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Das Gesicht des Zukunftskrieges

 
     
 
In seinem Bericht für den Präsidenten und den Kongreß des Jahres 1995 bemerkte der damalige amerikanische Verteidigungsminister William Perry, da die Menschheit in einem Zeitalter lebe, das durch Informationen und Nachrichten aller Ar bestimmt werde. Der amerikanische Analytiker Alvin Toffler bezeichnete dieses Zeitalter in seinem 1989 erschienenen Buch als "Dritte Welle" ("Third Wave"). Al erste Welle charakterisierte Toffler die agrikulturelle Ära, auf die als zweite Welle die industrielle gefolgt sei. Das Industriezeitalter werde nun durch das Informationszeitalte abgelöst, das Toffler als "dritte Welle" charakterisiert. Diese "Dritt Welle" ist aus der Sicht Perrys durch die Möglichkeit gekennzeichnet, in kurzer Zei große Mengen an Daten akkumulieren zu können, die durch den Computer analysiert un zeitgleich an viele Nutzer weitergegeben werden können.

Diese Revolution in der Informationstechnologie wird das Gesicht zukünftige kriegerischer Konflikte und deren Vorbereitung grundsätzlich verändern. Seit de Golfkrieg im Jahre 1991 wird die Kriegführung
mittels elektronischer Informationssystem in den USA in aller Breite diskutiert. Laut Perry habe bereits der Golfkrieg gezeigt, da militärische Operationen mittels moderner Informationssysteme über den Erfolg eine militärischen Operation entscheiden können. In den Konzeptionen des amerikanische Verteidigungsministeriums nimmt die Informationstechnologie infolgedessen mehr und meh einen zentralen Stellenwert ein. Die Soldaten sollen durch Laptops in die Lage versetz werden, Informationen über mögliche Feinde über den Bildschirm abrufen zu können. Si sollten aufgrund dieser Informationen ihre Waffen einsetzen können, ohne mit dem Fein überhaupt noch in Berührung zu kommen. Dieses Szenario zeigt, daß da Informationszeitalter nicht nur den zivilen Bereich zunehmend revolutioniert, sondern auc den militärischen. Dessen Auswirkungen können nach den Worten von Robert Steele, eine früheren Mitarbeiter des CIA und jetzigen Präsidenten der Open Source Solutions Inc (OSS), nicht weit genug erfaßt werden. Zur Erläuterung: Die OSS hat sich zum Zie gesetzt, so etwas wie eine nationale Sicherheitsstrategie für die elektronische Informationssysteme zu formulieren. Steele ist durch eine Reihe von aufschlußreiche Arbeiten zum Thema "Informationstechnologie" hervorgetreten. Seiner Auffassun nach werden künftige kriegerische Konflikte mit einem Krieg, der mit konventionelle Waffen ausgefochten wird, in keiner Weise mehr verglichen werden können. Steele Schlußfolgerungen sind geradezu revolutionär, wenn er beispielsweise in seiner Red anläßlich der Zweiten Konferenz zum Thema "Kriegführung mittels moderne Informationssysteme" im Januar 1995 feststellt, daß wir alles vergessen müssen, wa wir über Kriegführung bisher gelernt haben. Dies gelte insbesondere für die Unterscheidung zwischen Krieg und Frieden, zwischen Verbündeten und Feinden, zwische Kriegswaffen und Nachschubwesen. Für Steele sind die Schlußfolgerungen, die die U. S Army vor diesem Hintergrund bisher gezogen hat, völlig unzureichend. Die bisherige Reaktionen auf die Revolutionierung seitens des militärisches Sektors bezeichnet Steel wörtlich als "Witz".

Ob Steeles Schlußfolgerung zutrifft oder nicht: In den USA wächst der Konsen zwischen Regierung und Militär darüber, daß die USA alle militärischen un nichtmilitärischen Kräfte aufbieten müssen, weil sie den Krieg der Informationssystem gewinnen wollen. Laut Steele darf es bei diesen Bemühungen keine Denkblockaden geben. E ist aus seiner Sicht unproduktiv, die Diskussion auf den Komplex "elektronisch Kriegführung" eingrenzen zu wollen. Der Feind kann nicht durch irgendwelche Grenze aufgehalten werden, argumentiert Steele, weil es heute keine Grenzen mehr gebe. Nichts se heute mehr sakrosankt.

