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Unterhaltung

 
     
 
Adomeit und die Abstinenzler

Es war – mit Verlaub gesagt – ein schwerer Schlag für den Wilhelm Adomeit, als die Abstinenzler in Muschaken aktiv wurde und sogar einen Verein gründeten. Jedermann wird das verstehen, wenn er erfährt, da besagter Adomeit Wirt und Besitzer vom "Oberen Krug" war, in dem die Bauern Kätner und Holzfäller ihren Durst zu löschen pflegten. Und so ein masurischer Durst der verlangte schon nach einigen Tulpchen Bier, begleitet von dem einen oder anderen Korn ganz zu schweigen vom Bärenfang oder vom Grog, wenn es Winter war.

Fast jeder in Muschaken
verstand es, daß der Wilhelm Adomeit wenig übrig hatte fü das neumodische Gewese der Antialkoholiker. Schließlich hängt der Mensch an seine Verdienst, ein Wirt ganz besonders. Und die verräucherte Gaststube im "Obere Krug" war meist halb leer, seit gewisse Leute gegen die verderbliche Macht de geistigen Getränke wetterten und immer mehr Anhänger fanden.

Aber man mußte es dem Adomeit lassen, er trug’s in wahrhaft guter Haltung. Kei böses Wort verließ seinen Mund, noch niemand hatte ihn über diejenigen räsoniere hören, die sein Geschäft so empfindlich störten. Als ihn einmal der Johann Ganslick seines Zeichens Großbauer und Bürgermeister von Muschaken, mit unverhohlene Schadenfreude auf die Mäßigkeits-Apostel ansprach, da brummelte der Krugwirt nur "Wird schon vorübergehen. Geht ja alles vorüber auf der Welt."

Man sieht, den Wilhelm Adomeit konnte so leicht nichts aus der Ruhe bringen. E verfügte nämlich über ein schier unerschütterliches Phlegma. Seine Nerven waren abe auch gut verpackt, sie steckten in einem Körper, der zweieinhalb Zentner wog und au rosigem Fleisch und kernigem Speck bestand. Und das eben verhalf ihm zu der Gewißheit der Abstinenzler-Spuk würde nicht ewig bestehen. Noch jedoch dauerte er und steuerte ga auf seinen Höhepunkt zu.

Denn es ereignete sich, daß eines Abends ungewöhnlicher Besuch im "Obere Krug" auftauchte. Es handelte sich um den Schuster Emil Wondrak und den Kätner Ott Krajewski. Beide gehörten zu den eifrigsten Anhängern der Abstinenzler-Bewegung vo Muschaken. Dementsprechend benahmen sie sich auch. Der Wondrak hatte eine Zitronenlimonad bestellt und der Krajewski verlangte ein Glas Milch. Eigentlich aber waren sie gekommen um den Wirt zu sprechen, erklärten sie der Bedienungs-Marjell.

Wilhelm Adomeit wurde herbeigeholt und setzte sich zu seinen Gästen. Sofort ka Schuster Wondrak zur Sache. Er war ein dürres Männchen mit gekrümmtem Rücken und sein Augen zeigten den fiebrigen Glanz aller Eiferer. Mit dem Bewußtsein, eine Mission zu Rettung der Menschheit zu erfüllen, erhob er die Stimme und sagte zum Wirt: "Wirs dich wundern, uns hier zu sehen, wo doch in deinem Haus der Schnapsteufel sein Unwese treibt. Aber wir haben zu reden mit dir ganz notwendig."

"Jawohl", bestätigte der Otto Krajewski, der sonst als äußerst wortkar galt. Aber weiß der Kuckuck, mit einemmal konnte er schabbern wie der Pastor bei de Sonntagspredigt. Das machte die Begeisterung für die gute Sache. Jedenfalls sprach de Kätner also: "Wie Bruder Wondrak all gesagt hat, wir sind nicht gern gekomme hierher, wo es den bösen Alkohol gibt, der die Menschen Unglück bringt. Aber wi mußten, denn wir haben vor, zu reinigen ganz Muschaken von dem Schnapsteufel. Und d sollst uns helfen dabei." Er richtete seinen Blick auf den verblüfften Wirt.

Das tat auch der Schuster und entfaltete nun seine Rednergabe: "Zu diese Zweck", so sagte Wondrak, "wollen wir machen eine Versammlung, zu der eingelade werden alle Bewohner von Muschaken und der ganzen Umgebung. Und es wird kommen ein Man aus der Stadt, dem verliehen ist das Feuer der Beredsamkeit, womit er bekehren kann als und jung, daß sie ablassen von der Flasche. Deshalb sind wir hier, um zu fragen, ob d gestatten möchtest …"

Der Emil Wondrak geriet ins Stocken und warf seinem Begleiter einen hilfesuchende Blick zu. Aber über den war wieder seine gewohnte Schweigsamkeit gekommen. Jedenfall blieb er stumm wie ein Fisch. Doch das machte nichts, denn der Wilhelm Adomeit hatt längst begriffen. "Ihr braucht nicht weiterzureden", sagte er ernsthaft, obwoh es um seinen Schnurrbart verdächtig zuckte. "Ihr wollt wissen, ob ich für eur Versammlung meinen großen Saal zur Verfügung stelle. Ist es nicht so?"

