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Verspätete Uraufführung

 
     
 
Ich hoffe, daß sich nach Durchsicht der Partitur Ihr Schrecken wieder legen wird. Es ist ein einfaches, vollkommen unproblematisches Stück ... Vielleicht sind Sie am Anfang ein wenig entsetzt, aber das macht nichts“, schrieb Paul Hindemith (1895–1963) 1923 an den Pianisten Paul Wittgenstein, für den er auftragsgemäß eine Komposition geschrieben hatte. Wittgenstein (1887–1961) aber, der im Ersten Weltkrieg einen Arm verloren hatte, war offensichtlich doch erschrocken, als er die „Klaviermusik (Klavier: linke Hand) mit Orchester op. 29“ las – öffentlich gespielt hat er sie jedenfalls nie. Ja, Wittgenstein, der aus einer der reichsten Familien Österreichs
stammte und es sich leisten konnte, Kompositionen bei Strauss, Britten, Prokofieff oder Ravel zu bestellen, hielt die Komposition von Hindemith zeitlebens unter Verschluß. Andere Pianisten, die Interesse zeigten, wurden harsch abgewiesen, zumal Wittgenstein sich das Alleinaufführungsrecht an der Komposition zu seinen Lebzeiten gesichert hatte.

In seinem Nachlaß, der erst 2002 zugänglich wurde, fand sich schließlich nur eine handschriftliche, allerdings fehlerhafte Kopie der Partitur. Auf abenteuerlichen Wegen gelangte sie in den Besitz der Hindemith-Stiftung in der Schweiz. Aufbewahrt wird sie wie auch der Hindemith-Nachlaß im 1974 eröffneten Hindemith-Institut in Frankfurt am Main. Dort ist man froh, wenigsten diese Kopie zu besitzen; auch konnte man anhand dort befindlicher Skizzen des Werkes die Fehler korrigieren und so das Werk wieder aufführbar machen.

Giselher Schubert, Königsberger des Jahrgangs 1944 und seit 1991 Leiter des Hindemith-Insituts, war es, der die Noten in einer schwach beleuchteten Lagerhalle in New York entdeckte: „Unter den verstaubten Papieren fand ich einige Blätter, die völlig mit dem ersten Teil des Konzerts, den Hindemith in sein Skizzenbuch notiert hatte, übereinstimmten. Außerdem stand auf einem Blatt die Anmerkung: ,Ein Takt fehlt.‘ Diese Passage kannten wir ebenfalls aus den Skizzenbüchern, in denen der fehlende Takt ausgeschrieben war. Damit konnten wir aus den Einzelblättern die Teile des Puzzles zusammensetzen.“

Schubert wertete in einem Interview die Bedeutung des Klavierkonzerts op. 29 im Gesamtwerk Paul Hindemiths: „Gerade in dieser Komposition löst er sich nun nicht nur von der Spätromantik, sondern vor allen Dingen auch vom musikalischen Expressionismus. Er bildet eigentlich erstmals das aus, was man dann später Neue Sachlichkeit genannt hat.“

Mittlerweile ist das Klavierkonzert op. 29 uraufgeführt worden – 81 Jahre nach seiner Schöpfung. In der Berliner Philharmonie stellte der Pianist Leon Fleisher mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Sir Simon Rattle das Werk unter großem Beifall der Öffentlichkeit vor. „Was Hindemith hier schreibt, ist lupenreine ,Neue Sachlichkeit‘, 1923 absolut auf der Höhe ästhetischer Tendenzen in allen Bereichen der Kunst“, schrieb Der Tagesspiegel über das Konzert. Und die Frankfurter Rundschau urteilte: „Der Siebzenminüter ist bester Hindemith der 20er Jahre. Noch ohne die Versüßlichungen seines späteren Mathis-Stils, dessen Fraktur aber man zwar schon spürt, aber es geht hier noch hart zur Sache ...“ Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sieht Hindemith gar als absoluten Musiker in der Nachfolge von Johann Sebastian Bach. Weitere Aufführungen des Klavierkonzerts finden erst im Oktober in San Francisco, in Wien und in Lissabon statt, 2006 sind zwei Aufführungen in Amsterdam geplant. Peter van Lohuizen

Paul Hindemith: Er war einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts.
 
     
     
 
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