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Schwarze Klassenkämpfer

 
     
 
Was der Vizechef des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA, Hermann-Josef Arentz, jetzt den Unternehmern vorwarf, mutet an wie eine Klassenkampfparole vom linken SPD-Flügel. Die Unternehmer verhinderten "systematisch" neue Beschäftigung. Ja, es sei unverschämt, wenn die Arbeitgeber trotz "explodierender Gewinne" immer neue Forderungen nach Sozialabbau und Lohnzurückhaltung stellten, poltert Arentz.

Ganz im Stil der 70er Jahre, als (damals noch) Jung-68er und Altsozis die Maschinen stürmten, wird da das Feindbild "Kapitalist" aufgewärmt, nur diesmal aus den Reihen der Union. Die Arentz-Tiraden sind somit bei weitem nicht das erste Beispiel dafür, daß der von Linken angetretene "Marsch durch die Institutionen" die CDU längst erreicht hat, aber sie sind eines der drastischsten.

Völlig unbeeindruckt von immer neuen Pleiterekorden und schwindenden ausländischen Investitionen in Deutschland geht es den Betriebe
n laut CDA-Sicht offenbar immer noch viel zu gut. Man faßt es nicht. Freilich: Unbestreitbar verdienen zahlreiche Konzerne bombig. Indes, ihnen zu unterstellen, sie betrieben Arbeitsplatzabbau aus bösem Willen, ist absurd. Ebenso absurd wie Zahlenspiele, die belegen wollen, daß die Unternehmen "ohne Überforderung" mal eben eine Million Stellen schaffen könnten, wie der CDA-Vize locker vom Hocker räsoniert.

Der Fall liegt klar: Die Politik ahnt ihr Versagen und will jetzt die Verantwortung loswerden. Hans-Olaf Henkel, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), hatte den Bonner Olymp schwer erschüttert, als er Arbeitsminister Blüm in die Nähe eines Hofnarren stellte. Und bekannte, daß ihm die Wirtschafts- und Steuerpolitik der (sozialdemokratischen) Regierung Englands weit besser gefalle als die der Bonner Koalition (gleichwohl anfügend, daß er sich von RotGrün - "Gott bewahre" - keine Besserung erhofft).

Was passieren kann, wenn nichts geschieht, dafür gab Hamburg zur Jahreswende einen Vorgeschmack. Dort traten auf einen Schlag 1100 Einzelhandelsbetriebe aus ihrem Fachverband aus, der bislang die Tarifverträge mit den Gewerkschaften aushandelte. Wegen mangelnder Flexibilität geht hier das Flächentarifsystem zum Teufel und mit ihm auch das Terrain klassischer Gewerkschaftsarbeit. Künftig werden an der Alster die Tarifverträge in jedem Betrieb einzeln ausgehandelt - eine Vorstellung, der nicht nur Arbeitnehmervertreter mit gemischten Gefühlen entgegengehen.

Die Flucht aus dem System der Flächentarife wie die Flucht aus Deutschland überhaupt sind Seiten der gleichen Medaille und machen deutlich: Wer die dringenden Reformen - tarifpolitisch wie gesamtpolitisch - behindert, verteidigt nicht bewährte Strukturen, er untergräbt sie.

Unbestritten ist, daß der Kostendruck nur ein Teil des Problems darstellt, für die Masse kleiner und mittlerer Betriebe oft noch nicht einmal das entscheidende. Dort fallen undurchschaubarer Gesetzesdschungel oder lange Genehmigungsverfahren und ein Berg von Auflagen mindestens ebenso ins Gewicht wie hohe Steuern und Abgaben.

Überdies haben die Unternehmen insgesamt mit einer noch immer wenig wirtschaftsfreundlichen Stimmung zu kämpfen, die sich im Lande ausgebreitet hat und auf der linke Populisten wie der CDU-Politiker Arentz nun reiten wollen. Aber warum sollten sich die Deutschen auch mit "ihrer" Wirtschaft solidarisieren, selbst wenn es nicht um den unmittelbar persönlichen Vorteil geht. Der Berliner Publizist Arnulf Baring brachte es auf den Punkt, als er formulierte: "Ohne Patriotismus geht es nicht!" Wer, wie Henkel, eine nationale Anstrengung einfordert, wer dazu aufruft, auch persönliche Einschränkungen hinzunehmen zum Nutzen des "Ganzen", der sollte vorher dafür gesorgt haben, daß dieses "Ganze", die Nation also, von den Menschen als etwas Positives, Erstrebenswertes angesehen wird, für das sich einzusetzen lohnt.

Hierbei hat jedoch nicht nur die Politik, hier hat auch die Wirtschaft sträflich gefehlt. Gute Bilanzen allein schaffen noch nicht den Humus für eine wirtschaftsfreundliche Haltung im Volk. Henkel und seine Kollegen hätten frühzeitiger deutlich machen sollen, daß es nicht nur um "Made in Germany", sondern um "Germany" insgesamt geht und daß sich das Engagement hierfür lohnt.

So aber bleibt uns nur zu beobachten, wie sich die zur "Gesellschaft" zerfaserte Gemeinschaft weiter in Lagerkämpfen und -krämpfen selbst blockiert.

 

 
     
     
 
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