A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Erfolg nicht Ideologie

 
     
 
Verbrechensbekämpfung und die verbreitete Erfahrung der Konfrontation mit Kriminalität sind zum politischen Thema in Deutschland geworden. Auch Politiker und Parteien, die bis vor kurzem Polizeigesetze entschärft und die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität verschleppt haben, welche die "Entkriminalisierung" von Massendelikten und die sogenannte Strategie
der "Deeskalation" des Staates gegenüber der Gewalt der Straße vertreten haben, entdecken neuerdings in Wahlkampfzeiten, daß das Thema nicht verschwiegen werden kann, sondern unter den Nägeln brennt.

Aber gerade die Bürgerschaftswahl in Hamburg hat auch gezeigt, wie schnell das Thema nach einer Wahl wieder vergessen wird, wenn es zu einer linken Regierungsbildung kommt. Die Bürger selber aber können die Probleme der Inneren Sicherheit, von Verbrechensangst und Freiheitsbeschneidung durch Bedrohung im Alltag nicht vergessen, denn sie sind Tag für Tag damit konfrontiert. Daß der Staat sich in dieser Situation bewährt, daß er sein Grundversprechen von Sicherheit und innerem Frieden einlöst, ist darum von nicht zu überschätzender Bedeutung für die Legitimität und Stabilität unseres Gemeinwesens.

Wenn wir uns unter diesem Aspekt die Lage in Deutschland anschauen, dann sieht es nicht gut aus: Seit Jahren ansteigende Kriminalität – nicht der seit langem hier lebenden Gastarbeiter, vorwiegend von durchreisenden Tätergruppen, illegal oder vorläufig im Land Befindlichen – neuerdings eine erschreckende Steigerung der Jugendkriminalität.

Das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger spiegelt die objektive Lage. Immer mehr Menschen haben Angst, auf die Straße zu gehen – nicht nur in Großstädten, neuerdings auch auf dem flachen Land. Unterführungen, Bahnhofsbereiche, viele öffentliche Verkehrsmittel betritt mancher nur noch mit einem unguten Gefühl. Besonders die Schwachen leiden, wenn der Staat Schwäche zeigt. Frauen und alte Leute sind besonders betroffen. Eltern lassen ihre Kinder den Schulweg nicht mehr alleine gehen, ältere Schüler unternehmen ihn in gewissen Stadtvierteln schon nur noch bewaffnet.

Nicht immer ist es die große Kriminalität, die schreckt: Es ist auch die Aussicht, aggressiv angebettelt, mit einer größeren Zahl alkoholisierter oder sonstwie benebelter Personen konfrontiert zu werden.

Dunkle verwahrloste Ecken können das Sicherheitsgefühl oft mehr beeinträchtigen, als die meist gerade sehr diskret agierende organisierte Kriminalität.

Anderswo ist es nicht viel anders als bei uns. Die USA seien uns immer ein paar Jahre voraus, sagt man oft. Das gilt dann wohl im Schlechten wie im Guten. Seit den sechziger Jahren sind die Kriminalitätsraten auch dort dramatisch gestiegen. Insbesondere New York, in vieler Hinsicht Sinnbild und Verkörperung der Megalopolis des 20. Jahrhunderts, war jahrzehntelang zugleich Welthauptstadt des Verbrechens. Ausgerechnet von New York geht seit Mitte der neunziger Jahre ein Signal der Hoffnung aus, das all die düsteren und fatalistischen Prognosen , mit einer in modernen Gesellschaften quasi naturgesetzlich zunehmender Kriminalität müsse man sich abfinden, Lügen straft:

Die Zahl der Morde ging 1994 plötzlich um 19 Prozent zurück, die der Raubüberfälle und Autodiebstähle um 15 Prozent. Die Kriminalität in New York sinkt seitdem Jahr für Jahr um zweistellige Prozentzahlen. Letztes Jahr wurde der Stand von 1968 erreicht. Wie konnte es dazu kommen?

