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Polnische Retourkutsche

 
     
 
Normalerweise gilt es als einfacher, einen Sack Flöhe zu hüten, als im polnischen Parlament Einmütigkeit zu erzielen. Da sitzen von strammen Altkommunisten bis zu ebenso strammen Neonationalisten politische Kräfte beisammen, wie man sie sich gegensätzlicher kaum vorstellen kann. Offenbar gibt es derzeit nur ein Thema, das selbst diese Bandbreite zu überspannen vermag: wenn es gegen den Nachbarn im Westen geht.

So auch am Freitag letzter Woche, als die Sejm-Abgeordneten in Warschau wieder einmal das betriebe
n, was sie den Deutschen so gern vorwerfen: Geschichtsklitterung und Revisionismus. Obwohl nämlich seit gut einem halben Jahrhundert die Frage von Reparationsleistungen für Schäden, die Deutschland Polen während des Zweiten Weltkriegs zugefügt hat, zwischenstaatlich abschließend geregelt ist, hielten es die polnischen Parlamentarier für angemessen, ihre Regierung aufzufordern, von Berlin Entschädigungszahlungen zu fordern und notfalls auch gerichtlich einzuklagen. Sie ignorierten mit diesem Beschluß die internationale Rechtslage, wie sie auch von bislang allen polnischen Regierungen einschließlich der zur Zeit amtierenden gesehen wird.

Daß sich folglich die Warschauer Regierung in bemerkenswert klarer Form von dem Beschluß des eigenen Parlaments distanziert hat, ist ein gutes Zeichen und läßt hoffen, daß wenigstens in Teilen der polnischen politischen Klasse Vernunft über Emotionen siegt. Besorgniserregend aber bleibt, daß der Parlamentsentschluß, der einstimmig bei nur einer Enthaltung getroffen wurde, offensichtlich die Stimmungslage weitester Teile der polnischen Bevölkerung widerspiegelt.

Zweifellos ist dieser Vorgang auch als Reaktion auf die Diskussionen der letzten Wochen über die Preußische Treuhand zu sehen, eigentlich also nur eine billige Retourkutsche. Angeheizt hatte diesen Streit vor allem Bundeskanzler Schröder, als er in Warschau das durchaus strittige Thema Preußische Treuhand in - wie BdV-Präsidentin Steinbach formulierte - "unanständiger" Weise mit dem Projekt eines Zentrums gegen Vertreibungen verknüpfte. Solcherart ermuntert, wurden die Reaktionen in Polen heftiger und unsachlicher.

In Pommern wurde jetzt sogar - als Antwort auf die im selben Atemzug heftig beschimpfte Preußische Treuhand - eine "Polnische Treuhand" gegründet. In ihr wollen sich polnische Bürger aus Gdingen zusammenschließen und vor internationalen, eventuell auch amerikanischen Gerichten Entschädigungen für die Zwangsaussiedlung während der deutschen Besatzung einklagen.

Solchen Verfahren werden aber von Rechtsexperten ebenso wenig Erfolgsaussichten eingeräumt wie Klagen der Preußischen Treuhand. Gleiches gilt für die jetzt vom Sejm aufgestellten Entschädigungsforderungen. Den Abgeordneten in Warschau ist dies bewußt. Woraus man leider schließen muß, daß es ihnen wohl nur darum ging, das Klima weiter zu vergiften. Juliane Meier

 
     
     
 
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