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Perspektive Call Center? So manchem Arbeitssuchenden dürfte diese seit einigen Jahren boomende Branche durchaus eine Chance geboten haben. Waren Telefonzentralen früher eher Arbeitsplätze für teilzeitbeschäftigte Mütter und hatten daher auch einen karrierefernen Beigeschmack, so hat sich in den vergangenen Jahren mit den Call Centern eine Branche entwickelt, die keineswegs der herkömmlichen Vorstellung einer Telefonzentrale entspricht.

Jeden Tag telefonieren gut 20 Millionen Deutsche mit Mitarbeitern eines Call Centers. Es werden Textilien bestellt, Überweisungen getätigt, Reisen gebucht, Versicherungsanfragen eingeholt, die Beratung einer Computer-Hotline in Anspruch genommen, nach Inhaltsstoffen von Pflegeprodukten
gefragt und Liefertermine vereinbart. Angestellte einer Anrufzentrale nehmen also Informationen entgegen, informieren selbst, beraten und verkaufen auch aktiv. Während früher in einer Telefonzentrale der Anruf nur entgegengenommen und dann an den entsprechenden Sachbearbeiter weitergeleitet wurde, sind Call-Center-Mitarbeiter weitaus mehr gefordert. Sie müssen Fachwissen haben, Freundlichkeit ausstrahlen, redegewandt sein und Einfühlungsvermögen besitzen, da sie auf Kunden eingehen müssen.

Gut 350000 Arbeitsplätze sind in den vergangenen zehn Jahren in dieser jungen Branche entstanden. Von 5600 Call Centern bundesweit sind gut die Hälfte unternehmensinterne Abteilungen, wie man sie als Anrufer zum Beispiel von der "Bahn", der "Telekom" oder Versicherern her kennt.

Weitere 20 Prozent der Anrufzentralen sind reine Dienstleistungsunternehmen, die im Auftrag anderer arbeiten. Ein Drittel sind unternehmensgebundene Call Center, die ihre Dienstleistungen auch Dritten anbieten.

Da die Branche immer noch im Wachstum begriffen ist, geht man davon aus, daß im Laufe der nächsten fünf Jahre weitere 100000 Jobs entstehen werden. Allerdings handelt es sich hier keineswegs nur um neue Arbeitsplätze. Viele der Stellen entstehen erst, weil große Unternehmen wie zum Beispiel die "Telekom" Fixkosten sparen wollen, eigenes Personal entlassen und deren Aufgaben auslagern, sprich an Fremdfirmen nach draußen geben. Dies spart durchaus Geld, denn selbst wenn der Mitarbeiter der "Telekom" bei der neuen Fremdfirma in der Anrufzentrale eingestellt wird, so wird er nicht mehr nach Tarif bezahlt. Bruttostundenlöhne von 7,50 bis zwölf Euro sind laut Branchenauskunft üblich, was bedeutet, daß ein Call-Center-Mitarbeiter bei einer 40-Stunden-Woche und flexiblen Arbeitszeiten - das kann einerseits Freiräume, andererseits aber auch Spätschichten und Wochenenddienst mit sich bringen - um die 1200 Euro bis 2000 Euro brutto verdient. Zwar wird man nach Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer nicht hungern müssen, doch große Sprünge sind da nicht möglich. Wer zudem meint, daß Call-Center-Mitarbeiter einen trockenen, körperlich wenig anstrengenden Job haben, der irrt. Wer acht bis zehn Stunden täglich in einem Großraumbüro am Telefon gegen seine Kollegen anbrüllt, ist besonders anfällig für Erkrankungen der Atemwege samt Heiserkeit, und wer täglich durchgehend dem Lärmpegel eines Großraumbüros ausgesetzt ist, ist hörsturzgefährdet. Hinzu kommt der Erfolgsdruck. Statistiken belegen, wieviel Zeit der Angestellte jedem einzelnen Anrufer gewidmet, wieviele Anrufe er am Tag angenommen und wie viele Gespräche er weitergeleitet hat. Drei Minuten pro Anrufer sind beispielsweise vorgesehen, doch wer für einen Versicherer ein Gespräch mit einer gerade verwitweten, hilflosen Dame hat, kann diese nur schwer in drei Minuten "abhaken" ... doch der nächste Anrufer wartet schon, und am Ende wird häufig nicht gefragt, was für Anrufer man hatte, sondern nur wie viele.

Trotzdem kann man durchaus von "Perspektive Call Center" sprechen. Gerade in den neuen Bundesländern, vor allem in Berlin-Brandenburg, hat die Branche vielen vorher Arbeitslosen eine Beschäftigung geboten und bietet sie noch weiter. Zudem werden die Methoden immer weiter verfeinert, so daß es sich in den meisten Fällen weder um Telefonistinnenjobs noch telefonische Klinkenputzer handelt. Auch für Studenten und Mütter ist eine Tätigkeit im Call Center aufgrund der flexiblen Arbeitszeiten durchaus attraktiv.

Foto: Arbeit im Großraumbüro: Mitarbeiter leiden un
 
     
     
 
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