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Rumänien: Chronik des Verschwindens

 
     
 
Siebenbürgen ist mit einer Bergfestung verglichen worden, die an drei Seiten von den Karpaten wie von Ringmauern beschirmt wird und von Westen, der ungarischen Tiefebene her, nur nach Überwindung des Erzgebirges bzw. des Biharer Gebirges betreten werden kann.

Die Deutschen wurden im 12. Jahrhundert vom ungarischen König Géza II. sozusagen als Besatzung dieser gewaltigen Festung zur Abwehr von Osten drohender Gefahren ins Land gerufen.

Im Norden und Nordosten sind sie heute kaum noch zu finden. In Klausenburg (Cluj), der historischen Hauptstadt Siebenbürgens, war das Deutschtum
schon im 16. Jahrhundert stark zurückgegangen und gegen Ende des 17. Jahrhunderts fast ganz verschwunden. Im nordöstlich davon gelegenen Nösnerland um Bistritz (Bistrita) lebten zuletzt noch etwa 30 000 Deutsche, bevor sie 1944 fast vollständig evakuiert wurden. Die stattliche evangelische Kirche von Bi-stritz ist derzeit geschlossen.

Die Universitätsstadt Klausenburg war bis 1918 mit etwa 50 000 zumeist ungarischen Einwohnern Mittelpunkt des geistigen Lebens im östlichen Ungarn und des protestantischen Unitariertums (das die Dreieinigkeit nicht anerkennt). Mit dessen früher Durchsetzung mag der Schwund des lutherischen Deutschtums zusammenhängen.

Auch nach der Abtretung Siebenbürgens an Rumänien 1920 blieb die Stadt ein Hauptort des siebenbürgischen Madjarentums, bis 1945 auch Sammelpunkt des dortigen Adels.

So war es gerade Klausenburg mit dem Nordwesten des Landes, das aufgrund des Wiener Schiedsspruches von 1940 an Ungarn zurückgegeben werden mußte (um freilich nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Rumänien zuzufallen). Das Klausenburger Ungarntum scheint für die rumänische Obrigkeit auch heute noch ein Problem zu sein. Denn man begegnet hier einer forcierten Betonung der rumänischen Nationalität, die nicht davor zurückscheut, selbst Parkbänke und Abfallkästen in den Nationalfarben Blau-Gelb-Rot anzustreichen.

Die heimatverbliebenen Deutschen, Siebenbürger Sachsen genannt, sind im Süden des Landes mit den Städten Kronstadt (Brasov), Hermannstadt (Sibiu), Schäßburg (Sighisoara) und Mühlbach (Sebes) zu Hause. Im Jahre 1940 waren es etwa 250 000. Nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreiches hatte die Volksgruppe für Rumänien optiert, infolge der rumänischen Bodenreform aber eine wichtige materielle Stütze ihrer kulturellen Einrichtungen eingebüßt.

1945 folgte dann die vollständige Enteignung des Haus- und Grundbesitzes (von dem 1956 einiges zurückgegeben wurde). Die Schulen gingen aus der Hand des kirchlichen Schulträgers an den kommunistischen Staat über. Darüber hinaus wurden etwa 25 000 Sachsen als Zwangsarbeiter in die Sowjetunion deportiert.

Bis zur Mitte der 60er Jahre kam es dann zur Wiederherstellung der staatsbürgerlichen Gleichberechti-gung mit den anderen Nationalitäten. Der Gebrauch der Muttersprache war unberührt geblieben. In den 70er Jahren begann eine Abwanderung vor allem nach Deutschland, die sich mit dem Fall des Ceausescu-Regimes und der mit ihm verbundenen Restriktionen stark beschleunigte.

Die Städte Siebenbürgens sind wie in anderen Ländern unter kommunistischer Herrschaft infolge umfassender Industrialisierungsbemühungen sowie wegen des ideologisch vorgegebenen zentralen Leitungssystems in der Wirtschaft und der Verwaltung unverhältnismäßig stark gewachsen.

