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Türkei: Koalitionsparteien behindern Scharpings Bündnispolitik

 
     
 
Wenn es um die Beziehungen der Türkei geht, wird die rot-grüne Koalition in Berlin von zwiespältigen Gefühlen befallen. Einerseits konnten sich Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein grüner Außenminister Joschka Fischer
nicht vehement genug dafür einsetzen, daß Ankara den Status eines Beitrittskandidaten für die Europäische Union erhält. Andererseits verweigern die die Koalition tragenden Regierungsparteien die von der Türkei gewünschten Waffen, insbesondere den deutschen Kampfpanzer Leopard II.

Vor diesem Hintergrund reiste noch schnell vor Weihnachten Verteidigungsminister Rudolf Scharping in das Land am Bosporus, das immerhin zu den ältesten Freunden Deutschlands gehört. Scharpings eigentliche Mission blieb indes auch nach Abschluß der Reise im unklaren. Der entscheidende Schritt Richtung Europa war getan; Waffen konnte und wollte der deutsche Verteidigungsminister den Türken aber nicht zusagen. Es blieb nichts anderes als das eine oder andere freundliche Gespräch, aus dem die Türken durchsickern ließen, sie hätten nicht verstanden, warum die Deutschen Waffengeschäfte an die Verbesserung der Menschenrechtssituation koppeln.

Falls Scharping etwas mit seiner Reise bezwecken wollte, so könnte es der Versuch sein, erneut den Beweis zu führen, daß er noch Höheres im Sinn hat als den undankbaren Posten des Verteidigungsministers. Seine im Herbst beinahe hektischen Reise-Aktivitäten besonders in arabische Länder lassen den Schluß zu, daß Scharping den Konflikt mit Außenminister Fischer sucht, in dessen Revieren er wildert. Schon bei der Lieferung des Testpanzers vom Typ Leopard II gerieten die beiden Politiker im Bundessicherheitsrat aneinander. Und daß Scharping aus seiner Abneigung gegen die Grünen keinen Hehl macht, ist bekannt. Am liebsten wäre dem Verteidigungsminister eine Große Koalition mit den Unionsparteien oder eine Wiederauflage der sozialliberalen Koalition – und noch lieber mit ihm als Bundeskanzler. Doch seit dem SPD-Parteitag, auf dem Scharping bei seiner Wiederwahl zum stellvertretenden SPD-Vorsitzenden ein dramatisch schlechtes Ergebnis von rund 70 Prozent erhielt, dürften seine Träume auf die Kanzlerschaft vorerst ausgeträumt sein. Kanzler Schröder sitzt seit der Rettungsaktion für den Baukonzern Holzmann, seit der Verabschiedung des Sparpakets und nicht zuletzt wegen der Existenzkrise der CDU so fest im Sattel wie nie. Die SPD-Parteitagsdelegierten sahen das genauso und bestätigten Schröder mit beinahe 90 Prozent wieder als Vorsitzenden.

Dabei sind Scharpings außenpolitische Vorstellungen im Grundsatz so schlecht nicht. Während Außenminister Joschka Fischer nicht oft genug in die USA reisen kann und die Bundesrepublik mindestens genauso fest transatlantisch verankern möchte, wie die Regierung Kohl dies 16 Jahre lang getan hat, geht Scharpings Blick über den Tellerrand der deutsch-amerikanischen Beziehungen hinaus. Der Verteidigungsminister möchte mit den politisch gemäßigten arabischen Staaten wie Ägypten, den Emiraten und der Türkei eine Achse gegen fundamentalistische islamische Bestrebungen schmieden. Angesichts von geschätzten drei Millionen Moslems in Deutschland und einer großen muslimischen Bevölkerung auf dem unruhigen Balkan klingt die Idee gut.

Aber Scharping ist keinen Schritt weitergekommen. Wer Freundschaften erhalten oder vertiefen will, muß auch auf die Wünsche der Freunde eingehen. Die Araber wollen jedoch nicht nur guten deutschen Rat, sondern Waffen aus Europa – am liebsten aus Deutschland –, um sich gegen fundamentalistische Aggressionen aus dem Irak und dem Iran wehren zu können. Natürlich können Panzer und Flugzeuge auch in den USA erworben werden. Doch mißtrauen die Araber dem großen Freund jenseits des Atlantiks, der zwar gerne Waffen liefert, aber die Versorgung mit Ersatzteilen und die Schulung der Soldaten von ganz konkretem politischen Wohlverhalten abhängig macht, zum Beispiel gegenüber Israel.

Doch gerade im Fall des in einem Jahr anstehenden Panzergeschäfts mit der Türkei (es geht um 1000 Leopard II im Wert von zehn Milliarden Mark) beißt sich die rot-grüne Katze in den eigenen Schwanz. Der SPD-Parteitag lehnte das Waffengeschäft klar ab, die Haltung der Grünen ist genauso. Dabei können Leopard-Panzer gegen Kurden genausowenig eingesetzt werden wie U-Boote. Im Hochland und Gebirge wären die Panzer untauglich. Aber zur Landesverteidigung, etwa gegen Syrien, den Irak und Iran, würden die deutschen Panzer einen guten Beitrag leisten können. Dagegen könnte der deutsch-französische Kampfhubschrauber Tiger, von dem die Türken 140 Stück direkt aus Frankreich (ohne daß Deutschland mitentscheiden könnte) erhalten sollen, sehr wohl gegen kurdische Rebellen eingesetzt werden.

Die Haltung der Bundesregierung könnte tragisch werden: Sollte das Nato-Land Türkei von einem Nachbarn angegriffen werden, müßten die Deutschen mit eigenen Truppen und Panzern beistehen, weil sie die türkische Armee nicht modern ausrüsten wollten.

 
     
     
 
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