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Autobahnen in die Zukunft

 
     
 
Schon seit den Römern gehören befestigte Straßen zu den wichtigsten Möglichkeiten, Länder und Menschen enger miteinander zu verbinden. Doch im heutigen Zeitalter der Massenmobilität, in dem das Auto nicht nur zum "liebsten Kind" vieler Deutscher geworden ist, hat die Bedeutung der Straße wohl ihren Höhepunkt erreicht.

Es ist bezeichnend für die Wirtschaftskraft
und Effizienz, aber auch für die ideellen Defizite der heutigen Bundesrepublik Deutschland, daß nach dem Mauerfall die schnellsten inner- deutschen Fortschritte im Straßenbau zu verzeichnen waren. Auch was die engere Anbindung der Staaten Ostmittel- und Osteuropas an den westlichen Teil des Kontinents nach der Zäsur von 1989 betrifft, genießt der Ausbau das Straßennetzes Vorrang vor anderen infrastrukturellen Maßnahmen.

Im Jahr 1996 passierten allein 45 Millionen Pkw und 1,75 Millionen Lkw mit insgesamt rund 122 Millionen Insassen die Grenze zwischen der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland.

Nachrichten über endlose Staus in Frankfurt/Oder und Forst wurden zur Gewohnheit und unterstrichen die Notwendigkeit, weitere Übergänge und modernere Fernstraßen zu schaffen.

Der Europäische Rat einigte sich im Dezember 1994 auf besonders förderungswürdige "Transeuropäische Netzte" (TEN), und die Verkehrsminister der vertretenen Staaten setzten für verschiedene das östliche Mitteleuropa betreffende sogenannte "Kreta-Korridore" (Straße und Schiene) einen Planungsrahmen fest. Wegen der schwierigen Finanzierungslage werden bis heute Vorhersagen darüber, wann welches Vorhaben umgesetzt sein soll, in der Regel vermieden. An dieser Stelle sollen vor allem die Korridore I, II, III, IV, VI und IX in den Blick genommen werden. Bei einigen von diesen sind noch folgenschwere Entscheidungen über die endgültige Streckenführung zu treffen.

Im einzelnen geht es um eine bessere Verbindung folgender Städte:

Korridor I: Helsinki – Reval – Riga und auf verschiedenen Strecken Kauen (litauisch: Kaunas) und Warschau bzw. Königsberg und Danzig

Korridor II: Berlin – Warschau – Minsk – Moskau

Korridor III: Berlin bzw. Dresden – Warschau – Kattowitz bzw. Krakau – Lemberg – Kiew

Korridor IV: Dresden bzw. Nürnberg – Prag – Preßburg bzw. Wien – Raab – Budapest – Arad – Bukarest – Constanza (und als weitere Fortführung von Arad nach Craiova – Sofia und Plovdiv – Istanbul bzw. Thessaloniki)

Korridor VI: Danzig – Kattowitz – Sillein (slowak.: Zilina)

Korridor IX: Helsinki – St. Petersburg – Moskau bzw. Pleskau – Kiew – Minsk und Wilna bzw. Ljubasevka – Kauen – Memel bzw. Königsberg (darüber hinaus ist von Ljubasevka die bessere Anbindung der moldawischen Hauptstadt Kischinjew/Chisinau und weiter von Bukarest – Dimitrowgrad – Alexandrupolis und Odessa geplant)

Verkehrsexperten geben vor allem dem Korridor II gute Realisierungschancen, gefolgt — in der Rangliste der ihnen von den meisten Fachleuten beigemessenen Bedeutung – von den Korridoren IV, I und III.

Besonders ehrgeizige Pläne für den Ausbau von Straßen- und Bahnverbindungen verfolgt Polen, wobei einige Projekte in hohem Maße von EU-Geldern bzw. dem Einsatz potenter Privatunternehmer abhängig sind. Insbesondere will man die bundesdeutsche A 12 auch östlich der Oder als A 2 zu einer belastungsfähigen Autobahn ausbauen (Korridor II). Gleiches gilt für die Weiterführung der deutschen A 15, die sich südlich von Forst als polnische A 4 nach Breslau, Oppeln, Kattowitz und Krakau fortsetzt. Auch die polnische A 1 zwischen Danzig, Lodsch und Kattowitz gehört zu den wichtigsten Magistralen.

