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Verflechtungen und Grenzerfahrungen

 
     
 
In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden bis zum Kriegsbeginn zur Verteidigung der deutschen Ostgrenze umfangreiche Befestigungen gebaut. Besonders stark ausgebaut wurde aus strategischen Erwägungen der Abschnitt zwischen Oder und Warthe (Oder-Warthe-Bogen), nach Süden schloß sich die Oder-Stellung, nach Norden die Pommern-Stellung an.

Es entstanden zahlreiche Verteidigungswerke mit großen Bunker
anlagen sowie einzelne Bunkerwerke, verbunden durch endlose Stollenanlagen. Ausgenutzt für die Verteidigungslinie wurden eine Seenkette und Flußläufe, die mit Stauanlagen und schwenkbaren Brücken versehen wurden.

Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden die Arbeiten eingestellt. Viele der geplanten Anlagen wurden nicht gebaut, andere blieben unvollendet. Gegen Kriegsende war die Linie für die sowjetischen Truppen kein großes Hindernis. Die Anlagen - teils gesprengt, teils völlig intakt - sind heute archäologische Objekte, in Landschaft und Natur eingebettet, Fenster aus der Gegenwart in die Vergangenheit. Viele Anlagen werden inklusive der Stollen touristisch genutzt. Im Sommer 2003 hat Diethard Blaudszun das Gebiet in umfang-reichen Begehungen erkundet, die Wege protokolliert und 148 militärische Objekte fotografiert. Aus seinen Weg-Kartierungen entstand eine Folie von Radierungen, in denen die Lage der einzelnen Objekte markiert ist.

Diethard Blaudszun zu seiner Arbeit: "Ich bewege mich in diesem Projekt in einer Gegenwart durch Reste der Vergangenheit, die in diese Gegenwart hineinragen, und gleichzeitig in einer politischen Gegenwart, in die deutsche Vergangenheit hineinragt: Verflechtung der Geschichte zweier Nachbarvölker. Es ist mein Anliegen, dies sichtbar zu machen."

Eine Ausstellung im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus zeigt jetzt unter anderem Radierungen, Fotoarbeiten sowie eine Installation des gesamten Foto-Archiv-Materials der Begehungen.

Es ist übrigens nicht das erste Mal, daß der in Ostdeutschland geborene Diethard Blaudszun sich in seinem künstlerischen Werk mit Grenzbefestigungen auseinandersetzt. Bereits 1988 hatte er im Rahmen eines Projektes des Bundesverbandes Bildender Künstler, Landesgruppe Baden-Württemberg, zu einem "Waldgang" eingeladen, bei dem alte Grenzbefestigungen als potentielle Skulpturen besichtigt werden konnten. Blaudszun damals: "Was glauben wir zu sehen, als Wirklichkeit zu erfassen? Ich meine: nur Bruchstücke des Tatsächlichen. Ich will Ihnen Bruchstücke zeigen, die routinemäßige Wirklichkeit aufreißen und zersplittern, vielleicht Unsichtbares sichtbar machen (dauernd ist die Kunst damit beschäftigt). Als Zeichner und Radierer bewege ich mich ebenfalls in einem Grenzgebiet. Grenzen also überall und hoffentlich auch Grenzübertretungen und Grenzüberschreitungen." Geboren wurde Diethard Blaudszun am

28. Februar 1941 in Königsberg. Erst relativ spät fand er zur bildenden Kunst, denn nach dem Abitur 1960 studierte er zunächst Pädagogik in Freiburg im Breisgau. 1963 nahm er ein Studium an der Musikhochschule Karlsruhe auf und belegte als Hauptfächer Gesang und Flöte. In Stuttgart legte er schließlich seine Bühnenreifeprüfung ab. In zahlreichen Konzerten trat Blaudszun als Sänger und Flötist auf. 1973 dann begann er, sich intensiv mit der Malerei zu beschäftigen, wandte sich jedoch zwei Jahre später vor allem der Zeichnung und der Radierung zu. Auf vielen Ausstellungen hat Diethard Blaudszun, der auch immer noch die Zeit zum Komponieren fand, seine Arbeiten einer breiten Öffentlichkeit präsentieren können. 1991 wurde der Ostpreuße, der seit 1950 in Baden und im Elsaß lebt und arbeitet, mit dem Förderungspreis zum Lovis-Corinth-Preis der Künstlergilde ausgezeichnet. Mit seinen Radierungen hat er neue Landschaftserlebnisse geschaffen, ist in Räume vorgedrungen, die anderen verborgen lagen. Seine Blätter zaubern eine Welt, von zarten Schleiern durchwebt, die den Betrachter in ihren Bann zieht. Man darf gespannt sein, ob ihm dies auch mit seiner Grenzwanderung gelingt. ghh /os

Die Ausstellung im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstraße 90, ist montags bis freitags von 10 bis 20 Uhr, sonnabends von 10 bis 18 Uhr, bis zum 30. Juli zu sehen.

Diethard Blaudszun: Objekt 59, Panzerwerk 714
 
     
     
 
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