bundesregierung, auf den die Meldung zurückgeht, befaßt sich mit den Wachstumsprognosen für die Wirtschaft. Daß Asien-, Rußland- und Südamerika-Krise seit längerem den Aufschwung bremsen und die Prognosen zurückgenommen werden müssen, ist kein Geheimnis.

Die Deutsche Bank Research erwartet jetzt für 1999 statt drei Prozent Wachstum in Deutschland nur noch 2,25 Prozent. Entsprechend korrigierten die Banker die Gesamtsteuereinnahmen für 1999 um etwa zehn Milliarden nach unten, was für den Bundesanteil das bereits genannte Minus von fünf Milliarden Mark ergibt. Das alles ist nachzulesen in dem Löcher-Papier des Grünen-Finanzexperten Oswald Metzger vom 6. Oktober – also nicht unbedingt brandneu. Und Vorausschätzungen über die Steuerentwicklungen bis 2001 haben den Zuverlässigkeitswert von Wetterprognosen.

Für Schäuble hat die Erfindung von immer neuen Löchern keinen anderen Sinn, als "daß dort die unhaltbaren Wahlversprechen von Rotgrün unauffällig verschwinden sollen". Das ist zum Teil richtig. Der Auftritt von Grünen-Boß Jürgen Trittin auf dem Länderrat seiner Partei spricht Bände: "Es gibt nichts umzuverteilen", hatte Trittin seinen überraschten Mannen mitgeteilt, die so gerne als Gutmenschen aufgetreten wären und eine Grundsicherung von 800 Mark im Monat plus Miete und Heizkosten eingeführt hätten.

Andererseits ist aber auch die Behauptung des Unions-Haushaltspolitikers Adolf Roth falsch, der Haushaltsentwurf der Bundesregierung sei "seriös und vollständig" finanziert gewesen. Finanzminister Theo Waigel (CSU) war nämlich so knapp unter der Verschuldungsobergrenze des Grundgesetzes geblieben, daß jedes Risiko den Haushalt in die Verfassungswidrigkeit gebracht hätte.

Laut Grundgesetz darf die Neuverschuldung nicht höher sein als die Summe aller im Haushalt vorgesehenen Investitionen. Zwischen neuen Schulden (56,2 Milliarden) und Investitionen (57,5 Milliarden) bleibt im neuen Haushalt jedoch nur eine Marge von 1,3 Milliarden Mark. Das ist der gesamte Spielraum, den die Regierung hat, wenn sie nicht bewußt gegen die Verfassung verstoßen will. Jedes kleine Risiko wird da zum Sprengsatz.

Steigen zum Beispiel die Zinsen auf dem Kapitalmarkt, muß der Finanzminister für neue Schuldverschreibungen mehr Zinsen zahlen. Ein Prozent Zinserhöhung würde sofort drei Milliarden Mark mehr Zinsen kosten. Dieses Risiko ist nicht neu, Vorsorge getroffen wurde jedoch nicht.

Wer eng schneidert wie Waigel, darf sich nicht wundern, wenn die Nähte platzen. Rotgrün hätte jetzt die Chance auf eine Wende in der Finanzpolitik, die nach dem Motto "Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not" ausgerichtet werden könnte. Doch die Entwicklung der Landeshaushalte von Lafontaine (Saarland) und Gerhard Schröder (Niedersachsen) läßt befürchten, daß Rotgrün eine dramatische Verschuldungspolitik führen wird. Verfassungsgrundsätze wie das Verbot übermäßiger Verschuldung werden das SPD-Duo nicht stören, solange man sich mit eigener Mehrheit eine "Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" bescheinigen und der alten Regierung die Schuld in die Schuhe schieben kann.

 

 
     
     
 
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