Die Einwohnerzahl Klausenburgs stieg von 49 295 (1901) auf 193 400 (1968), die Kronstadts von 36 646 (1901) auf 175 300 (1968), die Hermannstadts von 29 577 (1901) auf 104 400 (1965) und die Schäßburgs von 10 868 (1901) auf 29 100 (1970).

Im Jahre 1901 lebten in Kronstadt 10 644 und in Hermannstadt, dem Mittelpunkt des deutschen kirchlichen und Rechtslebens in Siebenbürgen, 16 141 Deutsche. In Schäßburg hatten die Deutschen wie in Hermannstadt vor den Rumänen und den Ungarn den größten Anteil an der Bevölkerung. Heute zählt es rund 35 000 Einwohner, darunter 1100 Deutsche, ebenso viele wie das deutlich größere Kronstadt. 1989 gab es in Schäßburg noch 3500 sächsische evangelische Gemeindeglieder, jetzt sind es nur noch 520.

In den Altstädten, die in Hermannstadt und Kronstadt neben riesigen Neubaugebieten liegen, welche die Baugesinnung der sozialistischen Moderne repräsentieren, sind Bemühungen unübersehbar, die Folgen des Verfalls aus der Zeit vor 1989 zu beheben.

In den siebenbürgisch-sächsischen und damit evangelischen Kirchenburgen Tartlau (Prejmer) und Birthälm (Biertan) konnten derartige Restaurierungen bereits abgeschlossen werden. In Tartlau, wo die in München beheimatete Siebenbürgisch-sächsische Stiftung engagiert ist, gibt es bei rund 9500 Einwohnern noch 950 Gemeindemitglieder und jeden Sonntag Gottesdienst. In Birthälm, wo noch 60 Sachsen leben, wird einmal im Monat Gottesdienst gefeiert.

In der näheren und ferneren Umgebung kommt man durch Dörfer, die, von ihren angestammten Bewohnern verlassen, bloß noch äußerlich - und auch das mit Einschränkungen - siebenbürgisch-sächsisch sind.

Weit im Nordosten, jenseits der Karpaten, in der Bukowina, dem Buchenland, einer waldreichen Berg- und Hügellandschaft, bietet sich ein ähnliches Bild des Verfalls. Man mag sich darüber wundern, daß es dort überhaupt noch Deutsche gibt. Denn die Deutschen des einstigen österreichischen Kronlandes, in dem sie in einer Stärke von 169 000 Personen (1910) mit 305 000 Ukrainern und 273 000 Rumänen zusammengelebt hatten, waren 1940, damals noch ungefähr 96 000 Angehörige zählend, ins Deutsche Reich umgesiedelt worden.

Rumänien hatte 1919 die Bukowina erhalten, aber 1940 deren Nordteil mit Czernowitz an die Sowjetunion abtreten müssen.

Es gingen aber nicht alle Deutschen weg. So lebten 1990 im Buchenland noch etwa 5000 von ihnen. Nach der großen Abwanderung sind es derzeit noch 2500 Personen.

In Radautz (Radauti), früher "die deutscheste Stadt des Buchenlandes", gibt es eine Deutsche Liedertafel, einen Katholischen Deutschen Leseverein und einen eigenen Kindergarten. Nach 1990 entstand sogar ein Demokratisches Forum der Buchenlanddeutschen.

Seine Existenz verdankt es dem 1939 geborenen Eduard Mohr, dem Spiritus rector aller Bestrebungen der Minderheit. Für ihn geht es darum, "aus den Splittern des Deutschtums den Spiegel der ethnischen Identität wiederherzustellen". - Dafür kann man ihm nur alles Gute wünschen. (KK)

Kronstadt: Sterbetafel bei der Schwarzen Kirche
 
     
     
 
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