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Nahöstliches Lügengebäude

 
     
 
Palästina/Israel: Die Spirale der Gewalt im Nahen Osten dreht sich weiter: Israel reduziert seine militärischen Aktivitäten allenfalls halbherzig, und radikal-terroristische Palästinenser-Organisationen ersticken jeden Hoffnungsschimmer durch immer neue blutige Attentate - möglicherweise gehen auch die Toten von Djerba auf ihr Konto. Beide Seiten rechtfertigen ihre Gewaltpolitik mit historischen, religiösen, moralischen und politischen Argumenten. Offenbar haben beide bis zu einem gewissen Punkt Recht, aber zugleich auch wieder Unrecht. Zwei unserer ständigen Mitarbeiter, beide ausgewiesene Kenner der Verhältnisse in der Krisenregion, stellen mit ihren Beiträgen unter Beweis, daß es hier keine einfachen Wahrheiten gibt - gerade die Vielschichtigkeit des Problems macht eine dauerhafte Lösung so schwierig.

Mit allem, was sich zum Nahost-Konflikt schreiben läßt und über Gemeinplätze hinausgehen soll, rennt man gegen einen Wall aus Lüge, Halbwahrheit, Manipulation
und Feigheit - wie bei keinem anderen Thema sonst. Gegen eine der Welt aufgezwungene einseitige Terminologie ist schwer zu argumentieren, und da Geschichte teilweise im Strafgesetz festgeschrieben ist, bleibt selbst die Erforschung von Fakten eingeschränkt. Doch manches läßt sich eben nicht unter den Teppich kehren:

Wieviele Menschen in halbtrockenen Zonen maximal leben können, ist durch die dort verfügbare Wassermenge bestimmt. Versuche, diese zu erhöhen, gehen stets zu Lasten Dritter oder der Zukunft. Der Assuan-Hochdamm etwa bewirkt, daß ein beträchtlicher Teil des Nil-Wassers verdunstet oder versickert. Das libysche Bewässerungsprogramm zapft fossiles Grundwasser an, ist daher begrenzt und trocknet natürliche Oasen aus. Und Meerwasser-Entsalzung wie in Saudi-Arabien basiert auf (derzeit noch billigen) fossilen Energieträgern. In Palästina gibt es nichts davon, und der israelische "Aufbau" - vor allem die propagandistisch ausgewalzte Kibbuz-Wirtschaft - beruht nur zum geringsten Teil auf "besserer Verwertung" von Wasser, sondern primär auf Wasser, das Palästinensern, Syrern und Libanesen unter Gewaltanwendung abgegraben wurde. Die Millionen-Einwanderung mußte unweigerlich die Möglichkeiten der angestammten Bevölkerung reduzieren - egal ob dies auf Vertreibung hinausläuft oder nicht.

Auch die wirtschaftlichen Möglichkeiten Palästinas sind eng begrenzt, selbst wenn die Abermilliarden, die laufend an Spenden, Subventionen oder Tributzahlungen zufließen, dies verschleiern. Der allergrößte Teil an Werten, Energie und Menschenmaterial (das auf Kosten anderer Volkswirtschaften aufgezogen und ausgebildet wurde) ging und geht nach Israel, während Brosamen für die Palästinenser abfallen, um sie halbwegs ruhig zu stellen. Doch der Gegenwert muß anderswo erarbeitet werden! Und selbst wenn Gelder aus arabischen Ländern kommen, so bezahlen wir auch dafür über den Ölpreis, der niedriger wäre, würden die Öl-Scheichs nicht Waffen kaufen, die man ihnen wegen der israelischen Bedrohung und wegen der regelmäßig von außen inszenierten Kriege aufschwatzen kann.

Diese Fakten müßten genügen, um das Nahost-Problem als Versuch einer Quadratur des Kreises und Palästina als Faß ohne Boden erkennen zu lassen. Aber die Regierungen verschweigen es ihren Völkern, ergehen sich in pseudo-moralischen Phrasen und reißen mit jedem Loch, das sie auf unsere Kosten stopfen, ein paar neue auf. Diese Nahost-Politik ist eine Ausgeburt des schlechten Gewissens - für welches es zwar gute Gründe gibt, die aber keineswegs so gut sind, daß man uns ewig in Geiselhaft halten darf.

Mit der Machtergreifung des Ariel Sharon bekam das Problem eine neue Dimension. Als Kommandant bei der Libanon-Invasion 1982 hatte er sich bewußt über die eigene Regierung hinweggesetzt, um vollendete Tatsachen zu schaffen, und ebenso später als "Siedlungsminister". Und er allein hatte es in all den Jahren der Besetzung für nötig befunden, die islamischen Heiligtümer am Tempelberg zu "besuchen".

Sharon ist aber keineswegs nur jener eiskalte Zyniker, als der er im Fernsehen erscheint. Er ist auch geprägt von Heldenmythen - von Makkabäern, von Massada oder von seiner erklärten Lieblingslektüre, dem Buch Josua, in dem beschrieben ist, wie schon vor drei Jahrtausenden "ethnische Säuberungen" als Mittel der Landnahme dienten - und wohl auch von manchem Hollywood-Kitsch.

Israel erlebt eine verstärkte Wiederauswanderung junger und qualifizierter Personen, was teils mit materiellen Gründen, teils mit Wehrdienstverweigerung zu tun hat. Sharons Rezept dagegen ist Eskalation, denn einerseits hofft er, "patriotische Kräfte" zu mobilisieren, andererseits kommt es im Ausland zu "antisemitischen" Reaktionen und zu der so "nützlichen" Pogromangst unter Juden. Und Sharon weiß, daß europäische Politiker sich an den labilen status quo klammern, weil sonst hunderttausende Araber illegal oder hunderttausende Juden legal nach Europa strömen würden.

Europäische Politiker wissen auch genau, daß Sharon die Mentalität eines Selbstmordattentäters hat, der - einmal in die Enge getrieben - nicht vor dem Einsatz von Atomwaffen zurückschrecken würde, um möglichst viele andere mit ins Verderben zu reißen. Und Sharon weiß, daß die Europäer dies wissen. Und diese wiederum wissen, daß - unter anderem wegen der von Deutschland gelieferten, für den Abschuß von Mittelstreckenraketen geeigneten U-Boote - jeder Punkt in Europa, Nordafrika und Vorderasien gefährdet ist.

Aber der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken, das würde keiner wage
 
     
     
 
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