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Seine Musik bewegt die Gemüter

 
     
 
Vor 130 Jahren erhob sich am 13. August zum ersten Mal der Vorhang, um in Bayreuth Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ über die Bühne des neu errichteten Festspielhauses gehen zu lassen. Gut ein Vierteljahrhundert hatte es gedauert, bis Wagner seine ehrgeizigen Pläne verwirklichen konnte.

Am 14. September 1850 skizzierte Richard Wagner zum ersten Mal die Idee eines Festspiels, die ihn von nun an nicht mehr losließ. „Die Aufführung meiner Nibelungendramen muß an einem großen Feste stattfinden, welches vielleicht eigens zum Zwecke eben dieser Aufführung zu veranstalt
en ist. Sie muß dann an drei aufeinander folgenden Tagen vor sich gehen, an deren Vorabende das einleitende Vorspiel gegeben wird“, ließ er am 20. November 1851 Franz Liszt wissen.

25 Jahre später erinnerte sich Wagner: „Wenn ich mich ernstlich frage, wer mir dieses ermöglicht hat, daß dort auf dem Hügel bei Bayreuth ein vollständig ausgeführtes großes Theatergebäude, ganz nach meinen Angaben, von mir errichtet steht, welches nachzuahmen der ganzen modernen Theaterwelt unmöglich bleiben muß, sowie daß in diesem Theater die besten musikalisch-dramatischen Kräfte sich um mich verei-nigten, um einer unerhört neuen, schwierigen und anstrengenden künstlerischen Aufgabe freiwillig sich zu unterziehen, und sie zu ihrem eigenen Erstaunen glück-lich zu lösen, so kann ich in erster Linie mir nur diese verwirklichenden Künstler selbst vorführen, deren von vornherein kundgegebene Bereitwilligkeit zur Mitwirkung in Wahrheit erst den außerhalb stehenden ungemein wenigen Freunden meines Gedankens es ermöglichte, für die Zusammenbringung der nötigen materiellen Mittel sich zu bemühen.

Ich gedenke hierbei jenes Tages der Grundsteinlegung des Bühnenfestspielhauses im Jahre 1872: die ersten Sänger der Berliner Oper hatten sich bereitwillig eingefunden, um die wenigen Sologesangstellen der Chöre der ,Neunten‘ Symphonie zu übernehmen; die vortrefflichsten Gesangvereine verschiedener Städte, die vorzüglichsten Instrumentisten unsrer größten Orchester, waren meiner einfachen freundschaftlichen Aufforderung zur Mitwirkung an der Ausführung jenes Werkes, welchem ich die Bedeutung des Grundsteines meines eigenen künstlerischen Gebäudes beigelegt wünschte, eifrigst gefolgt. Wer die Weihestunden dieses Tages miterlebte, mußte hiervon die Empfindung gewinnen, als sei die Ausführung meines weiteren Unternehmens zu einer gemeinsamen Angelegenheit viel verzweigter künstlerischer und nationaler Interessen geworden. Im Betreff des künstlerischen Interesses hatte ich mich nicht geirrt: dieses ist mir bis zum letzten Augenblicke treu und meinem Unternehmen innig verwoben geblieben. Sehr gewiß hatte ich mich aber in der Annahme, auch ein nationales Interesse geweckt zu haben, getäuscht ...“

Wie groß nicht nur das nationale Interesse an den Aufführungen in Bayreuth noch heute ist, zeigen die Besucherscharen, die aus aller Welt alljährlich im Juli und August zu den Festspielen strömen. In diesem Jahr beginnen die Festspiele am 25. Juli mit der Aufführung des „Fliegenden Holländers“.

Im Sommer 1839 waren Richard Wagner und seine Frau Minna Hals über Kopf aus Riga vor ihren Gläubigern geflüchtet. Über Königsberg, wo Wagner drei Jahre zuvor die Schauspielerin Minna Planer geehelicht hatte, ging’s nach Pillau, wo das Paar eine Seereise über die stürmisch bewegte Ostsee nach London antrat. Auf dieser Reise erlebte Wagner hautnah, was er in Heinrich Heines Buch „Memoiren des Herren von Schnabelewopski“ zuvor gelesen hatte.

