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Millionen verlieren ihre Heimat

 
     
 
Der Mekong soll endlich entwickelt werden, verkündete freudig eine kürzliche UN-Konferenz in Bangkok. Zehn Milliarden Dollar an Investitionen will die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) für Autobahnen, Brücken, Staudämme, Häfen und Kraftwerke aufwenden. Am Oberlauf des Mekong, in Yunnan, treibt China schon seit Jahren eine aggressive Dammbaupolitik. Bis zu 14 Staudämme sind bis 2020 geplant. Durch Sprengungen von Felsbänken und Verhinderung von Stromschnellen versucht es, die Schiffbarkeit am Oberlauf des ungestümen Stromes zu erhöhen. Schon nehmen die Fangerträge
der Bauern und Fluß- fischer des Unterlaufes spürbar ab.

Obwohl 60 Millionen Menschen an seinem Lauf, seinen Nebenflüssen und in seinem Delta siedeln, gilt der 4.800 Kilometer lange Mekong noch als der am wenigsten verschmutzte Wasserweg unter den großen Strömen Asiens. Seine 1.700 Fischarten ermöglichen einen jährlichen Fang von 1,6 Millionen Tonnen, die einen Marktwert von 1,4 Milliarden Dollar erzielen. Allein in Kambodscha werden 60 Prozent des Eiweißbedarfs der Bevölkerung von jenem größten Binnenwasserfischfang der Welt gedeckt. Während der Regenzeit von Mai bis September verwandelt sich ganz Mittel- und Ostkambodscha in eine riesige Seen- und Flußlandschaft. Der Tonle-Sap-Fluß, der eigentlich ein breiter Mekong-Zubringer ist, kehrt dann seinen Lauf um. Er läßt dann das Hochwasser des Mekong in den großen Tonle-Sap-See einströmen, der ein gut Teil der kambodschanischen Landwirtschaft bewässert und der für seinen Fischreichtum und das Überleben der Bauern sprichwörtlich war. Wegen des Raubbaus an den tropischen Regenwäldern Indochinas und Yunnans kommt aber statt natürlichem Dünger nur noch erstickender Schlamm durch den Tonle Sap.

1984 begann China mit seinem ersten Staudammbau, dem Mauwan-Damm in Yunnan. Tausende von Bauern und Kleinstädtern der mit den Thais und Laoten verwandten Minderheit der Dai wurden aus dem Flutungsgebiet umgesiedelt und verloren ihren Lebensunterhalt. Nachdem 1993 der Mauwan-Damm fertiggebaut war, sank der Wasserstand des Mekongs während der Trockenperiode von November bis Mai flußabwärts deutlich ab. Während dieser Zeit wird er hauptsächlich von der Gletscherschmelze aus Tibet gespeist. Dies Wasser blieb nun im Staubecken. Die gewonnene Elektrizität wird in die neuen Ballungszentren entlang der Ostküste Chinas, vor allem nach Kanton und Shanghai, geliefert.

1996 hat China mit dem Bau zweier neuer Dämme begonnen: der Dachaoshau-Damm und der Xiaowan-Damm. Der Xiaowan ist mit 300 Metern Höhe fast so groß wie der weltweit größte Dreischluchtendamm am Jangtse. Mit Baukosten von 2,7 Milliarden Dollar soll er bis 2012 fertig sein. Nach chinesischen Plänen soll bis 2020 eine Kaskade von bis zu 14 Dämmen den Oberlauf des Mekong, der in China Lancan-Fluß heißt, stauen. Die Umwelteffekte werden kurzerhand in einer rein spekulativ argumentierenden amtlichen "Umweltstudie" als unerheblich abgetan. Den südlichen Anrainern (Laos, Thailand, Kambodscha) bietet China den Verkauf seiner Elektrizität an. Dazu muß aber erst noch für 4,5 Milliarden Dollar ein regionales Stromnetz gebaut werden.

