|   | 
          Aus Sicht der CDU sind die     Bundesländer Brandenburg und Berlin mehr miteinander verzahnt, als es den     Christdemokraten derzeit recht sein kann. Für solcherlei Problematik mit weitreichender     Bedeutung hat unter anderem Berlins Innensenator Jörg Schönbohm gesorgt, der offenbar     vom Berliner Senat    seinen Abschied nehmen und das Amt des CDU-Vorsitzenden in Brandenburg     übernehmen will.
       Es ist dies ein fast desasterhaftes Vorhaben für den Senat, scheiden doch demnächst     Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) auf eigenen Wunsch und Arbeitssenatorin Christine     Bergmann (SPD) aufgrund des angebotenen Ministeramtes in Bonn aus der schwarzroten     Senatorenriege in Berlin aus. Und Schönbohm ist offensichtlich von seinem Entschluß kaum     mehr abzubringen.
       Während in Berlin mit einigermaßen banger Erwartung der Senatsumbildung     entgegengesehen und da und dort Zweifel am Fortbestand der Koalition geäußert wird,     zeichnet sich für Brandenburgs desolaten CDU-Landesverband angesichts des möglichen     Zuzugs von Schönbohm einiges an Hoffnungen ab. Das tut auch not, denn die seit Jahren von     Intrigen und Querelen gebeutelte Partei, das wissen verantwortungsbewußte Mitglieder, hat     vor allem eine starke Führungspersönlichkeit bitter nötig. Seit den Bundestagswahlen     von 1990, als die CDU noch 36,3 Prozent an brandenburgischen Wählerstimmen erringen     konnte, ist diese Zahl zuletzt auf 20,8 Prozent gesunken. Bei den letzten Landtagswahlen     waren es sogar nur 18,7 Prozent.
       Jetzt ist von einem radikalen Neuanfang die Rede, dem der markige Ex-Bundeswehrgeneral     und Staatssekretär im Verteidigungsministerium durchaus Auftrieb verleihen könnte. Nicht     zuletzt mag auch der Umstand seiner brandenburgischen Herkunft Schönbohm bewogen haben,     die Herausforderung eines Spitzenkandidaten für die Wahlen im Herbst kommenden Jahres     anzunehmen. An seinen klar umrissenen, wertkonservativen Vorstellungen, mit denen er als     Berliner Innensenator beispielsweise in Ausländerfragen sich wahrlich nicht nur Freunde     gemacht hat, wird er auch in Brandenburg eindeutig festhalten. Zweifellos zunächst ein     Gewinn für das Land.
       Demgegenüber steht allerdings ein geradezu irrationales Element: das kaum erklärbare     Charisma des brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD), der derzeit mit     absoluter Mehrheit regiert. Der in der Sache deutliche und unbestechliche, aber     charismatisch weitaus weniger brillante Ex-General besitzt zumindest dabei ein erhebliches     Handicap.
       So mag denn Schönbohms vorrangig notwendiges Bemühen um eine innere Einheit der     heillos zerstrittenen Brandenburger CDU unter Umständen zu einer Sisyphus-Arbeit     verkommen und der SPD allenfalls den Verlust der absoluten Mehrheit bescheren. Ob die CDU     ein Koalitionspartner werden kann, ist daher ungewiß. Lothar Bisky von der PDS hat     gegenüber der SPD bereits möglichen Willen zur "Mitarbeit" angekündigt. Die     Entscheidung, Jörg Schönbohm in Brandenburg antreten zu lassen, könnte also, bei allem     Respekt vor den Qualitäten des Politikers, durchaus zu einer tragischen werden. Sein     wahrscheinliches Ausscheiden aus dem Berliner Senat bedeutet eine erhebliche Schwächung     der dortigen Koalition. Vor allem SPD und die Grünen wissen darum und spekulieren denn     auch darauf, früher oder später doch die Macht an der Spree zu übernehmen.
       Daß dabei die Möglichkeit einer PDS-Tolerierung von der SPD noch energisch     zurückgewiesen wird, mag auch zur Strategie des Tages gehören. Sachsen-Anhalt und     Mecklenburg-Vorpommern sprechen eine andere Sprache. Und ein SPD-Spitzenkandidat in Berlin     namens Walter Momper könnte ohnehin in dieser Sache anders denken. Vorsichtshalber     jedenfalls hat der PDS-Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi, der SPD bereits     "Zusammenarbeit" in Berlin angeboten. 
       Würden solche Visionen in Berlin und Brandenburg gar zur Wirklichkeit, wäre     Norddeutschland am Ende fest in roter Hand  und unter anderem Jörg Schönbohm trotz     bester Absichten ins Leere gelaufen.
        
         | 
            |