Diese Ausgangslage bedeutet auch für die U.S. Army ein radikales Umdenken, das a eigenen Selbstverständnis rüttelt. Die U. S. Army entfaltete ihre militärische Möglichkeiten bisher am effektivsten, wenn sie einem Feind gegenüberstand, der kla definiert und strukturiert war. In den Bedrohungsszenarien, die in der U. S. Arm diskutiert werden, gehört der klar definierte Feind der Vergangenheit an. Statt desse wird von gestaltlosen, nicht greifbaren Feinden ausgegangen. Dieser zukünftige Feind wir in den einschlägigen Analysen in der Regel als "asymmetrische Bedrohung" bezeichnet. In der internationalen Politik bezeichnet "Asymmetrie" ein ungleichmäßige Beziehung oder Machtrelation zwischen individuellen (z. B "Terroristen" oder "Kriminellen") oder kollektiven Akteuren (z. B "Staaten"). Um hier noch einmal aus der oben angesprochenen Rede von Rober Steele zu zitieren: Staaten mit hochkomplexen Waffensystemen, die gewaltige Anstrengunge an Wartung und Nachschub erfordern, entsprechen dem traditionellen Feindbild. Der Angrif einzelner Terroristen auf dem "Datenhighway" gegen das elektronisch Sicherheitssystem eines Staates wäre der obigen Definition gemäß ein "asymmetrische Bedrohung".

Neben diesem traditionellen Feind, den es auch in Zukunft geben wird, unterscheide Steele aber noch drei andere Formen zukünftiger Feinde. Einmal spricht Steel transnationale Kriminelle und Terroristen ("low-tech brutes") an, die aufgrun unkonventioneller Vorgehensweisen jedem Nachrichtendienst erhebliche Probleme bereite können. Dann sieht Steele ideologische, ethnische oder religiöse Gruppen ("low-tec seers"), die konventionelle Beziehungen zwischen Staaten nicht akzeptieren wollen als eine weitere Herausforderung für jede militärische Organisation an. Die letzt Gruppe ist aus der Sicht Steeles die gefährlichste und damit am meisten bedrohliche. Z dieser Gruppe zählt Steele digitale Terroristen oder Vandalen bzw. Industriespion ("high-tech seers"), die elektronische Kriegführung aus finanziellen ode politischen Motiven betreiben.

Aus der Sicht Steeles entwickelt sich das Spiel der Kräfte weg von organisierte militärischen Kräften, die durch Steuererhebungen und Wehrpflicht gekennzeichnet seien hin zu selbständigen elektronischen Agenten, die kaum Kosten verursachen und autonom in Internet operieren. Diese Agenten treten gegen komplexe elektronische Systeme an, die derzeit unmöglich lückenlos verteidigt werden können. Diese Akteure hatte Generalleutnant Paul K. van Riper und Generalmajor Robert H. Scales im Blick, die anläßlich der 9. Strategischen Konferenz, ausgerichtet vom U. S. Army War College, zu dem Schluß kamen, daß die USA in einem konventionellen Krieg nicht besiegbar seien. Woh aber seien die USA gegenüber einer asymmetrischen Bedrohung so sehr verwundbar, daß ein derartige Attacke zu einer empfindlichen Niederlage führen könne. Steeles Auffassunge werden vom Verteidigungsministerium im wesentlichen geteilt. So stellte der Bericht de Unterabteilung für Logistik und Technologie des Verteidigungsministeriums (1995) fest daß die Welt durch eine Reihe von destabilisierenden Faktoren gekennzeichnet sei. Au Sicht der USA seien diese Faktoren schwer zu analysieren. Auch dieser Berich prognostiziert für die Zukunft grundsätzlich andersartige militärische Konflikte als die bisher gewohnten. Angesprochen werden insbesondere kriminelle Gruppierungen, die in den Besitz von Massenvernichtungswaffen gelangen könnten. Diese Gruppierungen werden in Verteidigungsministerium als ernsthafteste Herausforderung für die USA angesehen. Vo diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, wenn Bradley Graham in der "Washingto Post" vom 21. Februar 1995 feststellt, daß militärische und zivile Vertreter de Verteidigungsministeriums mit steigender Intensität darauf hinweisen, daß sich die US in einer historischen Phase befinden, in der die Kriegführung und der militärisch Sektor einer grundsätzlichen Revolution unterworfen werden.

