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Senat verteidigt Stalin-Sprüche

 
     
 
Das sowjetische Ehrenmal in Berlin-Treptow ist noch längst nicht fertig saniert, aber wieder vollständig. Nach der Generalüberholung in einer Werkstatt auf der Insel Rügen ist die zwölf Meter hohe und 45 Tonnen schwere Statue des siegreichen Sowjetsoldaten auf dem Wasserweg wieder an den alten Platz zurückgekehrt. An der Außenhaut hatten Frost und Wasser gefährliche Risse hinterlassen, außerdem mußten die rund 2.000 Schraubverbindungen, die die 44 Einzelteile zusammenhalten, erneuert werden.

Es gibt drei derartige Denkmäler in Berlin: Das erste wurde bereits im November 1945 im Tiergarten eingeweiht: Es wird beherrscht von einem russischen Panzer und einem Sowjetsoldaten mit geschultertem Gewehr, der die Besiegt
en mit gebieterischer Geste zurechtzuweisen scheint. Dieses Denkmal bildete bis 1990 eine sowjetische Exklave im Westteil Berlins. Das zweite befindet sich in Pankow. Es handelt sich um einen großen Obelisken und eine "Mutter Erde", die um ihren Sohn trauert.

Das Denkmal in Treptow ist jedoch das weitaus größte. Die Anlage wurde in einen alten Freizeitpark gepflanzt und beansprucht eine Fläche von zehn Hektar. Rund 1.200 Mitarbeiter - überwiegend Deutsche, vor allem Steinmetze, Bildhauer, Gärtner und Maler - waren zu seiner Errichtung herangezogen worden. Angesichts der großen Not im Nachkriegsberlin hielten sogar die deutschen Kommunisten den Aufwand für übertrieben, doch sie wurden von der russischen Militärführung barsch zurechtgewiesen.

1946 war die Ausschreibung für eine "bleibende monumentale Gedenkstätte für die Größe der internationalen Befreiungsmission" der Sowjetsoldaten erfolgt. Unter den eingereichten Entwürfen befand sich unter anderem der Vorschlag für einen dreihundert Meter hohen Gedenkturm. Man entschied sich aber für eine "volkstümliche", sozialistisch-realistische Variante, für einen Soldaten, der auf einem zerbrochenen Hakenkreuz steht. In der Rechten hält er ein gesenktes Schwert, auf dem linken Arm ein Kind, das sich schutzsuchend an ihn schmiegt.

Um das Vorbild der Figur rankten sich Legenden. In den DDR-Schulbüchern wurde die Geschichte des Gardesergeanten Nikolaj Massalow verbreitet. Dieser soll in der Kampflinie am Berliner Landwehrkanal das Weinen eines deutschen Kindes gehört haben, das neben seiner toten Mutter lag. Die Mutter sei von den Kugeln der "Faschisten" - die DDR-übliche Bezeichnung für die deutschen Soldaten - getötet worden. Massalow sei vor seinen Vorgesetzten mit den Worten getreten: "Ich bitte darum, das Kind retten zu dürfen." Er durfte. Die Geschichte, die die "Befreiung" der Deutschen in kindgerechter Weise anschaulich machen sollte, hatte man den Memoiren des Marschalls Schukow entnommen. Massalow wurde danach von Journalisten tatsächlich ausfindig gemacht. Sie trafen auf einen bescheidenen Mann, dem das Aufsehen peinlich war.

Die Statue steht auf einem mächtigen Sockel, in dem sich eine neun Meter hohe Krypta befindet. Darunter wurde ein zehn Meter hoher Erdhügel aufgeschüttet, so daß der Scheitelpunkt des Monuments bei rund 30 Metern liegt. Zur Anlage gehören auch Grabfelder, in denen rund 5.000 Rotarmisten ihre letzte Ruhestätte haben. Sie werden von Sarkophagen gesäumt, auf denen Aussprüche von Sowjetführern, darunter Stalin, zu lesen sind. Der "Vater aller Völker" behauptet dort beispielsweise, daß die "Ideologie der Gleichberechtigung aller Rassen und Nationen" in der Sowjetunion verwirklicht worden sei. Oder: "Unser Ziel ist klar und edel." Die CDU-Fraktion im Bezirksparlament hatte die Entfernung der Sprüche verlangt. Die SPD nannte die Forderung "primitivste Bilderstürmerei", die PDS fand sie "unsensibel".

Unsensibel wem gegenüber? Das am 8. Mai 1949 eingeweihte Ehrenmal war ein mythischer Ort, wo das Bündnis der DDR mit der Sowjetunion jedes Jahr symbolisch erneuert wurde. Manchmal fanden die Veranstaltungen nach Einbruch der Dunkelheit statt. Dann erleuchteten Scheinwerfer und Fackeln eine Szenerie, die durch einen künstlich erzeugten Nebel noch gespenstischer wirkte. Unter Trauermusik legte das SED-Politbüro Kränze nieder.

Es ging dabei nicht um die 5.000 gefallenen Sowjetsoldaten - ihnen hat man noch nicht einmal ihre Namen gegönnt -, sondern um die eigene politische und ideologische Legitimation.

Stalinistisches Pathos in der Hauptstadt einer Demokratie: Die Berliner CDU wollte das bombastische Siegesmal in Treptow von den Phrasen des Diktators reinigen - SPD, PDS und Grüne haben das verhindert

Foto: ZB-
 
     
     
 
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