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Spektakel um den Atomausstieg

 
     
 
Vom Aussteigen aus der Kernenergie kann vorläufig jedenfalls keine Rede mehr sein. Keine 100 Tage nach ihrer Regierungsübernahme können SPD und Grüne damit einen zentralen Punkt aus ihrer Koalitionsvereinbarung streichen, nämlich den schnellen Verzicht auf die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen im Ausland.

Es drängt sich der Eindruck auf, daß Trittin in ideologischer Verblendung einen Gesetzentwurf mit heißer Nadel gestrickt hat, um über eine Verstopfungsstrategie
bei den Lagerkapazitäten bereits in diesem Jahr sechs der 19 deutschen Atommeiler zur Betriebsaufgabe zu zwingen. Schröder kassierte den Entwurf völlig zu Recht wieder ein und demütigte seinen Umweltminister damit nicht zum ersten Mal.

Die Atomenergie ist nicht besonders beliebt. Nach Harrisburg und Tschernobyl schwappte das Mißtrauen auch auf die als besonders sicher eingestuften deutschen Anlagen über. Die Atomwirtschaft sorgte selbst mit der Verheimlichung von strahlenbelasteten Castor-Transportbehältern dafür, daß das Mißtrauen neue Nahrung erhielt.

Verzichtet werden kann auf den Atomstrom, der etwa ein Dritteldes deutschen Energieverbrauchs deckt (31 Prozent), dennoch nicht. Theoretisch reichen zwar die Kapazitäten zur Energieversorgung aus. Aber bei hoher Nachfrage (an eiskalten Tagen) würden die Netze ohne Atomstrom zusammenbrechen. Außerdem gehören viele ältere und nicht mehr so zuverlässige Kraftwerke zur Reserve, so daß bei einem Abschalten der für den Grundbedarf sorgenden Atommeiler Engpässe vorprogrammiert sind.

Im Umweltschutz würde das Ziel, den Kohlendioxydausstoß zu verringern, durch einen Atomausstieg konterkariert. Nach Schätzungen würde die Kohlendioxydbelastung durch einen Atomausstieg von derzeit 900 Millionen Tonnen, die pro Jahr durch Schornsteine und Auspuffe geblasen werden, auf 1060 Millionen Tonnen steigen. Erneuerbare Energien haben einen Anteil von drei Prozent an der Stromerzeugung, der sich vielleicht auf fünf Prozent steigern lassen könnte.

Dann sind aber immer noch 26 Prozent des durch einen Atomausstieg klaffenden Lochs in der sicheren Energieversorgung zu füllen. Grüne empfehlen nun den Einsatz von Blockheizkraftwerken, die aus Öl und Gas mehr Energie herausholen, weil sie nicht nur Strom, sondern auch Heißwasser für Fernheizungen produzieren.

Der Pferdefuß: Im Sommer wird so viel Heizenergie nicht benötigt. Die Blockheizkraftwerke sind eine Rechnung à la Milchmädchen. Auch von Solarenergie ist viel die Rede. Man müßte, so der CDU-Finanzexperte Friedrich Merz, ganz Hamburg mit Solarzellen pflastern, um 0,3 Prozent des Energiebedarfs der Hansestadt decken zu können.

Die Grünen nennen ein weiteren Königsweg: Strom sparen in den Haushalten. Experten rechneten nach, daß die Bürger dann auf einige Annehmlichkeiten verzichten müßten: Angefangen von den Signallampen an der Tiefkühltruhe über ISDN-Telefon und Fax, Videorecorder bis hin zur elektrischen Zahnbürste. Das dürfte kaum funktionieren. Denn schließlich käme auch niemand auf die Idee, die Textilindustrie zu verpflichten, wieder Handwebstühle einzusetzen.

Doch die Lage ist viel zu ernst. In der Atomindustrie stehen 40 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Ohne sichere Energieversorgung würde die Industriegesellschaft zusammenbrechen. Die ausländischen Wiederaufarbeiter drohten bereits mit Milliarden-Entschädigungsforderungen.

 
     
     
 
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