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          Wegen der anlaufenden     Parteienpropaganda aus Anlaß der anstehenden Wahl ist es sinnvoll, sich zu vergewissern,     daß das Grundgesetzes jenen Parteien nur eine Beteiligung am politischen     Gestaltungsprozeß eingeräumt hat. Daß Parteien sich so derangieren und in den     Vordergrund schieben, daß die breitere Volksmeinung von der Willensbildung ausgeschaltet     bleibt, zeigt die Preisgabe der D-Mark    an, bei der sich 70 Prozent der Deutschen gegen die     Absicht der derzeit herrschenden Parteien aussprachen. Bei solchen Verwerfungen wächst     naturgemäß bei urteilsfähigen Wählern die Skepsis gegenüber Parteien, die angesichts     des Wahltermins Felder bedienen, die zwar bestellt, aber zumeist nur deswegen beackert     werden, weil man sich Stimmen erhofft.
       So versucht die CDU sich als nationale Partei zu präsentieren, weil sie zufällig auf     dem Regierungssessel saß, als die eigentlich Mächtigen dieser Welt die Vereinigung mit     Mitteldeutschland zuließen. Die CSU, für Bayern unbestreitbar eine solide     Regionalpartei, mußte den Vorstellungen der CDU weichen, die daran festhält, daß die     Bundesrepublik ein Einwanderungsland ist. Gleichwohl versuchen beide Parteien nun den     Eindruck zu erwecken, als sei die Frage des Mißbrauchs des Asylrechts bei ihnen gut     aufgehoben.
       Die PDS übt sich, den faden Blut- und Modergeruch zu verwehen, der ihr als     Nachfolgepartei der SED anhaftet, indem sie unverdrossen rechtsstaatliches Empfinden und     Westbindung betont, während die bislang eigentlich internationalistisch ausgerichtete SPD     den Anschein des national Unzuverlässigen abzustreifen trachtet. Jüngstes Beispiel     dafür war die Rede des für den Fall eines SPD-Wahlsieges als Wirtschaftsministers     vorgesehenen Jost Stollmann in Berlin, der angesichts der zu erwartenden Schwierigkeiten     im Zuge der von der Hochfinanz angestrebten Globalisierung eine deutlich konturierte     nationale Frohbotschaft in die Mitte seiner Verkündigung stellte. Zunächst skizzierte er     treffend den Weltengang mit seinem deutschen Anteil: "Nun können wir Deutschen uns     mit Recht und Befug, ja mit Stolz, rühmen, an vorderster Stelle die heutige Neuzeit     geprägt zu haben. Wo wären wir denn ohne die Gutenbergsche Erfindung... Wo wären wir     ohne die bahnbrechenden Ideen eines Kants, Feuerbachs und Hegels...", um dann daraus     die "historische Chance" abzuleiten, daß die "sozialdemokratische     Regierung unter Gerhard Schröder" "glaubhaft die deutsche soziale     Marktwirtschaft erneuern" kann, weil ihr die Menschen zutrauen, einen "dritten,     pragmatischen Weg zu gehen, der Prosperität durch effiziente Märkte mit sozialer     Marktwirtschaft zusammenführt. Dieser dritte Weg, nicht links, nicht rechts, nicht     ideologisch, sondern pragmatisch wird ein NEUER WEG und ein EIGENER DEUTSCHER WEG sein     müssen." Jene Botschaft hört man wohl, sie atmet den Geist antikapitalistischer     Sehnsucht und verheißt den drittem Weg, doch allein es fehlt der Glaube.
       Weiß Stollmann nicht, daß einen eigenen deutschen Weg zu propagieren, heißt, eine     Kriegserklärung an alle uns umgebenden Mächte auszusprechen. Es heißt den Kampf gegen     die Herausforderungen der Globalisierung aufzunehmen, die unweigerlich den Verlust der     sozialen Marktwirtschaft mit sich bringt. Ernsthaft möglich wäre dies nur mit einem     atomar gerüstetem Bündnispartner. Doch darüber sagt er nichts, Selbst nicht, wie er     allein gegenüber der EU den "deutschen Weg" behaupten möchte. Und dürfte!     Eigenständigkeit setzt Macht und Raffinesse im Umgang mit Mächtigen voraus.
       Stollmann hat eine kühne Vision und eine schwache Kostprobe geliefert, aber ob sie     einem Schröder bekommt? Zugegeben, psychologisch genommen, scheint bei Schröder     Spielraum zu sein, dazu plagt ihn seine Herkunft zu sehr: mal kehrt er den Buben von ganz     unten heraus, mal gockelt er selbstgefällig im feudalen Handkußmilieu Wiens. Diese     läßt Beweglichkeit nach vielen Seiten hin vermuten. Aber auch Härte? Was wird er tun,     wenn die Stunde des Niedergangs des Euro kommt und die Länder der EU, allen voran die     Bundesrepublik, auf den Weg nationaler Unabhängigkeit zurückfinden müssen?
        
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