Für Aufsehen haben die Pläne des Privatmanns Jan Kulczyk für eine Mautautobahn zwischen Frankfurt/Oder und Lodsch gesorgt. Kulczyk gilt als der wohl erfolgreichste Unternehmer Polens. Er besitzt Brauereien, die ein Drittel des nationalen Biermarktes versorgen, ist Alleinimporteur der Automarken VW, Audi, Skoda und Porsche und nennt Beteiligungen an einem der beiden Mobilfunknetze des Landes sowie an der größten privaten Versicherung sein eigen.

Der jährliche Umsatz der Kul-czyk-Holding soll sich auf über 1,7 Milliarden Mark belaufen. Das persönliche Vermögen des promovierten Juristen wurde von dem US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" auf 340 Millionen Mark geschätzt.

Es war eben jener fließend deutschsprachige Jan Kulczyk, dessen Vater seit 1956 in Berlin lebt und dort eine Import-Export-Firma aufbaute, der den VW-Konzern dazu bewog, sich für die eigene Heimatstadt Posen als neuen Werksstandort zu entscheiden.

Gut vier Milliarden Mark will der erfolgreiche Unternehmer in sein bislang spektakulärstes Vorhaben investieren. Die ersten Bauarbeiten an dem auf 30 Jahre konzessionierten und 384 Kilometer langen ersten Teilstück der geplanten Ausbautrasse Berlin – Warschau – Moskau (Korridor II) sind bereits 1998 angelaufen. Die Leitung obliegt der Kölner Strabag AG, dem nach eigenen Angaben "größten Autobahnbauer in Osteuropa".

Gegenüber der "Wirtschaftswoche" sprach Kulczyk von mindestens 15 000 Autos und Lastern pro Tag, die nötig seien, um "seine" Autobahn rentabel zu machen. Er gehe aber davon aus, daß diese Zahl weit übertroffen werde, da auf dieser zentralen West-Ost-Achse mit einem jährlichen Verkehrszuwachs von 20 Prozent zu rechnen sei.

Einige Skepsis hinsichtlich des von Kulczyk erwarteten Verkehrsaufkommens scheint jedoch geboten. Eine aktuelle Studie polnischer Fachleute mit Hochrechnungen für das Jahr 2010 sagt für die Magistrale östlich von Frankfurt/Oder eine Auslastung von gerade einmal täglich 15 100 Fahrzeugen voraus. Die höchsten Verkehrsaufkommen auf Autobahnen werden für die Großräume Lodsch (polnische A 1; 27 100 Fahrzeuge pro Tag), Warschau (Korridor II; 25 400 Fahrzeuge), Tschenstochau (A 1; 24 700 Fahrzeuge) und Kattowitz (polnische A 1 und A 4; 22 300 Fahrzeuge) prophezeit.

Natürlich ist die Entscheidung darüber, wo neue Fernstraßen gebaut bzw. bestehende Verbindungen modernisiert werden, von eminenter politischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Daß es deshalb in diesen Fragen zu sehr zähen Auseinandersetzungen kommt, kann deshalb nicht verwundern. Stark umstritten ist zum Beispiel die genaue Streckenführung der sogenannten "Via Baltica" (der Korridor I der EU-Planer).

Wie der "Königsberger Express" im vergangenen Jahr berichtete, sieht es danach aus, als solle diese von Finnland über die baltischen Staaten und Polen nach Deutschland geführt werden. Das nördliche Ostdeutschland, das mit dieser modernen Fernverkehrsstraße große handelspolitische Hoffnungen verbindet, würde demnach umgangen. Polen und die baltischen Länder wollen unter Mithilfe internationaler Banken 180 Millionen Dollar in das Projekt investieren.

Eine andere aus polnischer Sicht äußerst wichtige Verbindung ist eine direkte polnisch-slowakisch-ungarische Verkehrsroute zwischen Danzig und Budapest, die gemäß einer Absichtserklärung der zuständigen Staatssekretäre für Verkehrsfragen bis zum Jahr 2005 abgeschlossen sein soll. Dann wäre zusätzlich zur "Via Baltica", die Skandinavien über das Baltikum enger mit Mitteleuropa – vor allem Deutschland – verknüpfen soll, auch die bessere Verkehrsanbindung der nordischen an die Mittelmeerländer gewährleistet.

 
     
     
 
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