Von London ging’s schließlich nach Paris. Dort begann Wagner im Frühjahr 1840 mit dem ersten Prosaentwurf zum „Fliegenden Holländer“, den er an die Pariser Oper verkaufte. 1841 begann er dann mit der Ausarbeitung, und am 2. Januar 1843 wurde die Oper schließlich am Hoftheater Dresden uraufgeführt.

Am 28. August enden die diesjährigen Bayreuther Festspiele mit der Aufführung von „Tristan und Isolde“. Diese Oper gilt noch heute als eine der sinnlichsten und aufwühlendsten Kompositionen der Musikgeschichte. „Sie mußte“, so der Musikwissenschaftler Kurt Pahlen, „um ihren ungeheuren Inhalt ausdrücken zu können, gewaltige harmonische Neuerungen einführen, ja selbst eine gänzlich neue melodische Idee schaffen. Die Chromatik (Veränderung der Grundtöne, d. Verf.), die Wagner hier verwendete, öffnete der Musik vollkommen neue Gefilde und ungeahnte Ausdrucksmöglichkeiten, aber sie bedeutete einen gewaltigen Schritt hin zur Auflösung der Harmonie, der Tonalität und ihrer Beziehungen.“

1857 hatte Wagner mit der Niederschrift der Oper begonnen. Am 7. August 1859 lag die Partitur des „Tristan“ vollständig vor. Alle Versuche aber, die Oper auf einer Bühne unterzubringen, scheiterten, selbst in Paris war man nicht interessiert. In Wien schließlich bot man ihm die Aufführung an, doch scheiterte sie schließlich an der Erkrankung des Sängers der Titelrolle.

Nach vielem Hin und Her und nach Intrigen des Kritikers Hanslick, der die Künstler gegen Wagner einnehmen konnte, wurde die geplante Aufführung nach 77 Proben endgültig abgesagt. Eine Wende in der vertrackten Situation ergab sich, als Richard Wagner König Ludwig II. von Bayern begegnete. Am 22. April 1865 schrieb der Komponist an seinen Fürsten: „Ich kann jetzt über nichts weiter hinauskommen, als den ,Tristan‘ mit seinen Wehen und Wonnen Ihnen zu Füßen zu legen, und dann sterben! ...“

Als dann am 10. Juni 1865 die Uraufführung der Oper „Tristan und Isolde“ in München stattfand, war Ludwig II. hellauf begeistert. Unmittelbar nach der Aufführung schwärmte er überschwenglich: „Einziger! – Heiliger! – Wie wonnevoll! – Vollkommen. So angegriffen von Entzücken! – ... Ertrinken ... versinken – unbewußt – höchste Lust. – Göttliches Werk! – Ewig – treu – bis über den Tod hinaus!“

Noch heute gilt vielen die Oper „Tristan und Isolde“ als der erste Schritt hin zur „modernen“ Musik. Mehr über den Komponisten und den Menschen Richard Wagner, seine Opern, seine Ideen, seine Höhenflüge und Rückschläge, erfährt man bei der Lektüre einer Biographie, die Walter Hansen für den Deutschen Taschenbuch Verlag schrieb. Briefe, Selbstzeugnisse und Aussagen von Zeitgenossen hat der Wagner-Kenner Hansen zu einer unterhaltsamen Lektüre verschmolzen und zeichnet ein durchaus menschliches Bild des musikalischen Genies. Ein spannendes und durchaus auch amüsantes Buch, das nicht nur ausgewiesene Musikfreunde und Wagnerianer in seinen Bann ziehen dürfte.

Walter Hansen: „Die Richard- Wagner-Story – Eine Biographie“, dtv-premium 24549, dtv München 2006, 360 Seiten mit zahlr. sw Abb., Klappbroschur, 15 Euro 5623.

 Das Bayreuther Festspielhaus: Seit 130 Jahren kommen Gäste aus nah und fern hierher, um die Musik Richard Wagners zu hören.
 
     
     
 
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