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Thailand ist ein ruhiger Hafen im tosenden Meer

 
     
 
Unglaublicher materieller Reichtum, politische Erfolge der Superlative und brutale Methoden markierten Premier Thaksins Aufstieg zur nahezu absoluten Macht über Thailand während der letzten fünf Jahre. Die selben Faktoren, seine hemmungslose Selbstbereicherung und der offene Mißbrauch seiner Macht, verursachten eine monatelang das Land lähmende
politische Krise, an deren Ende zur allgemeinen Erleichterung das Militär gegen den demokratisch gewählten Premier putschte - mit dem durchaus glaubwürdigen Versprechen, binnen Jahresfrist Neuwahlen durchführen zu wollen.

Dabei hatte der frühere Polizeioffizier Thaksin während seiner Regierungszeit großzügig mit öffentlichen Aufträgen gehätschelt und nach Kräften Schulfreunde, Verwandte und Gefolgsleute in Schlüsselstellungen der in Thailand vielköpfigen Generalität befördert. Die thailändische Armee - im Zweiten Weltkrieg ein zurückhaltender Bundesgenosse der Achsenmächte - hat im Putschen weit mehr Erfahrung als im Kriegführen. Seit es 1932 die absolute Monarchie abschaffte, gab es 23 Putsche, von denen 18 gelangen. Nicht immer ging es so friedlich zu wie jetzt unter General Sonti Boonyaratglin, einem Muslim, dem Thaksins brutaler und erfolgloser Kurs gegen die aufständischen Malaien im Süden besonders mißfiel. Bangkoker Bürger, denen Thaksins ländlicher Populismus besonders verhaßt war, begrüßten die Soldaten mit Blumen und ließen sich vor den Panzern für Erinnerungsfotos ablichten.

Die scheinbare Normalität war ansteckend. Kein Schuß war gefallen. Nach kurzer Unterbrechung arbeiteten die Banken, die Börse, die Medien (freilich unter Zensur) und die Wirtschaft weiter - mit hörbarer Erleichterung, daß die Zeiten der politischen Ungewißheit nunmehr vorbei seien. Der Fremdenverkehr ist genauso unbeeinflußt. Die Strände von Pattaya und des nach dem Tsunami vom Weihnachten 2004 nahezu vollständig wiederhergestellten Phuket sowie das einschlägige Nachtleben von Bangkok sind weiter voller entspannungs- und vergnügungsbedürftiger Auslandstouristen. Der neue futuristische Flughafen von Bangkok - auch er ein korruptionsverdächtiges Werk Thaksins -, der in dieser Woche seinen Betrieb aufnimmt, ist voll ausgelastet. Kein einziger Flug wurde annuliert.

Auch Thaksin nahm seinen Sturz, der ihn in New York bei der Uno-Vollversammlung überraschte, äußerlich gelassen hin. Er sei Regierungschef auf dem Hinflug gewesen, und auf dem Rückflug nach London sei er arbeitslos und würde dort eine verdiente Pause einlegen. Hungern wird er im britischen Exil sicher nicht - hat er doch den Großteil seines von Forbes auf 2,2 Milliarden US-Dollar geschätzten Vermögens rechtzeitig ins Ausland verbracht. Eine Rückkehr nach Thailand ist für Thaksin zur Zeit eher nicht ratsam. Zwar ist seine Partei "Thai Rak Thai" (TRT, "Thais lieben Thais") auf dem Land, wo 70 Prozent der Bevölkerung leben, angesichts der Vielzahl sozialpopulistischer Geschenke nach wie vor so populär, daß sie trotz des Abscheus der Städter, der Intellektuellen und der Muslime des Südens derzeit noch wiedergewählt werden würde. Doch würden Thaksin Prozesse wegen einer Endlosserie an Wirtschafts-, Steuer- und Verfassungsvergehen erwarten, die er kaum in Freiheit überleben dürfte. Ähnlich wie das Original in Italien, so scheint "Thailands Berlusconi" politisch am Ende.

Doch während Thailand sich nach dem friedlichen Militärputsch wieder in ruhigeren Bahnen bewegt, zeigt ein Blick in die Region durchaus ernsthafte politische Turbulenzen. Im benachbarten Kambodscha läßt Premierminister Hun Sen, der von den Vietnamesen eingesetzte ehemalige Offizier der Roten Khmer, Dutzende Oppositionspolitiker, Journalisten und Regimekritiker inhaftieren. Die Philippinen werden nach dem Wiederaufflackern der kommunistischen Revolte von einer Welle politischer Morde heimgesucht. In diesem Jahr allein sind es bisher 51, von denen bislang kein einziger aufgeklärt und gesühnt ist.

Noch dramatischer ist Indonesiens "stille Revolution", die massive Islamisierung des mit 245 Millionen Einwohnern (86 Prozent Muslime) größten muslimischen Landes der Welt. Im Zuge der Dezentralisierung wird auf mehr und mehr Inseln und Provinzen islamisches Recht eingeführt. Alkoholverbote, nächtliche Ausgangssperren für Frauen sind an der Tagesordnung. In Aceh, der Unglücksprovinz im Nordwesten, ist man am fanatischsten, wird doch der Tsunami von den Überlebenden als Strafe Allahs für die Sünde angesehen. Das Kopftuch ist Pflicht. Biertrinker, Glücksspieler und unverheiratet sich treffende Paare werden öffentlich ausgepeitscht. Dazu kommt die Willkür der Justiz. So wurden kürzlich, trotz der Bitten um Gnade von Benedikt XVI. drei Christen auf Sulawesi von einem Erschießungskommando hingerichtet. Sie waren verurteilt worden, weil sie vor sechs Jahren in tödliche Kämpfe zwischen Muslimen und Christen auf der Insel verstrickt gewesen waren. Von ähnlichen Urteilen gegen muslimische Mörder oder die Bombenleger von Bali und Jakarta hört man nichts. Derweil boomt der Auslandstourismus auf der Tropeninsel Bali. Mehrheitlich hinduistisch wird sie im Alltagsleben von muslimischen Eiferern verschont - noch.
 
     
     
 
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