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Mit der Furmanka in die EU?

 
     
 
Als gravierende Schwachstelle zeigt sich auch die weithin unterentwickelte Infrastruktur im Verkehrs- und Nachrichtenwesen, der Wasserwirtschaft, des Umweltschutzes, der Bildungseinrichtungen u. a. m. Da gerade die vorgenannten Sektoren eine gewichtige Rolle beim angestrebten EU-Beitritt aber auch den dafür erforderlichen Strukturbeihilfen spielen, seien einige Fakten genannt: Nach der OECD-Statistik beträgt bei einer Gesamtfläche von 312 680 qkm der Ackerflächenanteil 66 Prozent, wovon 91 Prozent von privaten Bauern bestellt werden. Bei einer Bevölkerung
von 38,7 Mio. und 15,8 Mio. Beschäftigten arbeiten rund 4,3 Mio., somit 28 Prozent, in der Landwirtschaft (EU-Durchschnitt fünf Prozent, Bundesrepublik Deutschland unter zwei Prozent), 29 Prozent in der Industrie und 43 Prozent im Dienstleistungsgewerbe. Nur knapp die Hälfte von zwei Mio. Bauernhöfen mit mehr als einem Hektar Nutzfläche (Durchschnitt sieben Hektar) arbeiten für den Markt und nur ein Drittel der Höfe kann vom Verkauf ihrer Erzeugnisse existieren.

Im Vergleich mit ihren westlichen Nachbarn kann die polnische Landwirtschaft weder hinsichtlich der Produktivität (ca. 50 Prozent) noch Qualität der Erzeugnisse mithalten. Angesichts dieser Sachlage bedarf es keiner großen Phantasie, was im Fall eines EU-Beitritt Polens allein im Agrarsektor, der ja schon jetzt in der EU die Hälfte des Gesamtbudgets von 80 Mrd. Mark beansprucht, an Finanzbedarf für die "Heranführung" und die unumgänglichen Strukturanpassungen auf uns zukommen wird. Auch im Bergbau und den Hüttenbetrieben steht sowohl infolge des rückläufigen Absatzes als auch der notwendigen Modernisierung der Anlagen eine Umstrukturierung ins Haus. So muß im Steinkohlebergbau sowohl die Fördermenge als auch die Zahl der Beschäftigten (um über 100 000) reduziert werden.

Man kann sich angesichts der kürzlichen Bauernproteste ausmalen, was in Polen passieren wird, wenn Hunderttausende freigesetzte Bauern und Bergleute auf den Arbeitsmarkt drängen (in der Bundesrepublik Deutschland arbeiten derzeit rund 200 000 Polen). Im Gegensatz zu den Grundindustrien konnte die verarbeitende Industrie in den letzten Jahren bemerkenswerte Zuwachsraten erzielen. Sie war denn auch – dank umfangreicher ausländischer Investitionen – der Hauptträger des polnischen Wirtschaftsaufschwungs. Allerdings ist seit 1998 – bedingt durch eine schwächere Inlandsnachfrage und Einbußen bei den Ost-Exporten – eine deutliche Abflachung der bislang hohen Wachstumsraten festzustellen. Als ausgeprägte Wachstumsbranchen erweisen sich bemerkenswerterweise Produzenten von stark nachgefragten Gebrauchsgütern wie Pkw, Unterhaltungselektronik und Elektro-Hausgeräten und Telekommunikation, also Sparten, in denen sich vor allem ausländische Konzerne mit hohen Investitionen engagiert haben. Im Dienstleistungssektor stiegen die Einzelhandelsumsätze 1998 um rund 30 Prozent bei einer Inflationsrate von rund elf Prozent.

Insgesamt betrachtet kann Polen aufgrund seiner unausgewogenen Wirtschaftsstruktur, seiner ungenügenden Produktivität (nach Expertenmeinung ca. 40 Prozent des EU-Durchschnittes bzw. 60 Prozent der ärmsten EU-Länder), niedriger Sozialstandards, seiner andersartigen Wirtschafts- und Rechtsverfassung und vieler, in Jahrzehnten angestauter, aber ungelöster Probleme nicht als EU-reif gelten, jedenfalls nicht – wie von einigen euphorischen, profilierungs- und ordenssüchtigen Politikern befürwortet – bis zum Jahr 2000 oder 2003. Ohne massive Auslandshilfe läßt sich die Beitrittsfähigkeit ohnehin nicht erreichen. Ungeachtet dessen scheinen sich die in nationalen Forderungen bekanntermaßen unrealistisch denkenden Polen nicht davon abhalten zu lassen, eben mit der Furmanka (Panjewagen mit Pferd) im Endspurt-Trab in die EU zu gelangen.

Den Fahr- und Eintrittspreis sowie die Unterhaltungskosten hat ja der deutsche Steuerzahler zu zwei Dritteln zu tragen, quasi als Nachfinanzierung der ihm geraubten und nunmehr ausgeraubten Ostgebiete.

 
     
     
 
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