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Zeitgeist statt eigener Geist

 
     
 
Die "Deutsche Jugend des Ostens" – heute "DJO-Deutsche Jugend in Europa" – feiert in diesem Jahr ihr 50jähriges Bestehen. Einst wichtiger Dachverband ost- und auslandsdeutscher Jugendgruppen, fristet sie mittlerweile ein Schattendasein. Gezeichnet von der ganzen Palette moderner politischer Korrektheit, prägen antinational
e Einstellungen und multikulturelle Utopien ihre Selbstdarstellung.

Vom 30.5.-7.6. findet nun aus Anlaß des Jubiläums in Duderstadt ein großes internationales DJO-Jugendfest statt. Welcher Gedanke kommt Ihnen dabei in den Sinn, Herr Danowski?

Danowski: Das wird sicherlich ein "buntes Fest" werden, ein folkloristisches Ereignis – allerdings ohne ostdeutsche oder auch nur gesamtdeutsche Aussage.

Welche Erinnerungen haben Sie persönlich an die frühere DJO? Wie sahen deren Arbeitsschwerpunkte aus?

Danowski: Die DJO in der Zeit von 1950 bis mindestens Mitte der 60er Jahre war ein bedeutender Jugendverband, durch den Hunderttausende von Jugendlichen geprägt wurden. Vor allem waren es heimatvertriebene junge Leute, aber natürlich auch heimatverbliebene.Zunächst einmal stand die Kultur- und Brauchtumspflege der in der DJO vertretenen freundschaftlichen Gruppen im Vordergrund der Arbeit. Hinzu kam das bündische, an den Formen der deutschen Jugendbewegung orientierte Element. Ich bin 1946 geboren und kann mich noch gut an die Zeltlager erinnern, die ich als kleiner Junge miterlebt habe: Das war Fahrtenromantik pur mit Lagerfeuern und Volksliedern. Modern ausgedrückt könnte man von Erlebnispädagogik sprechen. Der dritte Pfeiler war ein klares gesamtdeutsches und heimatpolitisches Bekenntnis. In der früheren "Gemeinschaft Junges Ostdeutschland" (GJO), der ich angehörte, wurde auch ausgesprochen politische Arbeit betrieben – mit eigenen Denkschriften und Flugblattaktionen. Dies ging bis zu der Zeit, als die reine Brauchtumspflege immer mehr in den Vordergrund trat und sich schließlich bis 1991 die "Junge Freundeskreis Ostdeutschland" (JLO) aus der unpolitisch gewordenen GJO entwickelte.

Inwieweit gab es über die DJO eine Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen freundschaftlichen Jugendgruppen?

Danowski: Man war vor allem an die eigene freundschaftliche Herkunft gebunden und suchte nicht so sehr das Gemeinsame. Zwischen den verschiedenen Jugendgruppen gab es eine lockere partnerschaftliche Verbindung, die nicht dazu angetan war, die DJO auch an der Basis zusammenzuschmelzen. Selbst Seminare liefen meist auf der jeweiligen freundschaftlichen Schiene ab. Diese Konstellation stellte schon damals eine gewisse Schwäche des Dachverbandes dar, der erst später eine gewisse Bedeutung gewann. Doch auch dann blieb die DJO im großen und ganzen ein von "oben" zusammengeschnürter Verband, an dessen Spitze Berufsfunktionäre standen, die im Laufe der Zeit in ihrem Amt ergraut waren.

... und die wahrscheinlich mit allen Mitteln an ihren Pfründen festhielten?

Danowski: Ja, so war es leider. Als Mitte der 60er Jahre im "Spiegel", im "Stern", in der "Zeit", vor allem aber in Fernsehen und Rundfunk die Medienschlacht gegen die gesamtdeutschen und heimattreuen ostdeutschen Kräfte einsetzte, die schließlich zum Regierungswechsel von 1969 und dann auch zum Warschauer und Moskauer Vertrag führte, begannen sich bei den Vertriebenen selbst die Formationen zu ordnen. Der Verzicht auf Ostdeutschland wurde schon damals von den Bonner Mächtigen signalisiert, auch wenn dies verfassungsrechtlich zunächst nicht durchsetzbar war. Auf jeden Fall nahmen auch auf die DJO der parteipolitische Druck, der Druck des Zeitgeistes sowie finanzielle Zwänge erheblich zu. Die an der Spitze stehenden, von der Basis weitgehend isolierten Berufsfunktionäre fürchteten um ihre wirtschaftliche Existenz und waren bereit, die heimatpolitischen Ziele in den Hintergrund treten zu lassen, um – überspitzt formuliert – nur noch Volkstanz zu betreiben.Die Deutsche Jugend des Ostens ist damit symptomatisch für eine allgemeine Tendenz bei den Freundeskreisen: Zunächst gibt es ein klares heimatpolitisches und gesamtdeutsches Bekenntnis, dann wird dieses über die Medien kritisiert, man knickt ein und äußert sich immer vorsichtiger und dann gar nicht mehr im Sinne der eigentlichen Vorstellungen. Das letzte Stadium ist ein neues politisches Bekenntnis, bei dem der Zeitgeist voll zum Tragen kommt. Denn wo kein eigener Geist mehr vorhanden ist, tritt der Zeitgeist an die Stelle. Bei der DJO bildete die 1974 vollzogene Namensänderung in "Deutsche Jugend in Europa" den Schlußpunkt. Man hatte sich vor diesem Schritt, den ich bei der entscheidenden Abstimmung als Delegierter der Gemeinschaft Junges Ostdeutschland selbstverständlich ablehnte, inhaltlich längst von den Freundeskreisen getrennt.