Die Proteste der stromabwärts gelegenen Nachbarn fallen nicht nur wegen der wachsenden wirtschaftlichen und politischen Macht Chinas gedämpft aus. Sie bauen auch selbst an eigenen Dämmen, die die Zuflüsse zum Mekong stauen. So errichtete Thailand mit Hilfe der Weltbank 1991 bis 94 den Pak-Mun-Damm am Mun-Fluß, der nun in der Trockenzeit dammabwärts wasserlos ist. Laos stellte 1998 mit den Geldern der Asiatischen Entwicklungsbank den Theun-Hinboun-Damm fertig. Als der Fischfang flußabwärts bei beiden Dämmen um 70 Prozent zurückging, ließ die Weltbank eine nutzlose Fischleiter bauen. Sie hatte übersehen, daß im Mekong keine Lachse schwimmen. Die einheimischen Fische wandern zwar zum Laichen, benutzen aber keine Treppen. Die AEB gratulierte sich erst einmal zu ihrem Bau und bot dann den Fischern verspätet Entschädigungen in unbekannter Höhe an.

Da in Laos wie im chinesischen Yunnan hauptsächlich ethnische Minderheiten vom Dammbau verdrängt werden, plant die kommunistische Regierung in Vientiane den Bau weiterer fremdfinanzierter Dämme für 1,1 Milliarden Dollar, um Strom nach Thailand verkaufen zu können. Auch Vietnam hat 1996 am Sesan-Fluß, einem Mekong-Zubringer, ein großes Flußkraftwerk bauen lassen. Die flußabwärts wohnenden kambodschanischen Bauern werden seither von Springfluten überrascht, die schon 32 Menschen das Leben kosteten. Häufig ist das abgelassene Wasser auch so schlammig und verunreinigt, daß sein Verzehr Krankheiten auslöst. Seit 2002 baut Vietnam dort einen zweiten Damm. Dabei dringt jetzt schon das Salzwasser des Südchinesischen Meers bis zu 60 Kilometer in das vormals fruchtbare Mekongdelta, die Reiskammer Vietnams, wo fünf Millionen Bauern 40 Prozent der vietnamesischen Agrarproduktion anbauen.

Die verbesserte Elektrizitätsversorgung ermöglicht nun auch eine verstärkte Industrialisierung, die in asiatischen Entwicklungsländern dank ungeklärter Abwässer und Abgase stets mit außerordentlich hohen Umweltbelastungen einhergeht. Am Oberlauf des Mekong hat die in den 90er Jahren einsetzende Industrialisierung Yunnans den früher kristallblauen Erhai-See in eine schmutzige braune Kloake verwandelt. Die dort lebenden einstigen Fischer des Dai-Volkes führen jetzt vor chinesischen Touristen putzige Volkstänze auf.

Um den Oberlauf des Mekong schiffbar zu machen, haben chinesische Pioniereinheiten schon an die 70 Flußinseln, Stromschnellen, Felsbänke und Riffe gesprengt. Nach dem Abschluß der Sprengungen sollen Frachtschiffe von bis zu 100 Tonnen von Sinnao in Yunnan bis Vientiane fahren können. Dies wird zweifellos die Fließgeschwindigkeit erhöhen, die Flußufer unterspülen und viele Laichplätze zerstören. Schon jetzt stehen die Großen Katzenfische und die Flußdelphine, die um die Khonefälle beheimatet sind, vor dem Aussterben. Davor steht auch eine jahrtausendealte Flußkultur und die Lebensweise von Millionen Flußfischern und Kleinbauern.

Ironischerweise vollenden so meist kommunistische Regierungen mit internationalen Geldern, was die Amerikaner schon 1956 zur Bekämpfung des Kommunismus und der Unterentwicklung Indochinas geplant hatten. Dem New Deal des Tennessee-Tals ähnlich sollte der gesamte Mekonglauf mit stromerzeugenden Staustufen entwickelt und so der kommunistischen Subversion buchstäblich das Wasser abgegraben werden. Die Eskalation des Vietnamkriegs, nicht zuletzt der Widerstand der Reisbauern des Mekongdeltas, verhinderten damals die Umsetzung. Heute machen nur eine Handvoll einheimischer Umweltschützer höfliche Vorbehalte.

Erwerbsquelle: Der Mekong ist für die Fischer und Reisbauern lebenswichtig. Wird jedoch ein Staudamm gebaut, verändern sich der Lauf und die Wassermenge für die Anrainer bedrohlich.
 
     
     
 
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