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Das erste Westentaschenschlachtschiff

 
     
 
Nach dem Ersten Weltkrieg hatten die Siegermächte den Deutschen nicht nur wenige, sondern auch größtenteils alte Kriegsschiffe belassen, die diese erst allmählich durch Neubauten ersetzen durften. Besonders schwer taten sich die Kriegsverlierer mit der Ersetzung der größten Einheiten, der Linienschiffe, die sie denn auch als letztes vornahmen. Während nämlich beispielsweise die "Preußen", die als erstes ersetzt werden sollte, eine Verdrängung von über 13200 Tonnen hatte, schrieb das Diktat
von Versailles eine Höchstgrenze von 10000 Tonnen vor. Wie sollte man mit einem Schiff von höchstens 10000 Tonnen Größe Polen und das mit ihm verbündete Frankreich davon abschrecken, Deutschland seine ostdeutsche Exklave zu entreißen? An eine Verteidigungsfähigkeit gegenüber Großbritannien war gar nicht erst zu denken, so daß die deutschen Seekriegsszenarien davon ausgingen, daß England im Kriegsfall neutral bleibe.

Die Wahl traf auf ein Schiff, daß stärker sein sollte als schnellere und schneller als stärkere. Dieses sogenannte Panzerschiff sollte stark genug sein, um feindliche Kreuzer niederzukämpfen, und schnell genug, um sich durch Flucht oder geschicktes Ausmanövrieren des Gegners der Vernichtung durch feindliche Schlachtschiffe zu entziehen.

Die Umsetzung dieser Idee war allerdings leichter gesagt als getan und stellte eine große intellektuelle Herausforderung für die deutsche Industrienation dar.

Für Schlachtschiffe hatte sich eine schwere Artillerie von 28 Zentimeter Kaliber durchgesetzt. Ein deutscher Versuchsballon zeigte, daß ein größeres Kaliber gegenüber den Siegermächten auch gar nicht durchsetzbar war. Damit war das Kaliber klar. Nun ging es darum, möglichst viele Geschütze dieses Kalibers auf dem Schiff unterzubringen. Drillingstürme galten als unpraktisch, weil man zum Nachladen des mittleren Geschützes immer wieder in die Null-Stellung fahren mußte. Bei der Verwendung von Zwillingstürmen hätte man sich jedoch auf vier Geschütze beschränken müssen, da bei drei Türmen die 10000-Tonnen-Obergrenze kaum einzuhalten gewesen wäre. Was taten die Deutschen? Sie entwickelten einen Drillingsturm, bei dem man zum Nachladen nicht in die Null-Stellung zurückfahren mußte. Diese Innovation gehörte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges zu den bestgehüteten militärischen Geheimnissen Deutschlands. Die "Deutschland" erhielt also zwei Drillingstürme mit sechs Geschützen des Kalibers 28 Zentimeter. Diese starke Bewaffnung auf vergleichsweise wenig Raum, ließ die Angelsachsen von einem "pocket battleship" sprechen, woraus im Deutschen das "Westentaschenschlachtschiff" wurde.

Auch beim Antrieb beschritt Deutschland neue Wege. Nachdem sich die Technik zuvor schon in kleineren deutschen Einheiten bewehrt hatte, wurde die "Deutschland", so der Name des neuen Typschiffes, das erste größere Kriegsschiff der Welt mit einem Dieselmotorantrieb. Mehr noch als die im Vergleich zu den konventionell mit Dampfturbinen angetriebenen Schiffen hohe Beschleunigung sprach für diese Technik der niedrige Energieverbrauch und die damit zusammenhängende große Reichweite von 17000 Seemeilen bei 13 Knoten Geschwindigkeit. Damit schien dieser Schiffstyp nicht nur in der Lage, Ostdeutschland von der See her zu verteidigen, sondern auch die Versorgung Frankreichs aus seinen Kolonien zu stören. 28 Knoten war das Schiff im Bedarfsfall schnell.

Damit war die obengenannte Vorgabe weitestgehend erreicht. Nur die drei britischen Schlachtkreuzer "Hood", "Renown" und "Impulse" waren sowohl schneller als auch stärker bewaffnet, aber Großbritannien wurde ja ohnehin als Gegner ausgeschlossen.

