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Sanierungsfall Kanzleramt

 
     
 
Ungestraft sagt man das nicht: "Deutschland ist auch ein Sanierungsfall." Kanzlerin Angela Merkel hat zu spät begriffen, daß es in der Politik noch diese geheimnisvolle Grenze des Anstands gibt, die nicht übertreten werden darf. Es gibt Sätze, die bleiben haften, Pattex-Sätze eben. Jeder Kanzler kennt das: Gerhard Schröder hatte seine "ruhige Hand" unfreiwillig zum Markenzeichen gemacht, sich mit seinem "Basta" die Freundschaft der Gewerkschaften verdorben. Helmut Kohl muß auf ewig in seinen "blühenden Landschaften" leben.

Nicht ohne Hintergedanken hatte Merkel auf der Tagung
des Bundesverbandes der Deutschen Industrie auftrumpfen wollen: Sie stand da ohne vorzeigbare Reformansätze und wollte es den Industriebossen gleichtun. Viele der großen Unternehmen brauchen die harte Hand des Sanierers. Was oft genug aber ungesagt bleibt: In aller Regel haben grobe Managementfehler die Unternehmen in Schräglage gebracht. Die Sanierung geht dann auf Kosten der Belegschaft und der Kapitaleigner.

Mit diesem Teil des Vergleiches hat Merkel ungewollt recht - die schweren Bürden, die auf dem Land lasten, muß ebenfalls das "Management des Staates", müssen also Merkels Kabinettsmannschaft und die Vorgänger-Regierungen verantworten. Leider auch hier zu Lasten der Bürger.

Die Frau, die mit großer Sympathie der Bevölkerung ins Kanzleramt eingezogen war, muß sich inzwischen fragen lassen, ob sie noch eine einzige der in sie gesetzten Hoffungen erfüllen will. Merkels Umfragewerte im ZDF-Politbarometer lassen nicht viel Gutes ahnen: Gut ein halbes Jahr nach Amtsantritt sinkt ihr Popularitätswert dramatisch ab. So schnell hat noch kein Regierungschef zuvor die Kurve nach unten gekriegt.

Schwerwiegender noch ist die Absetzbewegung beim Koalitionspartner SPD. Die Sozialdemokraten hatten erst viele Schrecksekunden zu spät begriffen, daß Merkel vor allem ihnen die Misere der Staatsfinanzen anhängen will. Immerhin gehörten fast alle derzeitigen SPD-Minister auch zu Schröders Waffenträgern.

Peter Struck, nun SPD-Fraktionschef, schmiedet eine neue Form der innerparlamentarischen Opposition; Abgeordnete aus dem konservativen SPD-Lager gehören dazu wie übergangene Parteilinke. Struck, der sich lautstark zum Altkanzler Schröder bekennt und damit keine Zweifel mehr an seinem Loyalitätsdefizit zuläßt, hat sich eine Gruppe von Koalitions-Dissidenten herangezogen. Nicht stark genug, um die Mehrheit im Bundestag zu gefährden, aber groß genug, um kritischen Wortführern Deckung zu bieten; eine gefährliche Dimension.

Kanzlerin Merkel sollte inzwischen bemerkt haben, daß sie schlecht beraten wird. Vorwerfen muß man ihr und ihrem Troß eine fatale Kommunikationsstrategie, die nicht nur zu Beleidigungen wie im "Sanierungsfall Deutschland" führt. Viel zu lange läßt sie ihre Mitstreiter und die Öffentlichkeit über ihre wirklichen Absichten im unklaren. Entscheidungsschwäche nennen das die einen, "Bunkermentalität" die anderen. Jedenfalls hat Angela Merkel mit dem Kanzleramt ihren ersten und wichtigsten Sanierungsfall.

Von allen Seiten bedrängt: Kanzlerin Angela Merkel hat sich einen schweren Faux pas geleistet - ist Deutschland wirklich ein Sanierungsfall?
 
     
     
 
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