|  | Die     deutsche Wirtschaftslandschaft wird grundlegend umgekrempelt. Traditionelle Firmennamen     verschwinden, neue tauchen auf. Hing früher an vielen Apotheken noch das Werbeschild der     Hoechst AG, so dürfte den Patienten kaum aufgefallen sein, daß dieser traditionelle     Chemiekonzern inzwischen zerschlagen und aufgeteilt wurde. Erst vor wenigen Wochen hauchte     der ehemalige Stahlkocher und heutige Mobilfunkkonzern Mannesmann sein eigenständiges     Leben aus und wurde von der britischen Vodafone geschluckt. Die Herzen der Börsianer     schlagen jetzt wieder höher: Die angekündigte Fusion von Deutscher Bank und Dresdner     Bank macht ein riesiges Kurspotential und  gewissermaßen nebenbei  noch     16 000 Arbeitsplätze frei. Der "rheinische  Kapitalismus" sei jetzt     endgültig am Ende, freute sich ein Aktienhändler. 
 Der "rheinische Kapitalismus"  das war jene Mischung von Geldverdienen     und Verantwortung für Land und Leute, von der die Industriellen der Zeit nach dem Zweiten     Weltkrieg geprägt waren. Gewiß, es wurden Firmen aufgekauft und in das eigene Imperium     integriert, aber die Strukturen blieben weitgehend erhalten. Friedrich Flick war ein     Meister des Aufkaufens, und der unvergessene Hermann Josef Abs von der Deutschen Bank ein     eher gemütlicher kapitalistischer Herrscher. Diese Zeiten sind endgültig vorbei. Heute     regiert die Sucht nach dem höchsten Profit, angesichts der "Globalisierung" ist     in der "Deutschland AG" keine menschliche Wärme mehr gefragt, sondern nur noch     die größte Effizienz.
 
 Um das Urteil vorwegzunehmen: Es gab keinen ernsthaften Grund, seriöse und gesunde     Institute wie die Deutsche Bank und die Dresdner Bank zu zerschlagen. Aber nichts anderes     findet statt. Das Wort "Fusion" ist in diesem Zusammenhang irreführend, auch     wenn tatsächlich das größte Bankinstitut der Welt entstehen wird. Hinter dem Deal, der     die deutsche Wirtschaftslandschaft nachhaltiger verändern wird als das Zechensterben der     60er Jahre, steckt Henning Schulte-Noelle, Chef der Allianz-Versicherung und Verwalter     eines Milliarden-Vermögens von Lebensversicherten, die ihr Geld der Allianz anvertraut     haben.
 
 Schulte-Noelle, dessen Zigtausende Versicherungsvertreter den Allianz-Konzern zum     Marktführer in Deutschland gemacht haben, hat immer noch nicht genug Marktanteil. Die     Allianz hat in den letzten Jahren eine geschickte Anlagestrategie betrieben. Ihr gehören     bereits 21,7 Prozent der Dresdner Bank und fünf Prozent der Deutschen Bank. Die Deutsche     Bank wiederum hält sieben Prozent der Allianz-Aktien, die Dresdner sogar zehn Prozent.     Der deutsche Finanzhandel ist untereinander verschwippt und verschwägert wie weiland die     europäischen Fürsten- und Königshäuser.
 
 Hinter der Neustrukturierung stehen offenbar folgende Überlegungen: Durch den Fleiß     der Nachkriegsgeneration stehen in den nächsten Jahren mehrere Billionen Mark Erbschaften     an, die gewinnbringend angelegt sein wollen. Die Allianz versucht schon seit langem, im     Bereich der Geldanlage Fuß zu fassen. Doch das "Allfinanzkonzept" (der     Versicherungsvertreter dreht dabei den Kunden auch Investmentfonds an) läuft nicht so     gut, wie es sich die Geldherren in den Frankfurter und Münchener Zentralen vorstellen.     Daher wird das Privatkundengeschäft der Deutschen und Dresdner Bank zusammengelegt. Das     neue Institut, das vermutlich den Namen "Deutsche Bank 24" und das grüne Emblem     der Dresdner führen wird, soll etwa zur Hälfte dem Allianz-Konzern gehören. Den Rest     teilen sich Deutsche und Dresdner Bank. Über die Bankfilialen will die Allianz künftig     auch ihre Filialen aber meist in unmittelbarer Nähe haben, dürften etwa 10 000     Zweigstellen geschlossen werden. Daß dabei rund 16 000 Menschen ihre Arbeitsplätze     verlieren werden, interessiert in der "Deutschland AG" niemanden mehr.
 
 Die Allianz sichert sich bei der Fusion noch weitere Perlen. Die     Deutsche-Bank-Investmentfonds-Tochter "DWS" geht an den Versicherungskonzern.     Die neue Großbank muß sich mit der nicht so gut im Markt etablierten Dresdner-Tochter     "DIT" begnügen. Damit kommt die Allianz, deren eigene Fonds bei einem     Marktanteil von zwei Prozent dahindümpeln, kurzfristig auf 25 Prozent. Außerdem schluckt     die Allianz die Deutsche-Bank-Versicherung "Deutscher Herold".
 
 So fühlen sich die Herrscher des deutschen Finanzwesens für den Billionen-Ansturm der     künftigen Erben gewappnet. Doch die Rechnung derer, die immer größere Finanzräder     drehen, könnte eventuell nicht aufgehen. Schließlich muß das Geld, das in Zukunft     angelegt werden soll, erst verdient werden. Und wenn immer mehr Menschen ihre     Arbeitsplätze verlieren, wird kein neues Kapi- tal, sondern Unzufriedenheit gebildet.     Hans-Georg Münster
 
 
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