Amerika hat es wohl, auch was die Kriminalitätsbekämpfung anbelangt, in mancher Hinsicht besser. Während bei uns das Feld noch von den soziologisierenden Ansätzen der sechziger und siebziger Jahre beherrscht wird – der Verbrecher als Opfer seiner Umwelt, Justiz als Erziehung und Resozialisierung – hatte sich in den USA eine alternative, "realistische", "konservative" sagen manche auch, Denkrichtung gehalten bzw. erneuert, die nach Wegen effektiver Bekämpfung des Verbrechens sucht und es nicht beim Nachsinnen über die sozialen Ursachen beläßt.

Von der "Broken-Windows-Theorie" ist jetzt auch bei uns die Rede: Steht ein Auto oder ein Haus in einer Straße unbeaufsichtigt – besagt sie, kurz gesagt – bleibt es über lange Zeit unbeeinträchtigt, wenn es äußerlich einen intakten Eindruck macht. Ist aber eine Scheibe zerbrochen, wird es – empirisch nachweisbar – bald aufgebrochen und ausgeplündert sein. Die praktische Lehre daraus lautet: Es kommt auch auf Äußeres an. Verwahrlosung ist nicht nur Folge von Kriminalität, sie begünstigt und ermutigt auch dunkle Elemente..

In New York hat man nun seit Anfang der 90er Jahre erstmals entschlossen praktische Konsequenzen gezogen: Erst ging man in der verkommenen New Yorker U-Bahn unnachsichtig gegen zuvor eingerissene Unsitten vor, auch gegen vorgebliche Kleinigkeiten wie das alltägliche Schwarzfahren oder das Verschandeln von Bahnen und Anlagen mit Graffiti-Sprühereien. Zuerst wurde so die verrufene U-Bahn für die New Yorker zurückerobert.

Seit der Wahl des neuen Bürgermeisters Giuliani und der Berufung des neuen Polizeichefs Bratton kam es zu einer grundlegenden und vorbildgebenden Reform. Man hat in New York seitdem die Erwartungen der Bürger an die Polizei ernst genommen und ins Zentrum der Polizeiarbeit gestellt. Mehrere tausend Polizisten wurden seit 1994 neu eingestellt, mit Handys ausgerüstet, die Streifenwagen mit Computern und Funkverbindung zum Zentralcomputer ausgerüstet.

Die auch in Deutschland oft und gerne kolportierte Behauptung, mehr Polizei und bessere Ausrüstung könne die Kriminalitätslage nicht wirklich beeinflussen, ist durch die New Yorker Erfahrung widerlegt. Die Polizei wurde dort nicht nur massiv verstärkt, sondern auch tiefgreifend umgekrempelt und modernisiert. Die Verantwortung wurde auf die Reviere zurückverlagert. Problemzonen können durch ein jederzeit aktuelles computergestütztes Kriminalitätsbild identifiziert werden. Videoüberwachung besonders gefährlicher Bereiche stellt Streifenbeamte frei.

Auf dem Streifengang und dem im Stadtviertel bekannten Schutzmann liegt jetzt die Betonung, nicht auf spezialisierten und zentralisierten Stäben. Die bürgernahe Polizeiarbeit in den USA sucht das Gespräch mit Bürgern und Geschäftsinhabern, nimmt deren Sorgen ernst und setzt auf die Informationen, die so gewonnen werden können. Warum eigentlich sollte man das alles nicht auch in Deutschland machen können?