Folgerichtig verließen die politischeren Mitgliedsgruppen wie die Schlesische Jugend, die Oberschlesische Jugend oder die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend die DJO, während diese ihrerseits 1990 aus dem Bund der Vertriebenen austrat. – Bestehen vor diesem Hintergrund heute seitens des "Bundes Junges Ostdeutschland" überhaupt noch Verbindungen zur DJO?

Danowski: Nein, wozu auch. Es fehlt einfach die gemeinsame Basis. Überhaupt tritt die DJO heute kaum mehr in Erscheinung. Sie lebt weitgehend von finanzierten Maßnahmen. So finden Fahrten nach Palästina oder Ost-Anatolien statt, die von der öffentlichen Hand großzügig bezuschußt werden, während etwa für Seminare über Schlesien in der Bundesrepublik schwerlich Gelder zu bekommen sind.

Wurden Chancen vertan, die DJO heimatpolitisch auf Kurs zu halten?

Danowski: Der Einfluß der Freundeskreisen und des BdV auf ihre Jugendverbände war zu schwach. Man hatte sich nicht genug um sie bemüht und nachteilige Tendenzen einfach hingenommen.Diese Mitschuld setzte sich dann sogar noch fort, indem man sich nicht darum kümmerte, den Jugend-Dachverband DJO wenigstens partiell zurückzugewinnen. Man hätte, und das ist das größte Versäumnis, einen neuen Dachverband aus der Taufe heben müssen. Im übrigen ist das bis heute nicht geschehen. Wir Ostdeutschland haben das des öfteren vergeblich angemahnt.

Gibt es wenigstens Pläne, diesen Fehler bald wettzumachen?

Danowski: Der Kontakt der älteren BdV-Spitze, aber eben auch der Freundeskreisen, zur Jugend, war immer unzureichend, das Interesse für Jugendpolitik fehlte. Die Freundeskreis Ostdeutschland ist hier eine rühmliche Ausnahme. Der sonst verdienstvolle Präsident Czaja hat da nichts getan und sein Nachfolger Wittmann schon gar nicht. Das einzige, was dieser zugelassen hat, war die "Arbeitsgemeinschaft Junge Generation" – ein lockeres Diskussionsforum, das in keiner Weise einen Ersatz für einen gesamtdeutschen Jugendverband darstellt, wie er uns so sehr fehlt. Hier tut sich ein Aufgabenfeld auf, bei dem die neue Vorsitzende Erika Steinbach Initiativen in Gang bringen könnte und sollte.

Hat ostdeutsche Jugendarbeit heute überhaupt noch eine Zukunft?

Danowski: Da bin ich sehr optimistisch. Die Voraussetzungen, die wir seit der Wende im ostdeutschen Bereich haben, sind fast optimal. Die Heimat ist in vollem Umfang zugänglich. Man trifft dort auf Menschen, die teilweise ein besseres Verständnis von Heimatliebe und vom Kontaktbedürfnis der Ostdeutschen zu ihren Herkunftsgebieten haben als mancher Politiker bei uns. Es liegt jetzt an uns, die vielen Möglichkeiten zu nutzen und speziell jüngere Deutsche zu Aktivitäten anzuregen.Die ostdeutsche Jugendorganisation tut dies im übrigen gerade, indem sie auch in diesem Jahr wieder Pfingst- und Sommerlager in Ostdeutschland veranstaltet – mit jeweils 50 bis 100 Teilnehmern. Dort verbinden sich Natur- und Heimatliebe, Geschichts- und Kulturinteresse sowie Lagerfeuerromantik zu einem Gegenentwurf zur propagierten US-Jugendkultur.

Sind auch junge Polen mit dabei?

Danowski: Ja, zusammen mit Heranwachsenden aus der in Ostdeutschland verbliebenen deutschen Volksgruppe nehmen dort auch deren polnische Freunde teil. Außerdem sind konkrete gemeinsame Projekte mit polnischen, russischen und litauischen Jugendverbänden in Arbeit. – Ohne unsere heimatpolitische Identität aufzugeben, leisten wir so einen guten Dienst für die Verständigung in der gemeinsamen "Euroregion Prussia".

Welche grundsätzlichen Ratschläge in bezug auf Inhalte und Formen würden Sie den Jugendorganisationen von Schlesiern, Sudetendeutschen, Siebenbürgern usw. auf den Weg geben?

Danowski: Vor allem die Besinnung auf die eigene ost- bzw. gesamtdeutsche Kompetenz. Der "Markt" ist da, man muß sein Angebot nur öffentlich machen und überzeugend vertreten. Wir haben die große Chance, in der Bundesrepublik als "Marktführer" zu wirken und die Zukunft in unseren ost- und auslandsdeutschen Heimatgebieten erfolgreich mitzugestalten.

 

Dr. Jürgen Danowski (Jahrgang 1946) ist Mitglied des Bundesvorstandes der Freundeskreis Ostdeutschland. Das Gespräch mit ihm führte Martin Schmidt.

 
     
     
 
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