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Zuhause gelten Propheten nichts

 
     
 
Gesetzt den Fall, Sie hätten den Preis für die beste journalistische Arbeit im Jahre 2000 in Deutschland zu vergeben, möchte ich Ihnen dafür einen Vorschlag machen. Am Silvestertag des nun vergangenen Jahres las ich in der "Welt am Sonntag" den Beitrag von Josef Nyary mit der Überschrift "Nirgends hat der Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat (Matthäus 13,57)". Dieser Beitrag hätte diesen Preis verdient. Warum?

Eindrucksvoll entlarvt darin Nyary die "Political Correctness
", die wie Mehltau auf unser Land gelegt wurde. Am Beispiel von vier großen Deutschen des vorigen Jahrhunderts – des Bildhauers Arno Breker, des Feldmarschalls Erwin Rommel, des Philosophen Ernst Jünger und der Regisseurin Leni Riefenstahl – stellt Nyary ausländische Stimmen, Urteile und Bewertungen den kleinkarierten Beschimpfungen gegenüber, die in Deutschland mit Blick auf diese Persönlichkeiten gang und gäbe sind.

Über Breker notiert Nyary nicht nur den Ausruf Salvador Dalis: "Genial, genial", sondern auch, daß Roger Peyrefitte ihn in die Reihe der "großen Erleuchteten von Phidias, Praxiteles, Rodin und Maillol" gestellt habe. Brekers Lehrer Aristide Maillol selbst nenne ihn den "deutschen Michelangelo" und Jean Cocteau sage: "Seine Plastiken gehören zu den unvergänglichen Werken, die einen das ganze Leben erfreuen". In Deutschland hingegen gelte Breker als "Nazi-Bildhauer" ("Vorwärts"), "Mittelmaß" ("Sonntagsblatt"), "ein Plastiker wie Dutzende " ("Süddeutsche Zeitung"). Der "Spiegel" meine gar: "Leere Muskelprotzerei".

Ähnlich bei Rommel. Winston Churchill sagte über ihn: "Ein großer Heerführer". Das Verteidigungsministerium in London habe 1980 zu einem Foto Rommels in einem Werbe-Poster geschrieben: "Die britische Armee sucht jugendlichen Nachwuchs mit den Qualitäten dieses Mannes" und der Militärhistoriker Desmond Young 1994 zu Rommel festgestellt: "Heldenhafter Patriot ... aufrechter Gegner Hitlers ..., Symbol für Ritterlichkeit, Anstand und Tapferkeit". Aber für die "Süddeutsche Zeitung" sei Rommel 1979 der "Typus des wild gewordenen Spießers" gewesen und für das "Biographische Lexikon zur Deutschen Geschichte" ein "aktiver Verfechter faschistischer Theorien". Ralph Giordano habe über Rommel gesagt: "Es gibt keine persönliche Integrität für den, der in solchen Höhen einem Verbrecher so lange, so erfolgreich und so hingebungsvoll gedient hat."

Jünger sei 1995 in der "Times" als "Jahrhundertdenker" und schon fünfzehn Jahre vorher im "Figaro" als einer "der größten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts" gefeiert worden. "Eine Persönlichkeit von europäischem und weltweitem Rang" sei Jünger 1995 für den Präsidenten des spanischen Senats Juan Jose Laborda gewesen. Im selben Jahr habe der französische Präsident Mitterand über Jünger gesagt: "Wenige Werke sind mannigfaltiger, wenige Geister beweglicher. Erbe Goethes, Hölderlins, Nietzsches, aber auch Stendhals, verbindet Jüngers Denken den Reichtum der Aufklärung mit dem der Romantik ..." Der "Spiegel" hingegen meinte über Jünger schnodderig: "Zackiger Flaneur des Zeitgeistes" und Walter Jens flegelte über Jünger: "Falsche Bilder ..... hohle Metaphern .... Kitschpassagen." Die Süddeutsche Zeitung befand: "Ihm fehlt ein eigenes selbständiges Stilgefühl". Die "Zeit" rutschte aus: "Seine Marmorklippen" sind so dick mit Frischkäse bestrichen, daß jeder Leser rutscht und sich die Füße bricht".

Schließlich zu Leni Riefenstahl: Nyary verwies auf die Aussage von George Lucas: ,Für Krieg der Sterne‘ habe ich verschiedene Bildwirkungen aus ,Triumph des Willens‘ ausprobiert. Diese Frau ist für mich auch heute noch die modernste Filmemacherin" und ähnlich John Simon in der "New York Times": "Die größte weibliche Filmemacherin, die je gelebt hat". Jodie Foster schließlich habe gesagt: "Es gibt im 20. Jahrhundert keine andere Frau, die so verleumdet wurde". Beispielsweise von der "taz": "Einfach nur doof", von Harald Schmidt in SAT 1: "Nazi-Matratze" und von der "Frankfurter Rundschau": "Reichsgletscherspalte". Für Margarete Mitscherlich sei die Riefenstahl 1987 im "Stern" der "Prototyp einer Frau" gewesen, "die sich phallisch-narzistischen Werten bedingungslos hingab" und für Fritz Raddatz in der "Zeit" eine "Hofschranze".

Nyary teilt auch mit, was jeder wissen könnte, wenn er denn nur wolle: daß man den vier von ihm genannten Deutschen persönlich keine ideologisch motivierten Verbrechen vorwerfen kann: Rommel sei von Hitler zum Selbstmord gezwungen worden, Jünger habe alle Anwerbungsversuche der Nationalsozialisten zurückgewiesen. Breker wie Riefenstahl seien nach dem Krieg als "Mitläufer" eingestuft worden. Doch darauf kommt es bekanntlich den "Post-68er" - Meinungsmachern gar nicht an: sie leben von der Geschichtslosigkeit - und das gar nicht schlecht.

 
     
     
 
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