Bundesinnenminister Kanther hat schon im Oktober vergangenen Jahres vorgeschlagen, in einer "Aktion Sicherheitsnetz" nach amerikanischem Vorbild die Sicherheitslage in unseren Städten anzugehen: In mehreren Modellversuchen werden die Gemeinden mit ihren Ordnungsbehörden, die Landespolizeien und der Bund durch Bereitstellung von Polizeivollzugsbeamten des Bundesgrenzschutzes gezielt zusammenwirken. Auch gegen Kleinkriminalität soll konsequent durchgegriffen werden und das Gerede von der Entkriminalisierung der Massendelikte aufhören. Der Bürgerkontakt soll durch Fußstreifen der Polizei und kommunale Präventionsräte gestärkt werden. Offene Rauschgiftszenen, aggressives Betteln, Graffiti-Schmierereien an Hauswänden, öffentlichen Einrichtungen und Zügen werden nicht mehr geduldet.

Eine Reihe von Städten haben sich dem schon angeschlossen: In Berlin, wo schon seit einiger Zeit in den Berliner S-Bahnen die Kooperation von Polizei und BGS erfolgreich praktiziert wird, hat Innensenator Schönbohm die neue Sicherheitsinitiative zu seiner Sache gemacht. Auch in Frankfurt am Main, einst die deutsche Verbrechenshauptstadt, wird seit dem Amtsantritt Petra Roths aus den amerikanischen Vorbildern das Übertragbare angewendet. Die Frankfurter City-Streife, ein neues Sicherheitsdezernat, das Ordnungsamt, Ausländer- und Verkehrsbehörde zusammenfaßt, ein Präventionsrat, der die Verbrechensvorbeugung aller Stellen besonders in Brennpunktstadtteilen zusammenführt, Beseitigung der offenen Drogenszene, Belebung der Innenstadt – so kann eine Politik aussehen, die die Sorgen der Bürger ernst nimmt.

Während der Bund in seinem Bereich die Stärke von Bundesgrenzschutz, Bahnpolizei und Bundeskriminalamt ausbaut, werden z. B. im Saarland und in Niedersachsen Polizeistellen der Haushaltsmisere geopfert. Die Ausrüstung der Polizei für ihren schweren Dienst ist oft mangelhaft. In Niedersachsen, wo sich im Wahlkampf der derzeitige Ministerpräsident und sein Innenminister in starken Sprüchen ergehen, ist es der Polizei z. B. verboten, wie in Bayern und Baden-Württemberg verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen.

Der Einsatz verdeckter Ermittler und der finale Rettungsschuß wurden unter einem Ministerpräsidenten namens Schröder aus dem Polizeigesetz gestrichen. Gerade was die Innere Sicherheit anbelangt, zählen nicht Sprüche und Wendigkeit mit Blick auf Meinungsumfragen, sondern Fakten und langer Atem. Fazit: Um der Freiheit willen müssen wir die Innere Sicherheit schützen und dem Verbrechen entgegentreten.

Mancher hängt insofern noch einem radikal veralteten "Feindbild" an. Im 18. und 19. Jahrhundert mußte die Freiheit gegen den Polizeistaat geschützt werden. Im 20. Jahrhundert mußte das Recht dem Staat Sicherungen gegen die Abgründe totalitärer Herrschaft einziehen. Heute aber droht Gefahr doch nicht zuerst vom demokratischen Staat, sondern von höchst undemokratischen und unstaatlichen Elementen: Mafia, internationale Drogen-Kartelle, Intensivtäter, organisierte Kriminalität. Freiheit muß darum heute nicht mehr gegen, sondern mit dem Staat verteidigt werden.

Gerade unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung fordert eine effektive Verbrechensbekämpfung. Denn zur grundrechtlichen Freiheit der Bürger gehört deren Recht auf Sicherheit.

 
     
     
 
Diese Seite als Bookmark speichern:
 
     
     
     

     
 

Weitere empfehlenswerte Seiten:

Lettland: Land im Aufwind

Konda Dora

Leder

 
 
Erhalten:
 

 

   
 
 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
WISSEN48 | ÜBERBLICK | THEMEN | DAS PROJEKT | SUCHE | RECHTLICHE HINWEISE | IMPRESSUM
Copyright © 2010 All rights reserved. Wissensarchiv