Da man nicht alles haben kann, wurde im Gegensatz zur Bewaffnung und Geschwindigkeit der Panzerung nur eine sekundäre Bedeutung beigemessen, um das Schiff nicht zu schwer werden zu lassen. Deutsche Innovationskraft machte auch hier das beste aus der Situation. So wurde die Panzerung als tragender Verband konstruiert. Außer durch diese Doppelverwendung der Panzerung nicht nur zum Schutz, sondern auch zur Festigkeit des Schiffskörpers sparte man weiteres Gewicht auch durch die Verwendung leichter Werkstoffe wie Leichtstahl und sogar Duraluminium. Durch die weitgehende Verwendung elektrischer Schweißnähte sparte man zudem schwere Nieten. Not macht eben erfinderisch.

Am 19. Mai 1931 war es soweit. Das Panzerschiff "A" lief mit dem einen hohen Anspruch verratenden Namen "Deutschland" in den Deutschen Werken Kiel vom Stapel. Wie in dem Schiffsnamen wurde auch in der Anwesenheit sowohl des Reichspräsidenten als auch des Reichskanzlers die dem neuen Stolz der deutschen Flotte beigemessene Bedeutung deutlich. Bei der Gestaltung des festlichen Aktes ließen die Deutschen allerdings die ihnen nachgesagte Perfektion vermissen. Der Kanzler überschritt seine Redezeit, und das Schiff war im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr zu halten. Bevor es hätte durch den Präsidenten getauft werden können, glitt es ins Wasser. Paul von Hindenburg ruft ihm noch den Taufspruch hinterher, doch bleiben seine Worte ungehört, da das Schiff in seiner Bewegung die Verbindung zu den Lautsprechern zerreißt. "Donnerwetter, ich glaube, der Kahn ist partout Abstinenzler!" lautet des Generalfeldmarschalls launiger Kommentar. Doch die "Deutschland" entkommt dem Zusammenstoß mit der ihr zugedachten Sektflasche nicht. Nach dem Stapellauf fährt das Staatsoberhaupt mit den ranghöchsten Gästen per Dampfboot zum inzwischen am Ausrüstungskai der Werft festgemachten Schiff, zerdeppert die Flasche am Vorsteven und gibt dem Täufling außer dem Taufspruch die weniger formellen liebevollen Worte mit auf den Weg: "Siehste, du Racker, nun haben wir dich doch noch erwischt!"

Schneller als gedacht: Stapellauf der "Deutschland" Fotos (4): Archiv

 

Die Panzerschiffe der Reichs- / Kriegsmarine: "Deutschland", "Admiral Scheer" und "Admiral Graf Spee"

Die "Deutschland" gab einer ganzen Klasse von 186 Meter langen und zwischen 20,69 und 21,65 Meter breiten deutschen Panzerschiffen ihren Namen. Der am 19. Mai 1931 als Ersatz der "Preußen" vom Stapel gelaufenen Namensgeberin folgte am 1. April 1933 als Ersatz der "Lothringen" die "Admiral Scheer" und am 30. Juni 1934 schließlich als Ersatz der "Braunschweig" die "Admiral Graf Spee".

Das legendäre Panzerschiff "C" geht in letzter Zeit immer einmal wieder durch die Presse, seit 2004 auf Initiative des Unternehmers Alfredo Etchegaray ein von privaten Geldgebern aus Europa und den USA finanziertes Bergungsteam angefangen hat, nach Schätzen in dem in nur acht Metern Tiefe nahe der uruguayischen Hauptstadt Motevideo in der Mündung des Rio de la Plata liegenden Wrack zu tauchen. Nachdem bereits vor gut einem Jahr ein 27 Tonnen schwerer Entfernungsmesser für Artilleriegeschütze gehoben worden war, ist der unlängst geborgene Reichsadler, der das Heck des Schiffes schmückte, die bislang größten Trophäe. Die Flügelspannweite des Bronzeaares wird mit um die 2,8 Metern angegeben und sein Gewicht mit rund 300 Kilogramm. Bis zum Ende des Jahres sollen noch so viele Wrackteile aus dem Fluß gehoben werden, daß es für eine Ausstellung reicht. M. R.

Deutschlands von den Angelsachsen "Pocket Battleships" (Westentaschenschlachtschiffe) genannten Schwesterschiffe "Deutschland", "Admiral Scheer" und "Admiral Graf Spee" ()
 
     
     
 
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