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Flüssige und luftige Zaubereien

 
     
 
Christian Morgenstern spricht von den "Gedanken des Himmels", und Charles Beaudelaire nennt sie "flüssige und luftige Zaubereien". Heinrich Heine vergleicht sie mit den Göttern des alten Griechenland, "die einst so freudig die Welt beherrschten, doch jetzt verdrängt und verstorben, als ungeheure Gespenster dahin ziehen am mitternächtlichen Himmel". Wolken - faszinierend und geheimnisvoll. Wer hat ihnen nicht als Kind auf dem Rücken im Gras liegend die Gedanken mit auf die Reise gegeben? Und wer hat nicht versucht, die seltsamen Gestalten zu deuten, die Wolken annehmen können? Selbst Shakespeare
läßt seinen Hamlet grübeln, ob die Wolke über seinem Haupt ein Kamel, ein Wiesel gar oder ein Walfisch sei.

Leicht und fedrig, dunkel drohend oder von der Sonne bestrahlt so kommen sie daher. Wolken, aufgebaut zu gewaltigen Türmen oder wie Wattebäusche am blauen Himmel schwebend - vielfältig sind ihre Formen und Farben. Kein Wunder also, wenn auch Maler sich den Wolken und ihren Erscheinungsformen gewidmet haben. Barock, Romantik oder Moderne - immer wieder sind Wolken auf Gemälden großer Künstler zu finden. Während die Meister des Barock Wolken noch als Throne der Heiligen nutzten, sahen die Künstler um die Wende zum 19. Jahrhundert die Himmelserscheinungen plötzlich mit ganz anderen Augen. Sie wurden zum eigenständigen Motiv, waren nicht mehr nur Staffage. Naturwissenschaftler und Maler waren in diesen Zeiten gleichermaßen an einem Thema interessiert - die einen deckten die physikalischen Geheimnisse der Wetterkunde auf, während die anderen ein wirklichkeitsgetreues Bild der Wolken erfassen und darstellen wollten. Neben ersten illustrierten Abhandlungen über die Entstehung des Wetters schufen Künstler in Europa Bildwerke, in deren Mittelpunkt das dramatische Geschehen am Himmel stand. Eine Entdeckung, die bis heute in der Kunst Folgen zeitigt.

Dieser "Entdeckung des Himmels" sind zur Zeit gleich zwei Ausstellungen in Hamburg gewidmet. Einmal zeigt das Bucerius Kunst Forum, direkt neben dem Hamburger Rathaus gelegen, anhand von Gemälden, Ölstudien und Zeichnungen bedeutender Künstler aus unterschiedlichen Epochen die Auswirkungen des Studiums von Wolken und Licht auf die europäische Landschaftsmalerei. Wetter, Licht und Luft wurden zum eigentlichen Bildgeschehen. Auch wurde die heimatliche Landschaft mit einem Mal aufgewertet. Künstler entdeckten die Schönheiten ihrer Umgebung und den für diese Landschaft charakteristischen Himmel. Auch lösten sie sich von dem akademischen Zwang, jedes Motiv genau auszumalen; bald erkannten sie den Reiz kleiner Ölstudien, die auch beim Publikum Anklang fanden. Der Schritt zur Abstraktion war nun nicht mehr weit. Die europaweite Begeisterung für Wolken erfaßte so renommierte Maler wie John Constable, William Turner, Caspar David Friedrich oder Friedrich Dahl und Carl Blechen. Ihre Werke zählen zweifellos zu den Höhepunkten der Schau in Hamburg. Leihgaben aus ganz Europa zeugen vom hohen Stellenwert dieser Ausstellung, die noch bis zum 5. September (täglich von 11 bis 19 Uhr) zu sehen ist.

Wer es nicht scheut, einmal quer durch die Stadt zu fahren, der findet auch an dem zweiten Teil der Ausstellung "Wolkenbilder", zu der übrigens ein sehr informativer Katalog erschienen ist (Hirmer Verlag, München. 240 Seiten, farbige Abbildungen aller ausgestellten Werke, 24,80 Euro), im Jenisch Haus Gefallen. Die Außenstelle des Altonaer Museums macht in der klassizistischen Villa am Elbufer vor allem die Beziehungen zwischen Kunst und Wissenschaft um 1800 deutlich (bis 5. September, täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr). Wolkenatlanten und alte Fotos, aber auch Wetterberichte aus jüngerer Zeit zeigen, daß der Engländer Luke Howard, der vor 200 Jahren als erster den Wolken Namen gab, so falsch nicht lag. Howard erkannte zehn Wolkengrundformen in drei Höhenschichten, die er Stockwerke nannte. Seine Bezeichnungen Cirrus, Cumulus und Stratus werden heute noch verwendet, wenn auch die moderne Meteorologie mittlerweile zehn Wolkengattungen, 14 Arten, neun Unterarten und neun Sonderformen und Begleitwolken unterscheidet. Der wissenschaftlichen Aspekt des Themas wird sehr anschaulich dargestellt, so durch altertümliche meteorologische Instrumente wie etwa ein Haarhygrometer, mit dem man mittels eines Menschen- oder Tierhaares die Luftfeuchtigkeit messen konnte. Daneben sind im Jenisch Haus aber auch kuriose Exponate zu sehen. Faszinierend das Transparentbild aus dem Nachlaß von Caspar David Friedrich, das in einer Mischtechnik aus Aquarell und Tempera eine gebirgige Flußlandschaft bei Tag und bei Nacht zeigt - ein Trick, der durch die rückseitige Beleuchtung des Bildes erklärt wird. Papiertheater, eines davon aus dem Besitz von Goethes Sohn August (der berühmte und geniale Vater beschäftigte sich selbst eingehend mit dem Thema Wolken und ihren Erscheinungsformen), werden nur noch übertroffen von dem Nachbau eines sogenannten Eiduphusikon, eines "Wolkentheaters", das Mithilfe von beweglichen Kulissen die Illusion von einem lebhaften Wettergeschehen vorgaukeln konnte (Vorführungen dienstags bis freitags 16 Uhr, am Wochenende 13 und 16 Uhr). Wer Gefallen findet an dem wolkenverhangenen Sommerhimmel, der wird sich der Faszination der Wolkenbilder in der Kunst keineswegs entziehen können. Und so sollen nicht nur Hanseaten ihren Spaß haben: Die Doppelausstellung ist vom 24. September bis zum 30. Januar 2005 auch noch in der Alten Nationalgalerie Berlin und vom 26. Februar bis 8. Mai 2005 im Aargauer Kunsthaus, Aarau/Schweiz, zu sehen. Peter van Lohuizen

 

Carl Blechen: Der Golf von Spezia (Öl, um 1830; im Besitz der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Potsdam) Foto: Katalog

 
     
     
 
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