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Abseits gängiger Klischees

 
     
 
Schlaganfälle können Folgen haben, die weit über das betroffene Individuum hinauswirken. Im Fall von Ariel Scharon scheint dies offenkundig, denn wenn im Hauptkrisengebiet unserer Tage ein Hauptakteur ausfällt, muß sich einiges ändern. Oder auch nicht – ist doch das Nahost-Problem derart komplex, daß Voraussagen meist fragwürdig bleiben.

Schlaganfälle haben natürlich auch Ursachen – bei Scharon dürften diese selbst für Laien unübersehbar gewesen sein. Doch darüber hinaus bedarf es eines Auslösers, und der ist im gegebenen Fall weit mehr als eine klinische Angelegenheit. Was in den Stunden vor dem Kollaps
geschah – und sogleich wieder aus den Schlagzeilen verschwand – liefert nämlich interessante Einblicke in persönliche Rivalitäten, in das wechselhafte israelische Parteien-Spektrum und in Auslandsbeziehungen völlig abseits gängiger Klischeevorstellungen.

Was geschah also am Tag vor dem Schlaganfall? Der israelische Privatsender „Kanal 10“ veröffentlichte im Abendprogramm ein Polizei-Dokument, das Scharon schwer belastet. Es geht um alte Vorwürfe wegen illegaler Parteienfinanzierung und privater Vorteilsnahme, diesmal jedoch mit neuem Material über Scharons „Österreich-Connection“. Demzufolge soll Scharon vom österreichischen Multimillionär Martin Schlaff drei Millionen US-Dollar erhalten haben. Im Jerusalemer Haus von Schlaffs Eltern waren Ende Dezember entsprechende Dokumente und Computer sichergestellt worden. Schlaff ließ Bestechungsvorwürfe kategorisch dementieren – und ist damit glaubwürdig: Wie aus den USA und anderen Ländern bekannt ist, spendet man ab einem gewissen Kontostand sowieso an alle Seiten und geht auf Nummer sicher.

Der „Kanal 10“ gehört Ronald Lauder, dem Erben des Kosmetik-Imperiums von Esté Lauder. Den Österreichern ist Lauder als US-Botschafter während der Waldheim-Zeit in Erinnerung – und als Einkäufer von Kunstwerken, für die andere kaum eine Ausfuhrgenehmigung erhalten hätten. Lauder ist aber auch Hauptfinanzier von Benjamin Netanjahu, dem Erzfeind Scharons im Likud-Block. Und Netanjahu ist ein Hauptgrund dafür, daß Scharon mit dem „roten“ Shimon Peres die neue Partei Kadima gründete. Und am 28. März wird gewählt ...

Schlaffs unscheinbares Büro befindet sich im gleichen Gebäude, in dem auch viele Osthandels-Agenturen untergebracht sind oder waren – darunter die „Novum“ der SED. Schlaff hatte immer schon beste Ostkontakte, was nach der Wende nur noch nützlicher wurde. So etwa erwarben er und andere österreichische Investoren, unter ihnen die Gewerkschaftsbank BAWAG und Ex-ÖVP-Chef Taus, die bulgarische „Mobitel“, um sie mit hohem Gewinn an die „Mobilkom Austria“ weiterzuverkaufen. Schlaff hatte aber auch ausgezeichnete Kontakte zu Arafat. Und er ist Miteigentümer des Spielkasinos von Jericho – gemeinsam mit der „Casinos Austria AG“, der BAWAG und der palästinensischen Autonomiebehörde. In dem Kasino frönten spielwütige Israelis ihrer daheim verbotenen Leidenschaft und finanzierten so unter anderem den Arafat-Klan. Bis das Kasino im Herbst 2000 wie zufällig beschossen wurde und seither geschlossen ist. Schlaff soll knapp daran gewesen sein, von Scharon grünes Licht zur Wiedereröffnung zu erlangen.

Laut israelischen Quellen war Schlaff auch maßgeblich an der Aufhebung der Österreich-Sanktionen beteiligt, die von Israel erst im Juli 2003 beendet wurden. Politische Gegner behaupten folglich, Scharon habe sich die Normalisierung der Beziehungen abkaufen lassen – eine Version, die indirekt den Erpressungscharakter der Sanktionen belegen würde. Andererseits beschuldigt man Österreich, die Aufhebung dadurch erkauft zu haben, daß das Rechtshilfeansuchen der israelischen Justiz in der Causa Scharon abgewiesen wurde – „mangels entsprechender Verdachtsmomente“. Es ist eben eine Causa, in der österreichische Behörden nur Kritik ernten können. Seit Dezember 2004 wird zwar kooperiert, aber nach dem Schlaganfall dürfte das Verfahren ohnehin eingestellt werden.

Was die Zukunft betrifft, ist nur eines sicher: Bei den palästinensischen Wahlen wird die Hamas deutlich zulegen – als einzige Kraft, die bisher nicht in Korruption verwickelt scheint. Das Kalkül Scharons bezüglich des Abzugs aus dem kostenintensiven Gaza ist jedenfalls aufgegangen: Der Haushalt ist den Klotz am Bein los, der innerisraelische Widerstand blieb symbolisch, die Entschädigung der „Siedler“ erfolgte größtenteils durch „Spenden“ des Auslands, die Weltöffentlichkeit sieht darüber hinweg, daß im Westjordanland Mauerbau, Siedlungsbau, Enteignungen und Vertreibungen unvermindert weitergehen, und die Palästinenser zerfleischen sich untereinander.

Illegale Finanzierung sowie private Vorteilsnahme

Israelis sponserten unbewußt den verhaßten Arafat-Klan
 
     
     
 
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