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Ethnisch und religiös instabil

 
     
 
Die USA schlagen zurück - vorerst nur aus der Luft. Das Ziel ist Afghanistan. Doch läßt die Reaktion des Taliban-Regimes vermuten, daß es sich von dieser Machtdemonstration nicht in die Knie zwingen lassen wird. Dann wird die militärische Entscheidung durch den Einsatz von Bo-dentruppen herbeigeführt werden müssen. In den internationa- len Medien macht bereits das Wort von einer Invasion die Runde. Wenn es tatsächlich zu einem solchen Feldzug kommen sollte, käme Pakistan als wichtigster Ausgangsbasis für diese Operation große Bedeutung zu. Bisher galt das Land als verläßlicher Partner der USA und seiner Verbündeten, doch gerät die Regierung in Islamabad unter erheblichen Druck des proafghanischen paschtunischen Bevölkerung
steils. Eine Destabilisierung der pakistanischen Regierung aber könnte den Erfolg eines Militärschlages der USA gegen Afghanistan gefährden. Dann würde sich rächen, daß die Grenzen auf dem indischen Subkontinent vor Jahrzehnten ohne Berücksichtigung der ethnischen Gegebenheiten gezogen wurden.

Pakistan liegt im nordöstlichen Teil des indischen Subkontinents. Im Nordosten grenzt das Land an China, im Westen an Afghanistan und im Südwesten an Iran. Im Osten und Südosten hat Pakistan eine gemeinsame Grenze mit Indien, deren Verlauf umstritten ist. Dieser Streit geht bis ins Jahr 1947 zurück, als die britischen Kolonialherren ihren Rückzug und die Teilung des Indischen Empire beschlossen. Zuvor war es zwischen Hindus und Mohammedanern zu schweren kriegerischen Konflikten gekommen. Schnell wurde deutlich, daß dieser Kampf nur durch die Gründung eines eigenen Staates für die Mohammedaner beizulegen war. So kam es zur Gründung Pakistans, eines Staates mit mohammedanischer Bevölkerungsmehrheit und einer ausgeprägten islamistischen Ideo- logie. Der vornehmlich von Hindus bewohnte Teil des Subkontinents wurde als Indische Union konstituiert. Die Grenzziehung folgte politischen Erwägungen und nicht den ethnischen und religiösen Gegebenheiten.

Zu den Geburtswehen beider Staaten gehörte demzufolge eine Vertreibungs- und Fluchtbewegung größten Ausmaßes. Die Teilung der Gebiete, die über einhundert Jahre unter einer einheitlichen Kolonialverwaltung gestanden hatten und wirtschaftlich eng miteinander verflochten waren, war ein schmerzhafter Prozeß, der bis heute wirkt. In der Politik Pakistans, das nicht als weltlicher Staat aus der Wiege gehoben wurde, ist die Auseinandersetzung mit Indien daher stets ein bestimmender Faktor. Der Jammu- und Kaschmir-Staat grenzt sowohl an Indien als auch an Pakistan. Da der größte Teil der Bevölkerung muslimisch ist, fordert Pakistan ganz Kaschmir als mohammedanisches Mehrheitsgebiet für sich. Indien dagegen vertritt die Auffassung, daß das Nachbarland widerrechtlich an indischem Staatsgebiet festhalte. Hierüber kommt es bis heute immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen. Heute ist Kaschmir de facto geteilt, wobei Pakistan etwa ein Drittel des Landes besetzt hält. Auch wenn beide Kontrahenten mittlerweile vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart haben, bleibt die Sicherheitslage an Pakistans Ostgrenze labil.

