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Werden und Wachsen einer Metropole

 
     
 
Rechtzeitig zur 750-Jahrfeier der Stadt Königsberg ist es der Staatlichen Kunstgalerie gelungen, sechs Ausstellungen für ihr Haus zu gewinnen. Gemeinsam mit den Leihgebern mußten dabei schier unüberbrückbar erscheinende Widerstände bewältigt werden.

"Blicke von innen und außen" lautet der Titel der ersten Ausstellung. Über die Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius erhielt die Kunstgalerie großformatige Schwarzweißfotograf
ien, die vom Stadtleben innerhalb Königsbergs, also dem pulsierenden Leben in den Straßen, in den Geschäften, am Hafen und am Pregel berichten. Die Fotos wurden mit modernster Technik in bewundernswerter Perfektion auf meterhohe Platten aufgezogen.

"750 Jahre Stadtgeschichte Königsberg, dargestellt in Postkarten, Übersichts- und Teilstadtplänen" lautet der Titel der zweiten Ausstellung. Wie zur ersten Ausstellung passend, stellte die Stadtgemeinschaft Königsberg aus Duisburg Texte und Bildtafeln in den Maßen 50 mal 100 Zentimeter zur Stadtgeschichte zur Verfügung. Auf 20 Tafeln finden sich Teilstadtpläne aus dem Jahre 1931, die von großformatigen Postkarten umgeben sind. Pfeile weisen von der Postkarte auf den jeweiligen Standpunkt im Stadtplan hin. Somit ergibt sich eine Dokumentation des alten Stadtbildes dieser bezaubernden Stadt mit ihren Gebäuden und Plätzen, die aus der Zeit vor der Renaissance bis 1944 stammen.

Unter dem Titel "Werden und Wachsen der Stadt Königsberg" bietet die ebenfalls von der Stadtgemeinschaft Königsberg stammende dritte Ausstellung eine visuelle Chronologie der Stadt Königsberg mit Huldigungen, Faksimiles von wichtigen Dokumenten, Siegeln und weiteren Exponaten. Um die Entwicklung der Stadt aufzuzeigen, stiftete die Stadtgemeinschaft weitere Tafeln zum "Werden und Wachsen" der Stadt. Der Zweite Vorsitzende der Stadtgemeinschaft Lorenz Grimoni hatte eine Auswahl aus dem Bestand des Museums ausgewählt, um damit die fast 700jährige Stadtgeschichte bis 1945 chronologisch mit Texten, Bildern und Karten darzustellen.

Den einen oder anderen mag es verwundern, daß diese drei Ausstellungen derzeit in der Kunstgalerie stattfinden und nicht in einem Geschichtsmuseum. Die Direktorinnen Kozebenkowa und Zabolotskaya haben erkannt, daß die künstlerisch-bildliche Darstellung des stadtgeschichtlichen Themas maßgeblich auch zur Geschichtsbewältigung beitragen kann. So erfreuten sich gerade die beiden letztgenannten Ausstellungen der Stadtgemeinschaft sofort nach Öffnung der Türen einer großen Resonanz von Schulen, Vereinen und der Universität.

"Königsberger Kunstakademie im 19. und 20. Jahrhundert" ist die vierte Ausstellung betitelt. Bis Ende Juli war nicht vollends sicher, ob diese ebenfalls von der Stadtgemeinschaft stammende Ausstellung unter diesem Titel verwirklicht werden könne. So waren zwei Anläufe erforderlich, die Grenze zwischen der Republik Polen und der Russischen Föderation zu passieren. Unter den insgesamt 130 ausgeliehenen Bilder waren Werke der Maler Fritz Baedelt, Erich Berendt, Eduard Bischoff, Lovis Corinth, Ludwig Dettmann, Julius Freymuth, Käthe Kollwitz, Rudolf Krauskopf, Vala Lamberger, Max Lindh, Kurt D. Losch, Marianne Mangold-Nienhaus, Helene Neumann, Karl Storch d.Ä., Daniel Staschus, Emil Stumpp und Heinrich Wolff. All diese Bilder repräsentieren Königsberg, das mittlere Ostdeutschland, also überwiegend das Samland und die Kurische Nehrung, über einen Zeitraum von exakt 100 Jahren ab der Gründung der Kunstakademie im Jahre 1844.

