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Verdacht auf Schutzgelderpressung

 
     
 
In Insterburg wurden letzten Monat eine Reihe von Bränden gelegt. Der materielle und kulturelle Schaden läßt sich bislang noch nicht ermessen. Fest steht lediglich, daß es sich um vorsätzlich gelegte Brände handelt und daß die Polizei die Brandstiftungsserie noch nicht klären konnte. In der Bevölkerung wächst inzwischen die Angst vor neuen Anschlägen.

In der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober hatte die Feuerwehr von Insterburg alle Hände voll zu tun. Am frühen Morgen erhielt sie von der Zentrale den Auftrag zum Ausrücken: Das Insterburger Schloß brannte. Die Ruinen der alten Festung, die heuer immerhin schon 667 Jahre alt geworden ist, waren schon seit langer Zeit Aufbewahrungsort für historische Kulturgüter
Ostdeutschlands. Von Archäologen gefundene mittel- alterliche Handschriften sowie Werkzeuge aus der Zeit vor der russischen Okkupation wurden hier in einer Ausstellung präsentiert.

Eine Museumsmitarbeiterin erzählte der Komsomolskaja Prawda in Königsberg, daß man schon seit langem an Belästigungen durch betrunkene Jugendliche gewohnt gewesen sei, die sich im Sommer fast jede Nacht auf dem Gelände herumgetrieben und auf die Aufforderung, das Gelände zu verlassen, mit der Drohung, alles auseinanderzunehmen, reagiert hätten. Die herbeigerufene Polizei habe nicht viel bewirkt.

Mitte August wurden aus einem Bürogebäude Computer, ein Faxgerät sowie andere Büroeinrichtungsgegenstände gestohlen, am nächsten Tag dann vier Säcke Zement und eine Musikanlage. Die Museumsmitarbeiter bezweifeln, daß die Diebstähle und die Brandstiftung von den Halbstarken allein begangen worden sind. Weil das Museum rechtlich gesehen ein Privatunternehmen ist, war es schon zu mehreren Schutzgelderpressungsversuchen gekommen. Dies soll Aussagen der Mitarbeiter zufolge in Insterburg, wie überall im Lande, nichts Besonderes sein. Die Museumsleitung hat sich jedoch standhaft geweigert, irgend jemandem Schutzgeld zu zahlen. Deshalb vermuten die Mitarbeiter, daß es sich bei der Brandstiftung um einen Racheakt einer Verbrecherbande handelt.

Das Feuer in der Nacht zum 8. Oktober hat fast alles vernichtet, was sich im Museum befand. Dokumentationen, Berichte, alte Möbel, historische Bücher über die Geschichte Ostdeutschlands, Briefwechsel in deutscher Sprache. Wie durch ein Wunder blieben eine deutsche Bibelausgabe und ein schwerer Tisch mit geschnitzten Beinen, auf dem weitere Exemplare der Heiligen Schrift lagen, unversehrt. Dieses Phänomen kam den Feuerwehrleuten mysteriös vor, denn das Feuer hatte mehrere Stunden gewütet. Der Einsatzleiter Nikolai Pilipenko spricht von 37 Tonnen Wasser, die für das Löschen von drei Zimmern benötigt worden seien. Die Temperatur bei einem solchen Brand betrage 500 Grad Celsius. Wegen der Ziegelkonstruktion des Gebäudes gehe die Wahrscheinlichkeit, etwas zu retten, gegen Null. Die Feuerwehrmänner seien in das Gebäude hineingekrochen, um wenigstens die zweite Etage vor den Flammen zu retten. Die Fensterscheiben des letzten Raumes wurden offensichtlich vor dem Eintreffen der Feuerwehrleute zerstört. Benzingeruch war vernehmbar. Die Feuerwehr schließt daraus, daß die Brandstifter Flaschen mit einem Benzincocktail durch die Scheiben geworfen haben.

In derselben Nacht, nur vier Stunden vor dem Brand im Schloß, ereignete sich in einer Gynäkologenpraxis ein ähnlicher Fall. Auch hier brach ein Feuer aus. Die Einrichtung sowie die medizinischen Apparaturen wurden völlig zerstört. Die Geschichte dieses Falls begann kurz vor dem 8. Oktober. Das Ehepaar Fjodorow wurde in seinem Auto von Gangstern überfallen. Mit Gewalt versuchten sie, Geld aus den Taschen der überraschten Opfer zu ziehen. Das Ehepaar konnte sich jedoch erfolgreich gegen den Überfall wehren. Daraufhin beschlossen die Kriminellen, sich an den Fjodorows zu rächen. Eine Flasche mit Brandbeschleuniger flog in die Praxis der Ehefrau, eine andere in einen Keller, in dem sich die Pilzzucht des Ehemanns befand. Das Ehepaar hat dem Verbrechen den Kampf mit friedlichen Mitteln angesagt. Über Regionalzeitungen wandte sich das mutige Paar an alle Bürger, sich den Verbrechern zu widersetzen. Auf die Polizei sei kein Verlaß, weil sie und die Kriminellen unter einer Decke steckten. Die ganze Stadt befände sich am Rande der Anarchie. Zwei Tage nach der Tat sei ein Polizist zu ihnen gekommen, um mitzuteilen, daß die Strafanzeige zu den Akten gelegt würde, weil kein Täter hätte ermittelt werden können.

Schließlich brach auch noch am 13. Oktober in einer Wohnung eines fünfstöckigen Hauses ein Feuer aus, in der ein Insterburger Politiker wohnte.Julian Mühlbacher

Insterburger Schloß: Wurde auch Opfer eines Brandanschlages
 
     
     
 
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