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Schicksale hinter den Fakten

 
     
 
Viel Wiedersehensfreude gab es zwischen den rund 40 Teilnehmerinnen des politischen Seminars, doch auch einige neue Gesichter hatten sich im Ostheim eingefunden. Am Thema "Das nördliche Ostdeutschland und seine Bewohner - Altbürger und Neubürger des Königsberger Gebietes und des Memellandes und ihre Integration in die Nachkriegsgesellschaft" waren alle Frauen sehr interessiert. Sie setzten sich mit den Standpunkten der Referenten auseinander, diskutierten rege, fragten nach, und nicht wenige konnten aus ihrer eigenen Biographie Erlebnisse und Erfahrungen zur Ergänzung des Gehörten anführen.

Peter Wenzel von der Freundeskreis Ostdeutschland
hatte das Seminar organisiert. Ihm war gelungen, sieben Referenten zu gewinnen, die das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Richtungen beleuchteten. Uta Lüttich, Bundesvorsitzende der ostdeutschen Frauenkreise, gab eine Einführung in das Seminarthema und leitete das Seminar.

An allen Tagen war der Publizist und Journalist Dr. Henning von Löwis of Menar anwesend. Er arbeitet für den Deutschlandfunk / Deutschlandradio und berichtet seit Jahren von der Entwicklung des Königsberger Gebietes. In seinem Vortrag "Königsberg nach der EU-Osterweiterung" zeichnete er ein positives und optimistisches Bild von den Veränderungen der Stadt. Immer wieder betonte er, daß jemand, der Königsberg nicht letztes oder dieses Jahr besucht habe, nicht auf dem aktuellen Stand sei. Es habe sich kurz vor und seit dem Stadtjubiläum "750 Jahre Königsberg" enorm viel in der Stadt getan. Er bezeichnete das Königsberger Gebiet als eine Armutsinsel mit einer "Boomtown", als Rußlands Westen, der einmal Deutschlands Osten gewesen sei und Königsberg als eine Stadt wie keine andere, in der Arbeitskräftemangel herrsche. Nicht alle Teilnehmerinnen konnten seine Beschreibung der heutigen Stadt uneingeschränkt teilen. Einige Skepsis blieb.

Das Auftaktreferat hielt Prof. Dr. Wolfgang Stribrny. Sein mit Anekdoten aufgelockerter Streifzug durch den Rahmen: "An Pregel und Memel. Der Norden Ostdeutschlands von den Anfängen bis 1945" war wichtige Auffrischung notwendigen Basiswissens. Anschaulich und nachvollziehbar vermittelte er den Teilnehmerinnen geschichtliche Zusammenhänge.

Ebenfalls Historiker ist Dr. Eck-hard Matthes. Er sprach über "Sowjetische Umsiedler in Königsberg nach 1945". Mit der Neubesiedlung des Gebietes von 1945 bis 1948 ging die Deportation der deutschen Bevölkerung, der noch überlebenden Deutschen 1947 und 1948 einher. Dr. Matthes hatte in russischen Archiven geforscht und konnte den Hörerinnen ihnen bis dahin unbekannte Fakten nennen und Informationen geben. Die Frage: wer woher und wie ist nach 1945 in das Königsberger Gebiet gekommen? hatte die Teilnehmerinnen zuvor nicht tiefgründig beschäftigt. Auch hatte kaum jemand gewußt, daß Aussiedlungslisten der Jahre 1947 und 1948 vorliegen, die viele Detailangaben enthalten. Sie betreffen rund 100000 Deutsche.

Das Thema, mit dem Dr. Kirsten Salein, eine junge Ethnologin und Kulturanthropologin, angekündigt war, hatte Erwartungen geweckt: "Auf der Suche nach einem neuen Königsberg. Lebensstile Jugendlicher als Folie des gesellschaftlichen Transformationsprozesses". Ihre Darstellung beschränkte sich auf die studierende Jugend, deren Lebenssituation und Zukunftsvorstellungen.

"Die Arbeit der evangelischen Kirche und der Gemeinschaft evangelischer Ostdeutschland im Königsberger Gebiet" stellte Propst i. R. Erhard Wolfram dar.

Hervorragend war das von Prof. Dr. Gilbert Gornig gehaltene Referat zum Thema "Die völkerrechtliche Situation des Königsberger Gebietes und des Memellandes und der Schutz der Minderheiten im nördlichen Ostdeutschland". Der Völkerrechtler verstand, auch komplizierte Sachverhalte und Zusammenhänge seinem Publikum verständlich zu machen. Die ihm gebannt Zuhörenden hatten Aha-Erlebnisse, kamen zu Einsichten und Erkenntnissen, die allesamt verdienen, Verbreitung zu finden. Seine Beweisführung, weshalb die Eingliederung des Memellandes 1939 rechtmäßig, aber die Eingliederung Danzigs rechtswidrig war, war überzeugend. Seine Abschweifungen in die jüngere deutsche Geschichte, seine Anmerkungen zu den Ostverträgen, sein den Teilnehmern die Augen Öffnen über die "2+4 Verträge" - es war zu jedem Zeitpunkt des frei gehaltenen Vortrags spannend zuzuhören und möglich, viel zu lernen.

Der Volkskundler Prof. Dr. Siegfried Neumann selbst Flüchtling aus Ostdeutschland, hielt das letzte Referat des Seminars. "Wie sind wir hier angekommen? Die Integration der deutschen Heimatvertriebenen in die deutsche Nachkriegsgesellschaft am Beispiel Mecklenburg" war sein Thema. Er führte, auch mit sehr persönlichen Beispielen, den Teilnehmerinnen Verhältnisse und Situationen vor Augen, die nicht wenige noch aus eigenem Erleben erinnern. Seine Darstellung enthielt auch Beispiele dafür, wie nah beieinander in schwerer Zeit Tragik und Komik liegen können. Insgesamt ein guter Abschluß, eine Abrundung der Themenbereiche dieses Seminars, das vom ersten bis zum letzten Moment in guter Atmosphäre verlief.
 
     
     
 
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