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Sprache - der Türöffner zum Denken

 
     
 
Die Sprache dient nicht allein der Kommunikation. Sie ist Werkzeug des Denkens, Fühlens und des daraus resultierenden Handelns der individuellen Persönlichkeit in ihrem sozialen Umfeld und somit seine kulturelle Heimat. Der Muttersprache kommt persönlichkeitsbildende Kraft zu. Es ist die Ausnahme, wenn Eltern aus unterschiedlichen Sprachvölkern stammen und sich dadurch eine "angeborene Zweisprachigkeit" ergibt oder ergeben kann.

In Königsberg hat Heinrich von Kleist (1777-1811) als Student einen "wunderschönen Aufsatz" unter der Überschrift: "Von der allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden" verfaßt, auf den der Vorsitzende des Vereins Deutsche Sprache e. V., Professor Walter Krämer, unlängst hingewiesen hat. In diesem Aufsatz versuche Kleist nachzuzeichnen, wie unsere Gedanken quasi ohne unser Zutun aus der Sprache selbst entstehen. "Wenn Du etwas wissen willst", so Kleist, "und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich Dir, mein Freund, mit dem nächsten Bekannten darüber zu sprechen." Denn durch das Sprechen werden unsere Gehirn
zellen quasi aufgemischt, beflügelt, zu Höchstleistungen angetrieben - das Sprechen als Türöffner zum Denken. Kleist berichtet, daß er den Sprachmotor anwerfe, indem er einfach zu reden anfange, und dann trage ihn die Sprache, ohne daß er nachdenkt, ganz von selbst ans Ziel ... Da er irgendeine dunkle Vorstellung von dem habe, was er suche, finde er schließlich zur Erkenntnis.

Die Sprache, so folgert Krämer, sei eben mehr als nur eine Benutzeroberfläche, mit der unser Denken mit der Umwelt in Verbindung tritt. Sprache sei einer der Motoren des Denkens selbst. Sie sei ein Produktionsfaktor, und diesen Faktor optimal zu nutzen, gelinge den meisten Menschen nur in ihrer Muttersprache.

Einer der bekanntesten Computerexperten, Josef Weizenbaum, sieht daher in der Art, wie deutsche EDV-Experten reden, einen der Gründe des Rückstands der deutschen gegenüber der amerikanischen Computerwissenschaft. "Jeder Mensch denkt in seiner eigenen Sprache, mit den ihr eigenen Nuancen", habe Weizenbaum formuliert und: "Die Sucht vieler Deutscher nach englischen Sprachbrocken erzwingt Spracharmut, Sprachgulasch. Ideen können so nicht entstehen."

Krämers Schlußfolgerung: "In der Sprache BSE (Bad Simple English) kann man weder klare noch innovative Gedanken fassen. Indem wir uns diese moderne Schimpansensprache überstülpen lassen, werden wir zu Sklaven einer angelsächsischen Denkweise und Weltsicht und geben unsere eigenen komparativen Vorteile, die wir in Deutschland immer noch besitzen, ohne Gegenleistung auf." Fest stehe, daß ein Nicht-Muttersprachler, der Englisch rede, gegenüber einem englischen Muttersprachler immer im Nachteil ist. Wenn in deutschen Unternehmen im Ausland Deutsch als Sprache auch der Deutschen untereinander aufgegeben werde und der oft miserable Sprachgebrauch sogenannter "Wirtschaftsführer" eher peinlich als informativ sei, dann koste das den deutschen Aktionär und Steuerzahler jedes Jahr Milliardenbeträge.

Kein Wunder, daß ein englischer Diplomat auf die Frage, was sein Land zu den Kosten und Aufgaben der EU-Osterweiterung beitrage, nur sagte: "We teach them English". In der Tat: Mit dem Lehren ihrer Sprache - so berichtet Krämer - verdienten die Engländer mittlerweile mehr Geld als mit dem Nordseeöl. Ein deutscher Akademiker aber verbringe zwei bis drei Jahre seines Lebens damit, Englisch zu lernen. In dieser Zeit habe sich der englische oder amerikanische Hochschulabgänger schon fast das erste Haus verdient. Krämer wünscht diesem Aspekt der englischen Sprachhegemonie erheblich mehr Aufmerksamkeit als bisher.

Statt dessen greift die Sucht, den Kindern in Deutschland schon im frühesten Alter Englisch einzutrichtern, immer mehr um sich. "Sie können noch nicht lesen und nicht schreiben, aber Englisch sprechen diese Mädchen und Jungen im Vorschulalter schon", berichtet der Südkurier aus Nußbach im Schwarzwald. "Schon Einjährige können mitmachen", verkünden Englischlehrer für die Kleinsten, teilt die Neue Ruhr Zeitung aus Emmerich mit. "Dieses Sprachbad, in das die Kinder eintauchen, sorgt dafür, daß sie ganz schnell ein Gehör für die fremde Sprache entwickeln." "Ganzheitlich" werde dem Baby die Sprache vermittelt, heißt es.

Das geht so weiter bis zur Hochschule, wo ausgerechnet an der Frankfurter Johann-Wolfgang-Goethe-Universität das "CCID Center for Media, Knowledge Cultures, Imagination and Development" als das Zukunftslabor für Medienrevolution" zu einem "Kick-off" einlädt. Das Center wurde 1996 von dem Wissenschaftler Professor Manfred Faßler und dem Medienkünstler Cyrill Gutsch konzipiert und als "Public-Private-Partnership" ins Leben gerufen.

Die "7 Kick-off-Tage" zum Thema "Urban Fiction 2004-2014" im Juli 2004 wurden gesteuert durch folgende "Hot Spots": "New Urbanity", "My City - Open City", "Welcome to DigitalLife", "24 H in Urban Media Scapes", "Building the Future City". Das alles ist für "Innovation Leaders" gedacht, und die ganze "Future University" funktioniert als vernetzte Medienplattform. "Get great minds connectet!" heißt es in dem Denglish-Gulasch der Einladung.

Ihre Entsprechung in den Medien findet diese Einrichtung der John-Wolfgäng-Goißi-University sprachlich im "Big-Brother-Container" und im "Dschungel-Camp". 16 Kultusminister aber schauen zu (oder weg).

 
     
     
 
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