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Millionen pochen an die Tür

 
     
 
Das vom türkischen Parlament in einer 22stündigen Marathonsitzung verabschiedete Reformpaket, das den Weg des Staates am Bosporus in die Europäische Union freimachen soll, ist in Brüssel grundsätzlich begrüßt worden. Die Forderung Ankaras, nun "so bald wie möglich" Mitglied der EU zu werden, wird allerdings vorerst zurückgewiesen. Die Türkei
müsse nun beweisen, daß die Reform, durch die unter anderem die Todesstrafe (außer in Kriegszeiten) abgeschafft und die Rechte der kurdischen Minderheit im Land gestärkt werden sollen, tatsächlich in die Praxis umgesetzt wird. Das könne frühestens ab November beurteilt werden, wenn die dann neu gewählte Regierung im Amt ist.

Ein Sieg der Reformer bei den Parlamentswahlen am 3. November ist keineswegs sicher. Nach jüngsten Umfragen haben die nationalistische MHP und die islamistische AK sogar große Chancen, als stärkste Gruppierung ins Parlament einzuziehen und die nächste Regierung zu bilden. MHP und AK hatten gegen das Reformpaket gestimmt und von "Kniefall" und "Verrat" gesprochen. Sie wenden sich entschieden gegen die Abschaffung der Todesstrafe - die sie vor allem an dem ehemaligen PKK-Rebellenführer Öcalan vollstreckt sehen wollen - sowie gegen Zugeständnisse an die kurdische Minderheit. MHP-Chef Bahceli hat bereits angekündigt, das türkische Verfassungsgericht anzurufen, um die Reformen zu verhindern.

Einige gewichtige Prüfsteine hat Ankara ohnehin noch nicht aus dem Weg geräumt. So nimmt das Militär noch immer eine zu dominante Rolle auch in politischen Entscheidungsprozessen ein, und in der Zypernfrage hat sich die Türkei auch noch nicht bewegt. Für Beitrittsverhandlungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt gebe es deshalb "überhaupt keinen Handlungsbedarf", urteilte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber.

Den Fortgang der Reform vorausgesetzt, hat sich die EU vorbehalten, auf ihrem Kopenhagen-Gipfel im Dezember der Türkei ein konkretes Datum für Verhandlungen zu nennen. Das hätte für das Land vor allem weitreichende wirtschaftliche Bedeutung. Noch im Herbst will die EU-Kommission die sogenannten Vor-Beitrittshilfen von bislang rund 180 Millionen Euro pro Jahr aufstocken. Einen weiteren Finanzschub könnte Ankara ab 2004 erwarten.

Außer EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen ("Ein wichtiger Schritt vorwärts") hat Bundesinnenminister Otto Schily die Entscheidungen als "wertvoll für die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei" bezeichnet. Damit eröffne sich nun auch die Möglichkeit, den in deutscher Haft sitzenden, in der Heimat nicht mehr von der Todesstrafe bedrohten türkischen Islamistenführer Metin Kaplan ("Kalif von Köln") auszuliefern.

Die Genugtuung, ausgerechnet mit der Türkei einen islamistisch geprägten Staat in die christlich orientierte Gemeinschaft europäischer Staaten aufzunehmen, teilen nicht alle Politiker. Ein Land, dessen weitaus größter Teil auf dem asiatischen Kontinent liege und auch wesentlich von dessen Geschichte geprägt sei, könne nicht zu Europa gehören, kritisieren konservative Abgeordnete in Straßburg. Es mehren sich auch Stimmen, die Masseneinwanderungen befürchten.

Die Alternative, so kontern Befürworter des Beitritts, wäre nur, daß sich das Nato-Mitglied Türkei nach Osten und Kleinasien orientieren könne und "als Kopfnation der islamischen Welt gegen Europa" (Die Welt) stünde.

Derweil ist in Deutschland erneut heftiger Streit zwischen CDU/CSU und SPD um die doppelte Staatsbürgerschaft entbrannt. Über 40 Prozent aller Ausländer, die derzeit die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, gegen den Paß ihres Heimatlandes nicht ab. Vor allem bei Bürgern türkischer Abstammung ist ein großer Anstieg der Doppelstaatler zu verzeichnen, berichtete die Welt am Sonnta
 
     
     
 
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