Wie die Auswahl der Bilder bereits vermuten läßt, kommen überwiegend die Schüler der Akademie zur Geltung. Der Versuch, weitere Bilder beispielsweise von Carl Steffeck aus der Alten Nationalgalerie in Berlin auszuleihen, scheiterte (trotz großen Entgegenkommens seitens der Berliner Galerie) an den widrigen Umständen des Transportes und Versicherungsfragen, letztendlich auch an den damit verbundenen extrem hohen Kosten. Die Bilder stammen daher überwiegend aus dem Museum Stadt Königsberg in Duisburg, aber auch aus dem Archiv der Franz-Neumann-Stiftung in der Stiftung Königsberg (Bilder von Helene Neumann, Ludwig Dettmann und H. Wolff) sowie von der Familie J. Artz in Berlin (Kurt-Losch-Bilder, Film über die Kunstszene Preußens im allgemeinen und Berlins im besonderen zur Zeit Loschs). Zu dieser Ausstellung wurde von der Kunstgalerie, im Zusammenwirken mit Grimoni und Neumann-Redlin von Meding, ein Katalog erstellt, der auch auf die Geschichte der Kunstakademie eingeht. Dieser Katalog ist über die Geschäftsstelle der Stadtgemeinschaft, E-Mail: geschaeftsstelle@stadtgemeinschaft-koenigsberg.de , erhältlich.

Waren in dieser Ausstellung zum Thema Kunstakademie nur drei Bilder von Lovis Corinth vertreten, so präsentierte die Zeit-Stiftung bereits am 1. Juli eine ausschließlich Lovis Corinth gewidmete Ausstellung, die einen ganzen Raum ausfüllte. Bereits das erste Bild mit dem Titel "Sünd-Flut" charakterisiert die Problematik, die Corinth mit der Königsberger Kunstakademie hatte. Er war hier zunächst ein krasser Außenseiter, der, seiner Zeit voraus, mit bizarren Strichen beispielsweise weibliche Akte in drastischer Darstellung zu Papier brachte. In der Stadt Königsberg galt er daher zunächst als "wilder Mann". Erst nach seiner Münchener Phase, nach Paris, Antwerpen und nach hoher Anerkennung in Berlin, kam es zur Rehabilitation seiner Person und seiner Werke im als konservativ bekannten Königsberg.

Von der Familie Mollenhauer stammte eine Ernst-Mollenhauer-Ausstellung. Es sei lobend hervorgehoben, daß die Nachfahren Ernst Mollenhauers keine Mühe (und auch kein Geld) gescheut haben, große, überwiegend gerahmte Gemälde aus der Hand dieses großen ostdeutschen Malers in die Kunstgalerie nach Königsberg zu schaffen. Zur Aufnahme dieser herrlichen Ölgemälde wurde ein heller Raum zur Verfügung gestellt. Ernst Mollenhauer lernte 1913 und 1914 an der Kunstakademie. Er ist aber nicht so sehr über die Akademie, sondern mehr über die Künstlerkolonie Nidden bekannt geworden, wo er lange Jahre lebte und arbeitete.

Der Vollständigkeit halber sei hier angefügt, daß die Stadtgemeinschaft Königsberg zwei weitere Ausstellungen in Königsberg organisierte. Über die Naturwissenschaftliche Ausstellung in der Universität wurde bereits in der Folge 29 berichtet. Eine weitere von Grimoni konzipierte Ausstellung im Deutsch-Russischen Haus mit dem Titel "Königsberger Demokraten im 19. Jahrhundert" handelt auf großformatigen Tafeln analog zur zweit- und drittgenannten Ausstellung überwiegend das Leben für Königsberg und darüber hinaus wichtiger Persönlichkeiten ab. Der Reigen reicht von Johann Jacoby über Eduard von Simson und Albert Dulk bis Carl Friedrich Goerdeler.

Für alle diese Ausstellungen zeichnete sich bereits nach ihrer Eröffnung ein reges Interesse des Publikums ab. Hierbei steht das Interesse der heutigen Bewohner dem Nostalgie-Empfinden der deutschen Königsberger in keiner Weise nach. Das findet auch in den Exponaten seinen Ausdruck. So trägt aus dem Besitz eines russischen Bürgers ein Bild von Maria Seeck zum Gelingen der Kunstakademie-Ausstellung bei. Insofern erfüllt die Kunstgalerie eine zukunftsweisende Aufgabe im 750. Jahre des Bestehens der Stadt: Anerkenntnis und Bejahung der deutschen, europäischen Geschichte und Übernahme der Kulturpflege Königsbergs seitens der neuen Generation der russischen Bevölkerung. Dafür sei ihr gedankt. Eberhard Neumann-Redlin von Meding

 

Eröffnung der Ausstellung "Königsberger Kunstakademie im 19. und 20. Jahrhundert": Die Direktorin der Kunstgalerie Galina Zabolotskaya (Mitte) mit Lorenz Grimoni (links von ihr) und Dr. Eberhard Neumann-Redlin v. Meding (rechts von ihr) Foto: Neumann-Redlin v. Meding
 
     
     
 
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