Die beiden Antialkoholiker nickten. Fast ängstlich fragte Krajewski, der Kätner "Und wirst du? Es ist in diesem Krug der einzige Saal von Muschaken. Und wir brauche ihn dringend, denn es werden kommen viele Leute am Sonntag." Der Wirt lächelte vo sich hin: "Natürlich werde ich. Mein Haus ist ein Gasthaus und für alle da. Jede darf kommen, wenn er kann bezahlen die Zeche. Und wenn ich soll sein aufrichtig, dann mu ich sagen, mir sind die Abstinenzler eigentlich lieber als alle anderen."

Der Wondrak und der Krajewski trauten ihren Ohren nicht. Wollte der Wirt sie verkohlen Aber nein, er schaute sie direkt treuherzig an, es war ihm also ernst mit seine Behauptung. Der Schuster schickte sich schnell in diese überraschende Sachlage. "Is das wahr?", fragte er, vor Aufregung schluckend. Und als Adomeit bejahte, da ergrif Wondrak sogleich den unerwarteten Vorteil. "Möchtest du", so forschte er "möchtest du auch so gut sein und wiederholen dieses große Wort vor der Versammlun am Sonntag? Das würde überzeugen viele, die noch zaudern und möchte sein ein gute Werk."

Wieder nickte der Krugwirt mit seinem massigen Schädel und so war die Sache abgemach und besiegelt. Am liebsten hätten die beiden "Brüder" in ihrer Freude ei Gläschen getrunken oder auch zwei. Aber sie erinnerten sich gerade noch rechtzeiti daran, daß sich ein solch frevelhaftes Tun für sie nicht schickte. Und fast in Sturmschritt verließen sie den Ort der Versuchung, um erst am Sonntag wieder zu erscheinen.

Mit ihnen kam nahezu ganz Muschaken mit Kind und Kegel in den "Oberen Krug" Der gewitzte Adomeit hätte eine ganze Wagenladung Himbeerlimonade bestellt und sah mi schmunzelndem Vergnügen, wie reißend der Absatz war. Nur der Redner aus der Stadt mocht auch davon nichts wissen, er trank pures Wasser. Vielleicht wollte er ein Beispiel geben Umso schärfer wetterte er gegen den "Satan Alkohol", dem man abschwöre sollte, ehe es zu spät sei.

Als er geendet hatte, ging der Emil Wondrak zum Rednerpult und verkündete mi zitternder Stimme das Erstaunliche. "Liebe Schwestern und Brüder", hub er an "nun wird sprechen der Wilhelm Adomeit, den ihr alle kennt als Gastwirt. Und ih werdet erfahren, daß ihm die Abstinenzler lieber sind als die anderen, die noch immer de Schnaps und dem Bier verfallen sind." Im Saal entstand mächtige Unruhe. Unte den Zuhörern waren ja auch viele Stammgäste vom "Oberen Krug". Und sie mochte kaum glauben, was da eben gesagt worden war.

Wilhelm Adomeit indes ließ sich davon nicht beeindrucken. Er wuchtete sein zweieinhalb Zentner auf das Podium, ließ seine Augen über die Versammlung schweifen un verkündete dann: "Es stimmt. Ich schätze die Abstinenzler sehr. Und ich will auc erzählen, warum." Ein vergnügtes Zwinkern ging über sein Gesicht, als er fortfuhr "Also, die Sache ist so. Wenn ein sozusagen normaler Gast kommt, hat er meist die Stiefel voll Dreck. Den schleppt er mir herein. Dann verlangt er ein Kartenspiel oder die Zeitung. Er verpestet die Luft mit dem schlechten Knaster, den er raucht. Dazu trinkt e ein Bier oder zwei und vielleicht noch einen Schnaps, aber vom billigsten. Hinten und vor will er bedient sein und die Zeche läßt er anschreiben. Also was hab’ ich davon Viel Arbeit und wenig Verdienst."

Der Wirt machte ein Pause, zwirbelte den Schnurrbart und nahm seine Rede also wiede auf: "Ganz anders ist es mit denen, die Mitglied sind vom Abstinenzler-Verein. S einer kommt heimlich, wenn es schon dunkel ist. Er klopft an die Hintertür, verlangt ein ganze Flasche Korn oder Meschkinnes, zahlt bar und ist auch schon wieder fort. Und ich ich habe keine Arbeit mit ihm und dabei einen schönen Gewinn. Soll ich da" – der Wilhelm Adomeit verzog sein Gesicht zu einem breiten Lachen – "soll ich d die Abstinenzler nicht lieber haben als die anderen?"

 

Weiter Sommer
 
     
     
 
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