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Wie berühmte Ostdeutschland einst Weihnachten feierten

 
     
 
Weihnachten - kaum eine Zeit im Jahr wird von den Menschen so sehr verklärt wie diese Tage im Dezember. Die Gedanken wandern zurück in die Kindheit. Man erinnert sich daran, wie es war, wenn Vater und Mutter plötzlich verstummten, betrat das Kind das Zimmer. Die Geschwister tuschelten miteinander, saßen mit roten Wangen und heißen Händen an einer Bastelarbeit, die dann urplötzlich verschwinden mußte, sollte die Mutter den Raum betreten. Süße Heimlichkeiten allerorten, aber auch Neugier und Spannung. Was würden das Christkind, der Weihnachtsmann
bringen? Und dann diese Düfte, die durch das Haus zogen! Plätzchen, Marzipan, Orangen und natürlich auch der Gänsebraten, sie gehörten zum Weih-nachtsfest einfach dazu. Nicht zu vergessen der Tannenbaum, der mit seinen grünen Zweigen und dem bunten glitzernden Schmuck die Stube erst in ein festliches Weihnachtszimmer verzauberte.

Das Fest der Herzen hat immer wieder auch Dichter und Schriftsteller inspiriert, hat sie zur Feder greifen lassen und sie an die eigene Kindheit erinnert. Der Königsberger Walter Scheffler (1880- 1964), der „olle Walter von der Laak“, wie er sich selbst nannte, weiß von einem Weihnachtsfest zu berichten, als die Eltern vergessen hatten, rechtzeitig einen Tannenbaum zu besorgen. Für vier Dittchen gelang es schließlich doch noch, ein mickriges Bäumchen auf dem Roßgärter Markt zu ergattern. Die Zweige waren nur spärlich verteilt, doch man nahm ihn mit. Der Händler hatte noch großzügig ein paar Tannenzweige mitgegeben, die sollten Vater und Sohn zu Hause nachträglich befestigen. „Mit Hilfe von Säge, Bohrer und Leim“ ist es dann doch noch „ein netter Weihnachtsbaum“ geworden.

Ernst Wiechert (1887-1950) aus dem Forsthaus Kleinort im Kreis Sensburg begann bereits im Frühjahr nach einem geeigneten Weihnachtsbaum Ausschau zu halten. „Und ich glaubte ihn dann gefunden zu haben, manchmal früh, manchmal spät im Jahr - denn die alten Waldleute pflegten zu sagen, einen richtigen Weihnachtsbaum zu finden sei mindestens ebenso schwer wie die richtige Frau zu finden -, so konnte ich ein paarmal in der Woche vor ihm sitzen, der noch durch nichts über seine Umgebung erhoben war, und mir vorstellen, wie ich ihn auf dem Rücken heimtragen und wie das Fest unter seinen Zweigen sein würde.“ Diese Freude wurde dem jungen Wiechert auch nicht vergällt, als einmal ein zorniges Wildschwein unter dem erwählten Baum her- vorstob.

„Tierisch“ ging es an einem Weihnachten auch im Hause Miegel zu. Als nämlich „etwas Schwarzes, Ruscheliges und sehr Winziges“ in den Raum stürzte und der kleinen Agnes ihren Herzenswunsch erfüllte: „Was Lebendiges.“ Mohrchen wurde der schwarze Pinscher genannt; er blieb 15 Jahre in der Familie und erhielt sogar einen eigenen kleinen Tannenbaum, festlich geschmückt mit einem Paar Würstchen. Agnes Miegel (1879-1964) aber hatte auf ihrem Bunten Teller anstelle eines Marzipanherzens - „mein besonderer Wunsch - einen kleinen Käse in Silberpapier“, das jedenfalls gestand sie einmal einem guten Freund.

Lovis Corinth (1858-1925) hingegen liebte Süßigkeiten aller Art. regelmäßig zu Weihnachten erhielt er von Otto Hermann Claass, Kunsthändler und begeisterter Corinth-Verehrer aus Königsberg, eine Marzipantorte von Plouda. Einmal gar malte er eine solche Torte; das 1924 entstandene Bild befindet sich heute im Westfälischen Landesmuseum in Münster. Ein anderes Geschenk wird dem Meister aus Tapiau eine ganz besondere Freude bereitet haben, hat er es doch lange Zeit in Ehren gehalten. Tochter Wilhelmine (1909-2001) schenkte ihm zu Weihnachten 1922 ein in Batik-Papier eingebundenes Skizzenbuch, selbstgefertigt im Schulunterricht. Und er nutzte dieses Buch „auf die entzückendste und liebevollste Weise, die ein Vater und großer Künstler seiner Tochter nur zeigen kann“: rasch hingeworfene Skizzen aus dem Alltagsleben der „vier Corinther“, von den sie umgebenden Tieren und der Landschaft am Walchensee, wo die Familie die Ferien verbrachte, fanden Aufnahme in dem Büchlein, ein „Dokument der umfassenden Liebe eines Vaters, der allem voran stets ein Künstler blieb.“ - Weihnachten, ein Fest der Liebe, auch bei den Prominenten von einst.

Lovis Corinth: Weihnachtsbescherung (Öl, Ausschnitt, 1913; im Besitz der Neuen Galerie der Stadt Linz)

 
     
     
 
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