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          Vierzig Millionen     Franzosen waren Mitte März dazu aufgerufen, die Gemeinderäte und die Bürgermeister neu     zu wählen, da in Frankreich die Kommunalwahlen alle sechs Jahre abgehalten werden.     Besonders spannend sollte der Ausgang dieser Wahlen in Paris und Lyon sein, zwei Städten,     wo die Bürgerlichen den regierungsfreundlichen Kräften gegenüber ihre Uneinigkeit     bewiesen haben.
       Obwohl insgesamt in Paris die Rechten mehr Stimmen als die Linken verbuchen konnten,     wird die Hauptstadt mindestens während der nächsten sechs Jahren einen sozialistische   n     Oberbürgermeister haben, und das gleiche in Lyon. In Paris, Lyon und Marseille (wo der     bürgerliche Gaudin sich gehaupten konnte) wählt man nämlich nach einem komplizierten     Wahlsystem je nach Stadtbezirk. Bertrand Delanoe in Paris und Gérard Collomb in Lyon sind     deshalb aus der Wahl als klare Sieger hervorgegangen, ohne daß Schlußfolgerungen für     die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen gezogen werden können.
       Für Premierminister Lionel Jospin, der derzeit alles tut, um den Staatspräsidenten     Chirac ablösen zu können, sieht allerdings das Gesamtergebnis der Kommunalwahlen     besonders bitter und besorgniserregend aus. Die vier Minister seiner Regierung, die sich     in der Provinz bewerben, wurden verheerend geschlagen; die Kommunisten, die mit den     Sozialisten und den Grünen die mehrgleisige Linke ("gauche plurielle") bilden,     erlitten am 11. und 18. März tiefgreifende Niederlagen, so daß sie nun keine Stadt von     mehr als 100 000 Einwohnern mehr kontrollieren; die Grünen, die im ersten Wahlgang schon     gut abgeschnitten haben und sich noch steigern konnten, beanspruchen jetzt sogar eine     größere Rolle in der Gestaltung der Politik der Regierung. Mehr als zwanzig bedeutende     Städte sind insgesamt von der Linken zu den Bürgerlichen übergelaufen, was die     Diskrepanz zwischen Paris und der Provinz, im allgemeinen wie politisch gesehen, bezeugt. 
       Für Jacques Chirac sollte das Ergebnis der Gemeindewahlen ebenfalls eine bittere Lehre     sein. Der Staatschef, der sich offensichtlich gegenwärtig als der "Weise aus dem     Elysée-Palast" profilieren möchte, hat in der Tat die Spaltung der Pariser Rechten     und ihre Zersplitterung nicht unterbinden können und zuden den Verlust einer seiner     Hochburgen in Tulle (Corrèze) zugunsten des Ersten Sekretärs der Sozialistischen Partei,     Francois Hollande, hinnehmen müssen. In Hinblick auf die Präsidentschaftswahl wird     jedoch der gegenwärtige Staatschef mit Genugtuung registriert haben, daß der Einfluß     der Rechtsaußen und der Euroskeptiker gesunken ist, so daß er bei einer Stichwahl auf     die Gesamtheit der Stimmen der Rechten hoffen darf. Jedenfalls dürfte sich der Präsident     weiterhin ganz seinem einzigen Ziel widmen, wiedergewählt zu werden. Für die     französischen Grünen, die weniger stürmisch als die deutschen Grünen sind, sollten die     Kommunalwahlen vom 11. und 18. März zu Entscheidungen führen. Eine ihrer     Schlüsselpersönlichkeiten, die Umweltministerin Dominique Voynet, scheiterte jämmerlich     schon im ersten Wahlgang und wird nun große Mühe haben, sich noch durchzusetzen. Schon     vor der Wahl hatte sie beschlossen, ihre Kräfte der Erneuerung ihrer Partei zu widmen.     Wie die deutschen sind die französischen Grünen in mehrere Richtungen gespalten und ein     Teil des linken Establishments, innerhalb dessen sie nicht viel gegen die Dominanz der     Sozialisten auszurichten haben. In diesem Zusammenhang könnten die Richtungskämpfe bei     den Grünen und das schlechte Abschneiden der Kommunisten Lionel Jospin dazu bringen,     wieder stärker auf seine eigene sozialistische Partei als auf deren Verbündete zu     setzen.
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