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Enteignungen in der SBZ-DDR 1945 bis 1949

 
     
 
Der Wegbereiter der deutschen Einheit saß in Moskau und leitete das Institut für außenpolitische Angelegenheiten bei der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Sein Name: Prof. Dr. W. Daschi-tschew. In seinem kürzlich erschienenen Werk "Moskaus Griff nach der Weltherrschaft" (Mittler-Verlag, 30 Euro) wird detailliert und nachvollziehbar beschrieben, wie ein Wissenschaftler im Kreml, mit dem geistigen Rüstzeug von Kant, Clausewitz
und Generaloberst Beck, 30 Jahre lang nach intensiven Studien in seiner sehr einflußreichen Position als Berater der jeweiligen Präsidenten der UdSSR beharrlich daran arbeitete, den "Kalten Krieg" (er nennt ihn den III. Weltkrieg) zu beenden, den Abzug der Russen aus den besetzten Gebieten Mitteleuropas vorzubereiten und letztlich den Kern der Spannungen, die deutsche Teilung - die Daschitschew unmoralisch und unmenschlich nennt -, zu beenden.

Mit dem moralischen Rüstzeug von Kant, umfangreichen volkswirtschaftlichen Kenntnissen und dem klaren Auge des unbestechlichen Denkers erkennt er die Unterlegenheit des sozialistischen Systems, die Unterdrückung der von Rußland besetzten Länder und das Unglück der in Knechtschaft gehaltenen Völker und versucht, das darin liegende Konfliktpotential zu entschärfen. Den ersten aufmerksamen Zuhörer für seine revolutionären Thesen (Abzug aus den besetzten Gebieten, volle Souveränität für alle Nationen in Ost- und Mitteleuropa, Abrüstung von Nato und Warschauer Pakt, Demokratisierung der politischen Landschaft, Umgestaltung der Wirtschaftssysteme weg von der Planwirtschaft und hin zur sozialen Marktwirtschaft) findet er 1985 in Andropow nach dessen Wahl zum Präsidenten der UdSSR. Doch Andropow stirbt zu schnell, und erst mit dem neuen Generalsekretär Michail Gorbatschow findet er den Gleichgesinnten: Gemeinsam wird das Gedachte umgesetzt. Glasnost und Perestroika nach innen, Abzug der Russen im Äußeren: Die Zeitenwende kommt, und am 9. November 1989 fällt die Berliner Mauer.

Am 26. Januar 1990 gibt Gorba-tschow im Kreml dem Oberkommandierenden in der DDR, Marschall Achromejew, den Befehl, den Abzug der russischen Armee aus Deutschland vorzubereiten, am 10./11. Februar wird zwischen Kohl und Gorbatschow in dessen Büro im Kreml die Wiedervereinigung vereinbart, und auf die Frage der wartenden Journalisten bei seiner Rückkehr auf dem Flughafen Köln-Wahn, welche Bedingungen die Russen dafür gestellt hätten, antwortet der Kanzler wahrheitsgemäß: "Ohne jede Bedingung."

Diese Vereinbarung, mit der Frankreich und England nur sehr zögerlich einverstanden waren, wird beim Gipfeltreffen am 29. Mai zwischen dem Präsidenten der USA, Bush sen., und dem Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU, Gorbatschow, bestätigt. Über den einzigen offenen Punkt - darf das vereinigte Deutschland noch der Nato angehören? - wird folgende Regelung beschlossen: Deutschland erhält die volle Souveränität und soll selber darüber befinden, ob und in welchen Grenzen es der Nato angehören will. Irgendwelche anderen Konditionen, zum Beispiel in Bezug auf Eigentum, werden nicht gestellt.

Es gab aber andere, die von der sozialistischen Idee, das "Volksvermögen" nach Gutdünken im Besitz des Staates zu belassen oder zu Gunsten des Fiskus zu verkaufen, nicht ablassen wollten. Lothar de Maizière, wenig später als Stasi-Mitarbeiter enttarnter, und Hans Modrow, als Wahlfälscher von Dresden rechtmäßig verurteilt, hatten noch im Januar 1990 in Moskau antichambriert, um die sozialistische Idee der "Bodenreform" und der "Industrie-Enteignungen" über die Zeitenwende zu retten. Bei Gorbatschow waren sie abgeblitzt.

Jetzt aber bot sich eine neue Möglichkeit, doch noch zum Ziel zu gelangen. Deutschland stand 1990 vor der Wahl. Vorher hatten die Bürgerlichen eine Landtagswahl nach der anderen verloren. Die Umfrageergebnisse vor der Bundestagswahl waren für die bürgerliche Regierung verheerend schlecht - trotz der Wiedervereinigung. Kohl meinte, in der Kürze der Zeit keine CDU-Strukturen der CDU-West in den neuen Ländern aufbauen zu können. Alles aber deutete darauf hin, daß die Wahl im Osten entschieden werden würde.

