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           Der 24. Dezember 1939 war wohl der traurigste Heiligabend, den ich als Kind in  meinem Elternhaus in Misken erlebt habe. In den davor liegenden Jahren brachte  das Weih-nachtsfest die schönsten und erwartungsreichsten Tage für uns Kinder.  Da hatte der Vater mit viel Liebe und Geschick den Baum geschmückt. Mutter stand  in der Küche am Herd und bereitete das Essen vor, natürlich gab es wie immer  Gänsebraten, das ganze Haus roch schon danach. Wir Kinder erwarteten schon  sehnsüchtig den Weihnachtsmann   , in der Hoffnung, daß er uns Spielzeug und  Süßigkeiten bringt. Natürlich wollten wir ihn mit schönen auswendig gelernten  Gedichten bei guter Laune halten. Im ersten Kriegsjahr 1939 war alles ganz anders. Unsere Familie war nicht mehr  vollzählig. Meine älteren Brüder waren Soldaten und mußten in ihren Kasernen  bleiben. Auch die Eltern waren traurig. Es kam keine richtige Weihnachtsstimmung  auf. Beim ersten Weihnachtslied liefen der Mutter die Tränen nur so herunter, es  war einfach trostlos. Selbst den Weihnachtsmann mußte eine Frau aus der  Nachbarschaft spielen! Die Männer waren mit dem Krieg beschäftigt. Nach dem  Mittagessen am nächsten Tag saßen wir am Kachelofen, als es an der Tür klopfte  und die Braut meines Bruders Ewald uns besuchte. Gleich wurde der Tisch gedeckt,  und es roch nach Kaffee. Mutter stellte Mohn- und Pfefferkuchen und reichlich  Plätzchen auf den Tisch. So wurde es doch noch ein gemütlicher Nachmittag.  Nach dem Kaffee wurden die Kerzen am Weihnachtsbaum angezündet und Mutter  stimmte das Lied: „Vom Himmel hoch ...“ an. Draußen fing es kräftig an zu  schneien. Unser Besuch wollte nun doch noch schnell im Hellen nach Hause. Doch  meine Eltern sagten: „Du kannst bei uns übernachten, bei diesem Wetter kannst du  unmöglich nach Hause gehen.“  Als wir am nächsten Morgen aufstanden, war die Schneedecke etwa 50 Zentimeter  hoch. Wir blickten auf eine herrliche Winterlandschaft, wie man sie nur bei uns  in Ostdeutschland zu sehen bekam. Für den Heimweg packte Mutter der jungen Frau  einige Stücke Kuchen ein. Mein Bruder Willi und ich begleiteten sie durch den  tiefverschneiten Winterwald bis nach Mühlengrund, wo sie zu Hause war. Gut, daß  wir damals nicht wußten, was auf uns alle in den nächsten Jahren zukommen würde  ...  Winter in Ostdeutschland: Tief verschneit liegen Feld und Wald. /font>
 
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