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Rückverwandlung

 
     
 
Der eine Krieg, so wissen wir Deutschen es nicht nur aus Friedrich Schillers "Die Piccolomini", ernährt auch rasch noch den nächsten und übernächsten. Auf den Dreißigjährigen Krieg des 17. Jahrhunderts folgte der des 20., der just in diesen Tagen der 55. Wiederkehr der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht noch immer kein Friedenszeichen setzt.

Während die USA dabei sind, entgegen den Abmachungen der Nato einen Raketensperrgürtel zur ausschließlichen Sicherung ihres eigenen national
en Territoriums zu entwickeln, läßt Richard v. Weizsäcker als Vorsitzender einer vorgeblich von Rudolf Scharping einberufenen Wehrstruktur-Kommission in einem zwölf Punkte umfassenden Katalog verkünden, daß die Bundeswehr sich künftig als "Interventionsarmee" zu verstehen habe.

Unabhängig von dieser militärpolitischen und verfassungsrechtlich anstößigen Neudimensionierung unserer Streitkräfte sollen nur noch 30 000 Wehrpflichtige gezogen werden, und die Bundeswehr wird zudem nur noch 240 000 statt der bisher 330 000 Mann unterhalten. Für den aufmerksamen Beobachter scheint sich nunmehr militärpolitisch zu vollziehen, was politische Kräfte seit einem Jahrzehnt wohl systematisch vorbereiteten – die Verantwortung für die 1990 gewonnene nationale Souveränität auszuschlagen.

Es hilft hier wenig, die Verantwortung für diese Tendenz mit Wehklagen an die USA zu delegieren, große, weltberrschende Mächte wollen immer dominieren, Sieger immer auch Sieger bleiben. Aber niemand, auch Washington nicht, könnte die bundesdeutsche Regierung nötigen, aus einer ausschließlich zur eigenen Verteidigung geschaffenen Bundeswehr eine "Interventionsarmee" zu bilden, die in aller Welt nationale Unabhängigkeitsbestrebungen oder sonstige Souveränitätskonflikte niederschlagen soll.

Es nutzt wahrscheinlich wenig, wenn man dem Vorsitzenden der Wehrstruktur-Kommission ein tief religiös empfundenes Wort Bimarcks in Erinnerung ruft, das er 1888 über das Bündnis Deutschlands und Österreich-Ungarns von 1879 mit Bezug auf Rußlands drohende Haltung aussprach: "Wir können durch Liebe und Wohlwollen leicht bestochen werden – vielleicht zu leicht – aber durch Drohungen ganz gewiß nicht! Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt, und die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen läßt."

Der fremde Auftrag spricht aus jeder Zeile dieses Zwölf-Punkte-Maßnahmekatalogs eines Politikers, der laut "Spiegel" an einer Firma beteiligt war, die ein verheerendes Entlaubungsgift während des Vietnam-Krieges zum Einsatz brachte. Hier liegen offenkundig unüberbrückbare Welten dazwischen, denn die deutsche Wehrpolitik erkennt seit den Tagen der Befreiungskriege nur einen gerechten Krieg an, wenn er zur Verteidigung des eigenen Lebensraumes oder des eigenen Volkes geführt wird.

Bereits in den sechziger Jahren, noch auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, so berichtet vor einigen Jahren noch memorierend die Tageszeitung "Die Welt", mußten Panzer der Bundeswehr, die Namen deutscher Städte wie Königsberg, Stettin oder Breslau trugen, in "Donald Duck" oder "Dagobert" schnellstens "umgetauft" werden. Es fehlte die klare wehrpolitische Zielstellung. Das abwiegelnde Wortgefecht galt als höchste militärische Tugend, weshalb alsbald die Soldstaffelungen, Soldsonderzulagen und die Beförderungslisten die Kasinoabende thematisch bestimmten.

Die kurze Zeit der Notwendigkeit des bundesdeutschen Wehrbeitrages ergab sich eigentlich nur aus der US-Politik des "Roll back", die freilich nicht auf Sieg, sondern auf "Westblockbindung" angelegt war. Statt dessen gab es immer noch altdeutsche Wehrsubstanz, so daß aus der militärischen Konfrontationslage heraus die eigenen Traditionsstränge zunächst noch erhalten blieben. Doch mit dem Ausfall der Generation, die den Zweiten Weltkrieg durchkämpft hatte, kamen die parteipolitisch bestimmten Nachfolger mit der "Ohne-mich"- Mentalität zum Zuge. Den trüben Rest besorgten gezielte Medienkampagnen, die "antifaschistisch", "pazifistisch" oder "westlich" angelegt waren, um endlich in die Doktrin eines Graf Baudissin einzumünden, die den Bruch mit der Tradition der Wehrmacht einschloß und in der Ausbildung von vornherein auf jegliches "Siegesbewußtsein" verzichtete.

Wenn die Bundeswehr nunmehr als "Interventionsarmee" in die auch schon zur Tradition gewordene amerikanische "Strategie der Vorherrschaft" unterstützend eintritt, wie es der Untertitel des Buches "Die einzige Weltmacht" von Zbigniew Brzezinski so treffend verheißt, dann ist der Punkt erreicht, der die Bundeswehr in das ohnmächtige 100 000-Mann-Heer der Reichswehr zurückverwandelt, so daß dann schon grenznahe Manöver kleinerer Nachbarn zu fürchten wären.

 
     
     
 
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