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Türken machen vor Wien nicht halt

 
     
 
Die türkischen Zeitungen berichteten in Balkenlettern über eine Aussage, die eigentlich europaweit Balkenlettern verdienen würde: Außenminister Joschka Fischer soll dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan bei dessen Berlin-Besuch launig zugeraunt haben, diesmal werde Sultan Suleiman vor Wien nicht wieder umkehren müssen. Gemeint war die erste Türke
nbelagerung von 1529.

Die österreichischen Medien berichteten über den unsäglichen Sager sozusagen aus zweiter Hand, denn Türkisch ist noch nicht Pflichtfach. Noch nicht, wenngleich SPÖ und Grüne bereits überall dabei sind, Türken als Mandatare aufzustellen und durchzubringen. So ist die dritte Türkenbelagerung bereits in vollem Gange, wie sich Erdogan bei seinem Wien-Besuch vor zwei Monaten überzeugen konnte: Beim Spaziergang durch Wien-Ottakring, in einem Meer türkischer Flaggen, genoß er sichtlich das Bad in der Menge. Bei ihrem zweiten Versuch 1683, als die Türken mit seiner Allerchristlichsten Majestät, dem König von Frankreich, im Bunde waren, kam den Wienern immerhin ein deutsch-polnisches Entsatzheer zu Hilfe. Aber "diesmal" scheinen ihnen die einen als fünfte Kolonne in den Rücken zu fallen, während die anderen im Irak Besatzungsmacht spielen. So wird Suleiman wohl nicht einmal in Passau aufgehalten werden, sondern gleich bis an die Nordsee durchmarschieren. Zwei Tage nach dem ominösen Ausspruch kam Fischer nach Wien - als "Stargast" bei der Eröffnung der großen Dürer-Ausstellung, die bis Ende November in der Albertina zu sehen sein wird. In der "anderen Albertina", denn "Albertina" bezieht sich hier nicht auf die Königsberger Universität, sondern auf eine der größten Graphik-Sammlungen der Welt, begründet von und benannt nach Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen.

Er war mit Erzherzogin Marie-Christine, der Lieblingstochter von Kaiserin Maria Theresia, verheiratet und adaptierte als Residenz ein Palais, das heute den südlichsten Ausläufer des Baukörpers "Hofburg" bildet. Die österreichische Außenministerin Ferrero-Waldner, die noch Fischers Sanktions-Rüpeleien im Gedächtnis haben müßte, überging in der Eröffnungsrede auch die jüngste Entgleisung.

Hingegen meinte sie, daß man Dürer keineswegs als Österreicher beanspruche, obwohl sich die meisten seiner Graphiken in Wien befänden. Es wären eigentlich noch viel mehr, denn Herzog Albrechts erster Direktor unterschlug 200 Werke, die sich heute in New York, London, Paris und sonstwo befinden. In diesem Fall kommt eine Rückforderung wegen "bedenklichen Ankaufs" natürlich nicht in Frage. Immerhin wurde einiges als Leihgabe für die Ausstellung zur Verfügung gestellt. In seiner Antwortrede lieferte Fischer einen Exkurs über die "Rezeptionsgeschichte" von Dürers Werk als "Spie- gelbild der deutschen Geschichte". Er bemühte sich dabei, Dürer möglichst nicht als "Super-Deutschen" erscheinen zu lassen. War denn Dürer nicht später auch von Leuten verehrt worden, an denen man heute Vergangenheitsbewältigung treiben muß?

Im Goethe-Jahr 1999 konnte man dann ganz ähnliche Neuinterpretationen beobachten. Kernstück der Dürer-Ausstellung ist der Feldhase, der aus konservatorischen Gründen sonst nur als Reproduktion zu sehen ist. Und vor dem Hasen muß den Beobachter auch der Kuschelkurs nachdenklich stimmen, den Ferrero-Waldner gegenüber ihrem grünen Amtskollegen fährt: Denn die schwarz-blaue Koalition scheint fast jede Woche aus einem jeweils anderen Grund auseinanderzubrechen, die Grünen attackieren die SPÖ, und die Außenministerin ist wahrscheinlichste ÖVP-Kandidatin für die Bundespräsidentenwahl im nächsten Jahr.

Schwarz-Grün, wovon einige ÖVP-Politiker schon früher phantasierten, könnte sowohl bei vorgezogenen Parlamentswahlen realistisch sein als auch eine ÖVP-Kandidatin in die Hofburg hieven.

Schwarz-Grün: Eine Alternative für Wiens labile Regierung?

Erdogan und Fischer: Wie seinerzeit auch Ex-Kanzler Kohl sind Schröder und Minister Fischer für einen Beitritt der Türken zur EU.
 
     
     
 
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