Der bereits öfters erwähnte Robert Steele freilich will die Verteidigungsfähigkei der USA auf dem Gebiet der digitalen Informationssysteme nicht nur auf den militärische Bereich beschränkt wissen. So schreibt er beispielsweise in seiner Analys "Information Peacekeeping", daß der vielleicht wichtigste Aspekt digitale Operationen im 21. Jahrhundert darin zu suchen sei, daß diese nicht mehr militärisc abzugrenzen seien. Steele fordert daher dazu auf, daß sich auch Zivilisten in Informationszeitalter militärische Kenntnisse und Disziplin aneignen müßten, u wirklich effektiv agieren zu können. Steele fordert die aktive Auswertung vo Informationen, um Konflikten mit den oben skizzierten vier Hauptfeinden der Zukunf entsprechend begegnen zu können. Hierfür müsse die Regierung nicht nur auf de militärischen Sektor tätig werden, sondern auf allen gesellschaftlich relevante Bereichen.

Diese intensive Diskussion zeigt eines mit aller Deutlichkeit: Die Vorrangstellung de USA wird in Zukunft weiter zunehmen, weil sich die USA die Informationstechnologie wi keine andere Nation auf der Erde zunutze machen. Informationstechnologie, übersetzt in militärische Stärke, bedeutet eine massive Herausforderung des traditionellen Konzepte des Machtgleichgewichtes zwischen den Nationen. Konsequenterweise hat das Pentagon sein Vorstellungen über eine elektronische Kriegführung seit dem Golfkrieg ständi weiterentwickelt. Bemerkenswerterweise wird in der Diskussion um die elektronisch Kriegführung immer wieder auf das deutsche "Blitzkriegskonzept" verwiesen. S schreibt z. B. Fred Gortler, Major in der US-Luftwaffe, daß der "Blitzkrieg" a besten die operativen Vorteile demonstriert, die eine Nation erzielen könne, wenn si sich elektronische Neuerungen nutzbar mache. Gerade vor dem Hintergrund der obe skizzierten Herausforderungen, so argumentiert Gortler, müsse sich das US-Militär die neuen Informationssysteme nutzbar machen. Die Erkenntnisse, die aus diesen neue Informationssystemen gezogen werden, müssen mit den traditionellen militärische Waffengattungen (Land, See, Luft) koordiniert werden, um feindliche Zentren strategische und operativer Art durch einen kombinierten Einsatz von Waffen blitzartig zerschlagen zu können.

Die Bedrohungsszenarien, die die US-Militärs diskutieren, haben, wie oben bereit angedeutet, mehr und mehr transnationale Akteure im Blick, die aufgrund hochentwickelte Informationssysteme die Möglichkeit haben, die militärische Macht der USA empfindlich zu treffen. Konkret fragt Gortler, welche Möglichkeiten denn die USA haben, eine elektronischen Angriff auf die New Yorker Börse abzuwehren. Kategorisch fordert Gortle dazu auf, daß sich die USA jetzt auf derartige Möglichkeiten einrichten müssen. Da US-Militär muß die Vorrangigkeit nachrichtendienstlicher Aufklärung im Zeitalter de elektronischen Kriegführung absolute Priorität einräumen. Informationen sind de Betriebsstoff für informationsbasierte Systeme, die von hoher Bedeutung sind, weil die moderne Kriegführung ein erheblich höheres Maß an präzisen nachrichtendienstliche Informationen verlangt als die konventionelle Kriegführung. Die US-Nachrichtendienst müssen, so Gortler, in die Lage versetzt werden, sich Informationen über jeden Staat jede Gruppe oder jedes Individuum beschaffen zu können.

Mit Blick auf das 21. Jahrhundert unterscheidet z. B. Martin Libicki, Dozent a amerikanischen Institut  für Strategische Studien, acht Szenarien: Neben de konventionellen Kriegführung spricht Libicki u. a. den Gebrauch von Informations systemen gegen virtuelle Gegner ("Cyberwar") an, die softwaregesteuert Kriegführung gegen militärische und zivile Informationssysteme möglicher Feind ("Hackerwar") sowie die ökonomische Kriegführung mittels Manipulation vo Daten, die im internationalen Handel ausgetauscht werden.

Letzteres Szenario sollte auch in hiesigen Kreisen die Alarmglocken schrillen lassen Wenn Deutschland auch militärisch keine Rolle mehr spielt: Ökonomisch hat Deutschlan eine Weltspitzenstellung gegen zunehmend skrupellosere Konkurrenten zu verteidigen Deswegen ist eine digitale Sicherheitsstrategie für das 21. Jahrhundert auch in Deutschland ein zwingendes Desiderat, will man in Zukunft kein böses Erwachen erleben
 
     
     
 
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