Nach neuesten Informationen durch einen Kenner der CDU-Spitze ereignete sich dann folgendes: Kohl einigte sich mit dem 1. Vorsitzenden der CDU-Ost, dem "Trojanischen Pferd" de Maizière, auf eine Fusion der CDU-Ost mit der CDU-West und akzeptierte dessen Vorgaben: keine Rückgabe der Boden-Reform-Ländereien und der in den Jahren 1945 bis 1949 enteigneten sonstigen Immobilien an die alten Eigentümer.

Zusätzlich einigten sie sich darauf, daß Parteien und Kirchen ihre Häuser zurückerhalten sollten oder eine Verkehrswertentschädigung erhalten müßten, ebenso wie von den Nazis enttarnte Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944. Nur so ist zu erklären, daß die SPD-Zentrale sich bereits im Jahre 1991 über eine Überweisung in Höhe von 75 Millionen Mark freuen konnte, die zum großen Teil in der Medienlandschaft investiert wurden und bis heute reiche Früchte tragen. Bei diesem Deal wurde sicherlich auch bedacht, sich keine einflußreichen Organisationen zum Feind machen zu wollen, die sonst erheblichen Widerstand gegen diese Regelungen geleistet hätten.

Der Kreis der Geschädigten wurde gering eingeschätzt: Nach einer Aktennotiz des Auswärtigen Amtes über eine entsprechende Gesprächsrunde im Kanzleramt ging man im Februar 1990 von 6.500 Großgrundbesitzern und 11.000 enteigneten Industriellen aus. Die tatsächliche Zahl von 2.169.000 Restitutionsbegehren, die heute bekannt ist, hätte mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer anderen Gesetzgebung geführt.

So aber nahm das Schicksal seinen Lauf: Mit Einverständnis von Finanzminister Theo Waigel, der die Staats-Finanzen mit dem Erlös aus dem Verkauf des "volkseigenen Vermögens" aufbessern wollte und deshalb ohne jeden Skrupel der beabsichtigten "staatlichen Hehlerei" zustimmte, mit dem "o.k." von Genscher, der sich nicht entschieden genug für die ehemaligen Mittelständler einsetzte, und mit tatkräftiger Unterstützung von Schäuble wurde die Idee umgesetzt, den Rechtsschutz des Grundgesetzes für eine Minderheit auszuhebeln: Es wurde ein Junktim erfunden - wohlgemerkt in Bonn und nicht etwa in Moskau oder Ost-Berlin - des Inhalts: Wiedervereinigung nur bei Nichtrückgabe der Enteignungen von 1945/49; Absicherung im Grundgesetz durch einen neuen Artikel 143/III.

112 Abgeordnete des deutschen Bundestages witterten trotz der geringen Zeit von nur 24 Stunden zur Überprüfung des Einigungsvertrages Unheil und erklärten, nur wegen dieser Nötigung der Änderung des Grundgesetzes zuzustimmen. Ohne diese 112 Stimmen aber wäre die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit nicht erreicht worden.

Die spätere Überprüfung der historischen Abläufe ergibt völlig eindeutig: Es gab keine entsprechende "conditio sine qua non" der UdSSR. Die DDR trat mit einer Mehrheit von 292 gegen 64 Stimmen dem Geltungsbereich des Grundgesetzes am 24. August 1990 bei - ohne jede Bedingung.

Es gab auch keine entsprechende Einschätzung der Bundesregierung, wie sie beim zweiten Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vorgetragen hatte. Die Bundesregierung hatte sich den Trick mit der Änderung des Grundgesetzes selber ausgedacht. Die entsprechenden Formulierungen stammten aus dem Finanzministerium. Aber: Roman Herzog wurde zum Richter in einer Angelegenheit, die er selber mit eingefädelt hatte. Nur so ist seine von den Zuhörern in der ersten Reihe gehörte Bemerkung nach dem Verkünden des Urteilsspruches 1991 zu erklären: "An dieses Urteil werden wir lange denken."

Die deutschen Juristen trauten sich - bis auf ganz wenige Ausnahmen - bis heute nicht, sich für das Recht und gegen die "political correctness" einzusetzen. In Tausenden von Gerichtsverfahren wurden die Geprellten von der Justiz abermals betrogen - genauso wie schon 1941 eine Treuhandanstalt fremdes Vermögen in Deutschland "arisierte", wurde nun abermals mit Scheinheiligkeit und Heuchelei "privatisiert".

Die meisten Journalisten aber, nach eigenem Bekennen als vierte Kraft im Staate zur objektiven Aufklärung verpflichtet, versagten aus verschiedenen Gründen bei der Aufklärung dieses ungeheuren Skandals: Entweder sie sitzen bei öffentlich-rechtlichen Medien und haben nicht den Mut, gegen die "political corectness" zu verstoßen, oder sie arbeiten bei den Verlagshäusern, die sich an den späteren Verkäufen durch die hierfür neu ins Leben gerufene "Treuhand-Anstalt" selber an der gesetzlich abgesicherten staatlichen Hehlerei bereicherten und deshalb kein Interesse an der Aufklärung zeigten. Auf Staatsanwälte aber, die den Mut haben, diesen Skandal aufzuarbeiten, wartet das Land bis heute.
 
     
     
 
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Erhalten:
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