Auch Pakistans Westgrenze orientiert sich nicht an Ethnien, sondern ausschließlich an den militärischen und politischen Erwägungen der ehemaligen Kolonialherren. Die Folge ist ein gespanntes Verhältnis zwischen Pakistan und Afghanistan. Denn von Afghanistan bis zum Indus, der traditionell als die Grenze des indischen Subkontinents gilt, leben die mit den Afghanen ethnisch und sprachlich eng verwandten Paschtunen. In ihrem Lebensraum zogen die Briten 1893 zwischen Afghanistan und Britisch Indien willkürlich eine Demarkationslinie, die sich leicht nach Westen verteidigen ließ. Nach dem Ende der britischen Kolonialherrschaft erkannte Afghanistan die Abtretung der britischen Grenzrechte an die pakistanische Regierung nicht an und forderte vergeblich die Unabhängigkeit des von Paschtunen besiedelten pakistanischen Staatsgebietes. So bleibt auch diese Grenze bis heute umstritten.

Pakistan ist arm an Bodenschätzen und Wirtschaftskraft. Fast die Hälfte des Landes besteht aus unwegsamen Gebirgen und deckungslosen Wüsten. Kernraum Pakistans ist das Tiefland des Indus, das sich über 1.400 Kilometer zwischen Himalaja und Arabischem Meer erstreckt. Seinen nördlichen Teil bildet der westliche Pandschab. Der südliche Teil ist von Flußaufschüttungen und dem Delta des Indus geprägt, in denen der Strom seinen Lauf beständig verändert. Das Tiefland des Flusses wird im Norden und Westen von Hochgebirgen umrahmt. Im Gebiet von Kaschmir im Norden gehört ein Teil des Himalaja zu Pakistan, wo die Gebirge Höhen bis 8.600 Meter erreichen. Die westliche Gebirgsumrahmung besteht im Norden aus nur schwer passierbarem Gebirgsland. Nördlich des Bekkens von Peshawar, also an der Grenze zu Afghanistan, wo über den Khaiberpaß die wichtigste Verbindung in das Nachbarland führt, liegt der pakistanische Teil des Hindukusch, der hier in Höhen bis 7.700 Meter reicht. Im südlich anschließenden Belutschistan fächern sich die Gebirge auf und bilden einen Wall gegen das Indus-Tiefland.

Außerhalb der Gebirgswälder herrschen im größten Teil des Landes deckungslose Steppen und wüstenartige Landschaften ohne nennenswerte Vegetation. Der wichtigste Wirtschaftszweig ist die Landwirtschaft. Pakistan hat eine hervorragend ausgebildete und leistungsfähige Beamtenschaft, fähige Wissenschaftler und eine gut organisierte und kampfkräftige Berufsarmee, die sich aus innenpolitischen Machtkämpfen bisher immer herausgehalten hat. Dies könnte sich jetzt ändern, denn auch in der militärischen Führung gibt es Angehörige des paschtunischen Bevölkertungsteils, die mit den Taliban sympathisieren.

Seine begrenzte Wirtschaftskraft, vor allem aber seine Isolierung in der islamischen Welt, die in seiner unnachgiebigen Haltung in der Paschtunistan-Frage ihren Ursprung hat, machten einen Anschluß Pakistans an die großen Wirtschaftsmächte der Erde unumgänglich. Als britisches Dominion und seit 1956 als Teil des Commonwealth war eine Westbindung des Landes zwangsläufig. Die wichtigsten Handelspartner sind die Bundesrepublik Deutschland, die Vereinigten Staaten von Amerika und Japan. Bisher konnten sie in jeder Hinsicht auf Pakistan zählen.

Dies könnte sich ändern, wenn es den Taliban und ihren paschtunischen Sympathisanten gelänge, die Regierung in Islamabad zu destabilisieren. Dann könnte das ganze, in Jahrzehnten mühsam gewachsene, Machtgefüge auf dem indischen Subkontinent ins Wanken geraten. /p> Vertreibungsverbrechen als Spätfolge derzeitiger Unruhen: Die von der britischen Kolonialmacht verfügten ethnischen und religiösen Teilungen Pakistans und seiner Nachbarn erzeugen bis in die Gegenwart Spannungen, die ihre frühe Ursache in politischer Willkür haben. Insbesondere der paschtunische Bevölkerungsteil Pakistans - wie hier auf unserem Foto - solidarisiert sich mit den Landsleuten aus Afghanistan.
 
     
     
 
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