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Renten: Bonn streicht die Altersbezüge immer weiter zusammen

 
     
 
Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, ein sonst zuverlässiger Analytiker des schwachbrüstigen deutschen Rentensystems, hatte sich diesmal geirrt. Wer im Jahre 2015 in Rente gehe, bekomme nur noch das heraus, was er in die Rentenkasse einbezahlt habe, so eine Berechnung des CDU-Politikers. Spätere Jahrgänge würden sogar Verluste machen. Doch bereits heute liegt der erste Fall eines Rentners beim Bundesverfassungsgericht
, der knapp 100 000 Mark weniger aus der Rentenkasse bekommen dürfte, als er eingezahlt hat. Sozialminister Norbert Blüm und der die Renten teilweise besteuernde Finanzminister Theo Waigel müssen sich auf Ärger einstellen.

Eines vorweg: Ohne die seit 1977 vorgenommenen zahlreichen Einschnitte und Änderungen im Rentenrecht hätte es die Klage in Karlsruhe gar nicht gegeben. Denn der Durchschnittsrentner würde heute ohne die Bonner Kürzungsorgien (die bereits von der sozialliberalen Koalition begonnen wurden) 2561 Mark im Monat erhalten. Statt dessen belief sich die tatsächliche "Eckrente" (45 Jahre eingezahlt bei Durchschnittsverdienst) im vergangenen Jahr auf 1974,70 Mark.

Aufgrund einer SPD-Anfrage rückte der Bonner Sozialstaatssekretär Rudi Kraus (CSU) mit der für die 16 Millionen Rentner unangenehme Wahrheit heraus: Ohne die zwei DIN-A4-Seiten lange Aufstellung von Kürzungen, Einschnitten und Begrenzungen (seit 1977) hätte der statistische Durchschnittsrentner heute 586,30 Mark mehr im Monat auf seinem Konto.

Besonders tiefgreifende Einschnitte: Mehrfach wurden Rentenerhöhungen verschoben und fielen geringer aus. Die Anrechnung von Schul- und Ausbildungszeiten wurde in mehreren Schritten zusammengestrichen. Rentnern wurde ein Eigenanteil bei der Krankenversicherung auferlegt, Witwenrenten wurden gekürzt (bei eigener Rente der Frau). Und schließlich wurden die Altersgrenzen angehoben.

In Kraus’ Berechnungen ist die im vergangenen Jahr beschlossene Rentenreform noch nicht einmal enthalten. Damit will Blüm (CDU) das Rentenniveau von etwa 69 auf nur noch 64 Prozent der Durchschnittsnettolöhne senken. Eine heutige 2000-Mark-Rente, so rechnete Blüm bereits vor, werde durch den neuen "demographischen Faktor" bis zum Jahre 2030 statt auf 4544 nur auf 4310 Mark steigen.

Damit verschlechtert sich das Verhältnis von persönlichen Einzahlungen und späterer Rente weiter. Schon heute werden die Beitragszahler nach Ansicht der Wissenschaft "hemmungslos" ausgebeutet. Renten-Experte Ernst-Jürgen Horn vom Kieler Institut für Weltwirtschaft: "Irgendwann werden die Leute rebellieren."

Das Kieler Institut rechnete vor, daß eine nach 45 Beitragsjahren bei 2104 Mark liegende Rente die schlechteste aller Geldanlageformen ist. Wären die Beiträge auf einem Sparbuch mit nur vier Prozent Zinsen angelegt worden, könnte der Rentner 14 Jahre lang 9661 Mark im Monat kassieren.

Obwohl die Senioren immer weniger herausbekommen, kassiert der Staat von gut einem Viertel der Rente auch noch Steuern, wenn die allgemeinen Freibeträge überschritten werden. "Ertragsanteil" nennt sich das. Dagegen wehrt sich der 73jährige Karl Heinz Rutsatz (München). Seine persönliche Beitragsbilanz ist eindrucksvoll: Bis zum 65. Lebensjahr zahlte Rutsatz 220 291 Mark in die Rentenkasse ein.

Der Rentner und seine (von ihm geschiedene) Ehefrau würden bis zum Erreichen der durchschnittlichen  Lebenserwartung von 82 bzw. 84 Jahren etwa 124 000 Mark Rente erhalten haben. "Dem Versicherungsträger  verbleiben also rund 96 000 DM. Um auch diesen Rest zu verbrauchen, müßten der Beschwerdeführer und seine geschiedene Ehefrau ein Alter von weit über 90 Jahren erreichen", heißt es in der Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen die Ertragsanteilbesteuerung.

Von einem "Ertrag" könne bei ihm keine Rede sein, betonte Rutsatz. Trotzdem setzte das Finanzamt 27 Prozent der Rente als Ertragsanteil fest und versteuerte bei Rutsatz "Sonstige Einkünfte" (Rente) in Höhe von 1421 DM. Für seine Anwälte ist dieses Verfahren "willkürlich" und stellt einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar: "Der Beschwerdeführer erhält nur einen Bruchteil des von ihm eingezahlten Kapitals. Einen Ertrag dieses Kapitals wird er nach menschlichem Ermessen nie erhalten."

 
     
     
 
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